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3.3.1 Das Belohnungssystem

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Das Belohnungssystem des Menschen ist das Eingangsportal für jede Art von Zufriedenheit, aber auch für jede Art von Sucht. Es besteht aus mehreren miteinander verketteten Zentren an der Unterseite des Großhirns. Kommen dort sensorische oder optische Reize aus den verschiedenen Bereichen des Körpers an, die sich im Zuge der Evolution für den Menschen als nützlich herausgestellt haben, wird der Botenstoff Dopamin freigesetzt und in der vorderen Großhirnrinde verteilt. Dabei entsteht ein Gefühl von Lust und Genuss. Was für das Überleben des Steinzeitmenschen hilfreich war, wurde durch „gute Gefühle“ belohnt, so war er stets motiviert, sich immer wieder um Essen, Trinken oder die Befriedigung seiner Sexualität zu bemühen.

Merksatz

Die Aktivierung des Belohnungssystems ist eine Komponente normalen menschlichen Verhaltens, die auch das Leben in einer Gemeinschaft erleichtert und mit Glücksgefühlen verbindet. Individuelles Glück und Nützlichkeit für die Gemeinschaft stehen im Zusammenhang.

Zur psychischen Stabilität eines Menschen sind „gute Gefühle“ zwingende Voraussetzung. Das Streben nach derartigen Glücksgefühlen ist deshalb etwas zutiefst Menschliches. Praktisch alles, was auf das Belohnungssystem wirkt, hat aber Suchtpotenzial und kann zu zwanghafter Jagd danach führen.

Die Psychologie kennt eine Unmenge von Aktivitäten, auf die das Belohnungssystem anspricht. Das Spektrum seiner Begierde reicht von einer Befriedigung durch intensive Arbeit, ein anregendes Gespräch, ausdauerndes Laufen, gutes Essen und natürlich durch Sexualerlebnisse. Es reagiert auf die Erregung bei Extremsportarten, beim Genuss von Nikotin, beim Lesen faszinierender Texte, bei Computerspielen und selbstverständlich spricht es auf all jene Mittel an, die unter dem Begriff Droge konsumiert werden. Wer sich auf diese harten Suchtmittel einlässt, hat kaum eine Chance, ihnen zu entgehen. Ob es bei den zuvor genannten Mitteln zur Sucht kommt, hängt von vielen Faktoren ab. Intensiv diskutiert wird eine genetische Komponente, die mit der Umwelt in noch nicht richtig verstandener Wechselwirkung steht. Sicher spielt auch das soziale Umfeld eine entscheidende Rolle (Gassen 2008).

Wird das Belohnungssystem in einem ausgeglichenen, zufriedenen Leben vielfältig angesprochen, verliert ein einzelner Suchtfaktor seine Bedeutung. Verkümmern die sozialen Momente, egal aus welchem Grund, reduziert sich menschliches Handeln irgendwann nur noch auf ein einziges Thema, das den Betroffenen zu beherrschen beginnt. Dann dreht sich der Tagesablauf allein um die Beschaffung von Drogen wie Heroin oder Alkohol, um die Arbeit bis zum Anschlag oder das tägliche Training bis zur Erschöpfung. Eine Überraschung war in den letzten Jahren die traurige Erkenntnis, dass sogar Essen das Stadium einer Sucht erreichen kann.

Merksatz

Sucht bedeutet letztendlich die Reduktion des sozialen Wesens Mensch auf ein einziges Bedürfnis, dem alles andere untergeordnet wird.

Selbst Motivation ist letztendlich eine Reaktion auf „Glücksgefühle“, die durch ein spezifisches Handeln erzeugt werden können: „Ich mache etwas gerne, weil dadurch die Nervenzellen meines Belohnungszentrums Dopamin freisetzen und mir ein gutes Gefühl vermitteln“. Erfährt ein Kind nur Gewalt und Aggressivität, ist die Gefahr groß, dass das Belohnungssystem des Erwachsenen darauf anspricht und er „mit Lust töten kann“. Auch stressinduzierte Hormone bewirken eine Ausschüttung von Dopamin und sind in der Lage, ein positives Gefühl zu erzeugen. So bekommt sogar Stress Suchtpotenzial.

Neuere Erkenntnisse der Neurowissenschaften belegen, dass das Belohnungssystem auch beim Einkauf aktiviert werden kann. Der Blick auf ein Schnäppchen oder ein besonders attraktiver Preisnachlass zeigt in bildgebenden Scan-Verfahren an derselben Stelle Hirnaktivitäten, die bei sexueller Betätigung oder beim Rauchen aktiv sind. Ein Rabattschild scheint einen Reiz auszuüben, der uns nützlich ist und die Ratio beeinträchtigt. Der vielleicht immer noch überhöhte Endpreis wird in den Hintergrund gedrängt. Marketing und Verkauf machen sich diese Erkenntnis intensiv zunutze.

Im Management besteht aufgrund der permanenten hohen Belastung eine große Suchtgefahr durch alles, was das Belohnungssystem anspricht. Soziale Abfederung und breit gefächerte Interessen sind ein wirksames Mittel gegen die Reduktion des Lebens auf die Arbeit allein.

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