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5. Der Methylierungs-Prozess.


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Wie wir schon gesehen haben, erhielt die Epigenetik eine neue Bedeutung, nachdem das Humangenomprojekt abgeschlossen war, aber trotzdem noch viele Fragen unbeantwortet geblieben waren. Epigenetische Mechanismen beeinflussen also die Aktivität von Genen. Dies ist vor allem dann ganz besonders wichtig, wenn sich unsere Zellen an eine veränderte Umwelt anpassen müssen.

Eine gut erforschte Möglichkeit der Anpassung an eine neue Umwelt ist die DNA-Methylierung. Dazu werden kleine Moleküle, nämlich Methylgruppen, das ist -CH3, an eine bestimmte Base der DNA, nämlich Cytosin (C), angehängt. Das geschieht allerdings nur an ganz bestimmten Cytosinen. Am häufigsten werden die Cytosine methyliert auf die in der Gensequenz die Base Guanin (G) folgt.

Diese angehängten Methylgruppen wirken wie Vorhängeschlösser. Die Methylgruppen verhindern damit die Bildung von Proteinen, weil jetzt die RNA nicht mehr ablesen (kodieren) kann. Auf diese Weise werden also Gene inaktiviert. Die Übertragung der Methylgruppe erfolgt durch bestimmte Enzyme, den Methyl-Transferasen. Methyl-Cytosin ist leider sehr anfällig, dass die vorhandene Aminogruppe danach verloren geht. Dadurch entsteht dann Thymin, also eine normale Base, die aber nun an der falschen Stelle steht. Dadurch kommt aber der Reparaturapparat in Schwierigkeiten, weil er nicht erkennen kann, ob die Base echt und die gegenüberliegende Base, das ist dann Guanin, falsch ist. So entstehen dann Mutationen. Es gibt auch Enzyme, welche die Methylgruppe am Cytosin wieder entfernen können.

Woher bekommen wir denn nun die Methylgruppe?

Der wichtigste Methylgruppen-Spender des Menschen ist SAM. SAM ist die Abkürzung für S-Adenosyl-Methionin. Es kommt aus dem Methionin-Zyklus. SAM bekommt die Methylgruppe von Methylcobalamin, dem natürlichen Vitamin B12, das die Methylgruppe davor vom Folat bekommen hat. Das Zwischenprodukt ist dann Methionin.

Die meisten Methylierungsprozesse im Körper sind also auf S-Adenosyl-Methionin (SAM) als Methylgeber angewiesen. SAM wird dabei in einem permanenten Kreislauf immer wieder regeneriert. SAM gibt bei verschiedenen Reaktionen seine Methylgruppe ab, wird dadurch zu S-Adenosyl-Homocystein (SAH) und durchläuft dann eine Reihe von Reaktionsschritten, durch die es wieder eine neue Methylgruppe erhält und dadurch wieder als Methylgeber zur Verfügung steht. Dieser ständige Kreislauf der Regenerierung von SAM wird als Methionin-Zyklus bezeichnet.


Dieser sich ständig wieder regenerierende Zyklus ist der Methionin-Zyklus.

SAM: S-Adenosyl-Methionin, SAH: S-Adenosyl-Homocystein

Vitamin B12 ist der wichtigste Faktor für die Regeneration von SAM. Ohne Vitamin B12 kommt das gesamte System zum Erliegen. Eine ausreichende Zufuhr von Vitamin B12 ist daher der erste Schritt zur Optimierung der Methylierung.

Wichtig ist es, dass Vitamin B12 als Methylcobalamin eingesetzt wird. Es gibt noch ein zweites bioaktives Vitamin B12. Es ist Adenosylcobalamin. Es wird im Citratzyklus in den Mitochondrien benötigt. Cyanocobalamin, das in der Medizin am häufigsten benutzt wird, muss erst in einem energieverbrauchenden Prozess in die aktive Form umgewandelt werden.

Der Methionin-Zyklus alleine würde aber so noch nicht funktionieren, wenn nicht noch ein zweiter Zyklus daran angekoppelt wäre, nämlich der Folat-Zyklus. Er liefert eigentlich die Methylgruppe an den Methionin-Zyklus.

Und wie geht das?

Wir alle kennen Folsäure, aber keiner kennt Folat. Beide gehören zur großen Gruppe der B-Vitamine, genaugenommen ist es Vitamin B9. Folsäure ist künstlich und wird sehr billig hergestellt, Folat ist das natürliche, aber auch teurere. Folsäure ist problematisch, weil sie erst im Körper aktiviert werden muss, was wieder viel Energie verbraucht und bestimmte Enzyme blockiert. Folsäure sollte deshalb gar nicht mehr benutzt werden.

Im Folat-Zyklus ist Methyltetrahydrofolat die entscheidende Substanz. Sie liefert nämlich die Methylgruppe. Sie wird zuerst auf Vitamin B12 übertragen und kommt dann zu SAM.

Tetrahydrofolat (THF) kommt also aus zwei Quellen. Entweder aus der synthetischen Folsäure oder aus den grünen Pflanzen, z. B. Broccoli. Die synthetische Folsäure wird über Dihydrofolat in Tetrahydrofolat umgewandelt. Auch natürliches Dihydrofolat geht diesen Weg.

Der limitierende Faktor ist das Methyltetrahydrofolat (MTHF), weil etwa schätzungsweise 1/3 der europäischen Bevölkerung eine Enzymschwäche besitzt und dieser Schritt dadurch nur noch sehr langsam abläuft. Dadurch ist dann die Übergabe der Methylgruppe über Methylcobalamin an SAM behindert, wodurch alle Methylierungs-Prozesse dann eingeschränkt sind.


Das ist also der Folat-Zyklus.

THF: Tetrahydrofolat, MTHF: Methyltetrahydrofolat

Letztendlich ist SAM aber die entscheidende Substanz. Ohne sie werden keine Methylgruppen übertragen. SAM kann problemlos im Labor gemessen werden. Das wird allerdings noch zu wenig gemacht.

Dies ist leider bei SAH überhaupt nicht möglich. SAH kann in Deutschland derzeit in keinem Labor gemessen werden. Damit entfällt auch das wichtige Zahlen-Verhältnis SAM/SAH. Das wäre nämlich hilfreich, um den Methylierungs-Grad besser abschätzen zu können.

Homozystein ist auch hilfreich. Seine Bewertung ist aber schwierig. Ob Homozystein wirklich eine Bedeutung hat, ist auch bis heute noch nicht bewiesen.

Hier ist die Zusammenstellung der Zyklen:


In diesem Zusammenhang ist ein dritter Zyklus, nämlich der Biopterin-Zyklus interessant, der auch MTHF benutzt, um Neurotransmitter, also Botenstoffe des Nervensystems herzustellen. Methyltetrahydrofolat (MTHF) hat also eine Doppelfunktion.

Hier ist der Biopterin-Zyklus:


Bei verschiedenen chemischen Reaktionen wird Tetrahydrobiopterin verbraucht und es entsteht dann Dihydrobiopterin. Mit Hilfe von MTHF (Methyltetrahydrofolat) aus dem Folat-Zyklus entsteht dann wieder Tetrahydrobiopterin und der Vorgang kann wieder neu beginnen.

Tetrahydrobiopterin ist Cofaktor vieler Reaktionsschritte und wird besonders bei der Bildung von verschiedenen Neurotransmittern benötigt:

 Serotonin-Synthese: Umwandlung von Tryptophan in 5-Hydroxy-Tryptophan.

 Dopamin-Synthese: Umwandlung von Tyrosin in L-Dopa.

Die nachfolgenden Syntheseschritte sind meist dann auch wieder Methylierungs-Reaktionen, die von der Bereitstellung von SAM abhängig sind. Am bekanntesten ist die Umwandlung von Serotonin zu Melatonin.

Der Methylierungs-Zyklus ist also ein zusammenhängendes Ganzes.

Wichtiges für die hausärztliche Praxis:

Der Methylierungs-Prozess wurde von Ärzten bisher zu wenig beachtet. Er muss aber funktionieren, damit wir gesund bleiben. SAM ist die wichtigste Substanz, welche die Methylgruppen überträgt. Es darf ein Mangel an Folsäure / Folat oder Vitamin B12 / Methylcobalamin vorliegen.

Epigenetik in der hausärztlichen Praxis

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