Читать книгу Epigenetik in der hausärztlichen Praxis - Joachim Strienz - Страница 9
B. Die psychischen Symptome
ОглавлениеFür Carl C. Pfeiffer standen die psychischen Symptome der Pyrrolurie ganz im Vordergrund. Diese wollte er ja auch behandeln. Er fand bei seinen Patienten extreme Stimmungsschwankungen mit sehr schlechter Impulskontrolle. Am auffälligsten war die Störung des Kurzzeitgedächtnisses. Die Patienten konnten sich nur wenig merken und vergaßen dann vieles sofort wieder. Das führte auch dazu, dass sich die Patienten nicht mehr an ihre Träume erinnern konnten. Carl C. Pfeiffer hatte dieses Symptom besonders benutzt, um die Therapie zu steuern. Er erhöhte die Dosis an Vitamin B6, bis die Traumerinnerung wieder zurückkam.
Dies ist einer der Gründe für die Lernschwierigkeiten. Die fehlende Merkfähigkeit verschlechtert die schulischen Leistungen sehr. Ständig ist der Schüler im Unterricht abgelenkt und kann dann dem Unterricht nicht mehr folgen. Ängste und Panikstörungen sind verstärkt, es kommt zu depressiven Verstimmungen und auch Wahnvorstellungen können vorkommen.
Die Neurotransmitter Serotonin und Dopamin sind vermindert. Darüber wird später noch ausführlicher berichtet werden.
Menschen mit Pyrrolurie sind originell und kreativ. Sie beschäftigen sich oft mit dem Sinn des Lebens. Später fürchten sie, ihre Kreativität zu verlieren und vermeiden deshalb Stress-Situationen. Mutter-Kind-Beziehungen oder Schwestern-Schwestern-Beziehungen sind sehr eng und es wird alles unternommen, um diese engen Beziehungen das ganze Leben lang aufrechtzuerhalten. Junge Frauen sind übermütig und impulsiv. Im Alter herrschen dann aber Müdigkeit und Depression vor.
Menschen mit Pyrrolurie haben auch ein besonderes Farbgefühl. Farbschattierungen können sie sehr gut unterscheiden. Das Farbgedächtnis ist sehr gut entwickelt. Sie sind oft auch gute Zeichner. Auch Gerüche und Düfte werden gut differenziert. Das ist erstaunlich, da ja der Zinkmangel das Riechen eher beeinträchtigt. Gerüche erlangen bei ihnen oft sogar eine starke Bedeutung.
Menschen mit Pyrrolurie fühlen sich ständig bedrängt. Im Restaurant und auch beim Autofahren. Immer kommen ihnen die Leute zu nahe. Das hat auch Auswirkungen auf Beziehungen. Sie tun sich schwer mit Nähe.
Menschen mit Pyrrolurie können anstrengend sein. Schon im Gespräch. Das schlechte Kurzzeitgedächtnis führt dazu, dass sie ständig unterbrechen. Sie fürchten immer, dass sie ihren Gedanken wieder verlieren. Dinge, die bereits besprochen wurden, werden immer wieder nachgefragt. Auch das ist anstrengend.
Sie sind licht- und geräuschempfindlich. Stress können sie gar nicht vertragen. Manchmal stört ihr theatralisches Verhalten. Aber, dann sehen wir ihre Kunstwerke und freuen uns dann doch wieder mit ihnen.
Pfeiffer war es sehr wichtig, den Histamin-Spiegel seiner Patienten zu normalisieren. Irgendwann kamen ihm dann doch Zweifel, ob seine Theorie richtig war. Aber er erlebte dann die späteren Erkenntnisse nicht mehr. Ab 1990 gab es jedoch immer mehr Hinweise, dass nicht nur das Histamin, sondern der Methyl- und der Folat-Spiegel wichtiger waren als das Histamin selbst. Das Histamin trat immer mehr in den Hintergrund. Der Histamin-Spiegel wurde als Marker für den Methylierungs-Grad immer stärker herangezogen. Das war natürlich ganz neu. Darüber war bisher noch nichts bekannt.
Es scheint so, dass Carl C. Pfeiffer zwar eine effektive Nährstofftherapie entwickelt hatte, aber einer falschen Theorie für ihre Wirksamkeit folgte. Heute wird das Histamin als Marker für die Methylierung und nicht mehr zur Beurteilung des psychischen Status benutzt.
Leider hat die Universitäts-Medizin bisher die Erkenntnisse von Carl C. Pfeiffer nicht akzeptiert, da entsprechende Studien fehlen. Nach seinem Tod musste das Princeton Brain Bio Center dann auch schließen.
Danach trat sein ehemaliger Schüler William J. Walsh in den Vordergrund und gründete das Pfeiffer Treatment Center in Illinois. Auch dort wurden sehr viele Menschen behandelt. In der Zwischenzeit ist leider auch dieses Behandlungszentrum geschlossen worden, weil Forschungsgelder ausblieben.
Aus Histapenie wurde Übermethylierung (oder Hypermethylierung) und aus Histadelie wurde Untermethylierung (oder Hypomethylierung).
Heute gilt es als sicher, dass die Neurotransmitter Serotonin, Dopamin und Noradrenalin auch stark vom Methylierung-Status beeinflusst werden. Aber was bedeutet das?
Die Aktivität dieser Neurotransmitter wird durch die Transporter bestimmt, welche die Wiederaufnahme der Neurotransmitter regulieren. Die genetische Expression von Transportern wird durch Methylierung gehemmt und durch Acetylierung gefördert. Dadurch wird die Konzentration der Neurotransmitter im synaptischen Spalt reguliert. Die Methyl- und Acetylmengen, die an die DNS und an die Histone anheften, beeinflussen die synaptische Konzentration von Wiederaufnahmeproteine und damit die Aktivität von Serotonin, Dopamin und Noradrenalin. Beide Richtungen stehen also in Konkurrenz zu einander.
Verlaufsstudien über viele Jahre hinweg haben ergeben, dass die biochemische Grundeinstellung das ganze Leben lang bestehen bleibt. Dies deutet darauf hin, dass sie genetischen oder epigenetischen Ursprungs sind. Oft beginnen die Anzeichen eines Ungleichgewichts schon ab dem zweiten Lebensjahr. Der Einfluss auf das gesamte Leben eines Menschen hängt von der Schwere der biochemischen Unausgewogenheit ab und davon, welchen Umweltfaktoren diese Person ausgesetzt ist.
Defizite können dann ausgeglichen werden, wenn die Ernährung gut ist, Traumatisierungen fehlen und wenn der Betroffene in einer fürsorglichen Familie lebt.