Читать книгу Gardasee – ReiseMomente - Jochen Müssig - Страница 7

Auf einen Blick

Оглавление

AM ANFANG WAR DIE MISTGABEL

Eine kleine Einführung für Lago-Kenner und -Neulinge: Wie ist der Gardasee entstanden? Wie kam der Tourismus an den See? Wie viele Milliarden bringt er ein? Wie ist der Lago politisch gegliedert? Und alles, was man sonst vielleicht noch gerne erfahren möchte.

„Wir fahren ja schon seit zehn Jahren an den See …“ – auch das begleitende Hochziehen der Augenbrauen hilft da wenig: Wer mit gerade mal zehn Jahren Gardasee-Erfahrung angeben will, kann gleich sagen, er sei das erste Mal am Lago. Den Lacus Benacus haben schon die römischen Dichter Catull und Vergil besungen. Und manchmal meint man, die Hälfte aller Gardasee-Urlauber von heute kannten Catull und Vergil persönlich. Sicher ist: Der Gardasee ist ein Urlaubsziel für alle Generationen. Papa und Mama der 1960er-Jahre sind inzwischen Opa und Oma. Die Tochter war schon im Bauch ihrer Mutter am See und nach der Geburt die folgenden 34 Jahre, ehe sie – selbst schwanger – den Lago-Kreislauf weiter ankurbelt.


Ein See für Generationen

Heinrich Mann kam 20-mal

Die mondänste Zeit erlebte der Gardasee zur Zeit der K.u.K.-Monarchie, als die High Society der Literatur – wie Ibsen, Kafka, Rilke, Nietzsche, D. H. Lawrence oder Thomas Mann – den damals deutschsprachigen Norden zwischen Riva und Torbole bevölkerte und sich inspirieren ließ. Heinrich Mann kam sogar 20-mal zu Besuch und war schon damals das, was man heutzutage einen Repeater nennt. Den Seesüden eroberten derweil Mailands vornehme Familien, allen voran Gardone und Sirmione, wo sie die Heilquellen der Grotten des Catull wiederentdeckten, die schon die Römer so liebten.


Eines der ersten Hotels am See

Aus arm wird reich

Damals war der See noch ein armes Gebiet, bewohnt von Fischern, Oliven- und Bergbauern. Die einstigen neuen Hotels waren alle in österreichischer Hand. Es war eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, bestehend aus armen Anwohnern und reichen Besuchern. In den 1950er-Jahren hielt der Camping-, in den 1960er-Jahren der Albergo-Tourismus Einzug. Mit der Mistgabel verscheuchte man zunächst die Kühe, um Platz für Zelte zu machen. Und etwas später wurde das Kinderzimmer im Sommer vermietet, um den Besuchern, die schon damals wiederkamen, ein Bett anbieten zu können. Erst nach und nach wurde das Niveau angehoben und die ersten privaten Hotels mit ein paar Zimmern entstanden. Aus einer „Casa Bottura“, nicht klassifiziert, für 20 Mark die Nacht, ist mittlerweile und beispielhaft ein hübsches Vier-Sterne-Hotel mit Pool geworden. Und die armen Botturas von damals sind nicht nur selbst alt, sondern – wie so viele am See – auch reich geworden.


Camping-Tourismus um 1955

Drei Milliarden Umsatz

Eindeutig an erster Stelle der Einnahmequellen steht der Tourismus. In Zahlen ausgedrückt, liest sich die Gardasee-Sehnsucht wie folgt: Fünf Millionen Gäste, davon knapp zwei Drittel aus Deutschland, lassen pro Jahr an die drei Milliarden Euro am See. Ihnen stehen etwa tausend Hotels mit 55.000 Betten, hundert Apartmentanlagen mit weiteren 3000 Betten und 130 Campingplätze für 26.000 Wohnmobilisten, Zelt- und Caravanfreunde zur Verfügung. Neben dem Tourismus spülen nur noch das Olivenöl und der Wein sichtbar Geld in die Kassen.


Riva gehört zum Trentino ...


... Malcesine zum Veneto

Ein See, drei Regionen

Dem Norden Italiens geht es gut – im Vergleich mit dem Süden Italiens sogar sehr gut. Und das Gardasee-Gebiet mit den Großstädten Verona, Brescia und Trient zählt zu den wirtschaftlich stärksten Regionen Italiens. Doch was für den Gast wie die Einheit Gardasee aussieht, zeigt sich schön geteilt in drei Regionen: Denn das Trentino, Veneto und die Lombardei teilen sich politisch die Gestade des Sees. An den Regionengrenzen ändert sich zuweilen sicht- und spürbar der Straßenbelag. Und wenn eine Großveranstaltung wie der Gardasee-Marathon am Ostufer stattfindet, sieht man kein einziges Plakat an der lombardischen Westküste. Was dann nicht nur aussieht wie Futterneid: Denn wie die Politiker ziehen auch die Marketing-Leute nicht an einem Strang … Dass in manchen Orten Dialekte gesprochen werden, die einer zehn Kilometer weiter schon nicht mehr versteht, hat damit allerdings nichts zu tun ...


... Gargnano zur Lombardei

Parteilose Bürgermeister

Politisch führen in Italien alle Wege nach Rom, auch vom Gardasee aus. Auf regionaler Ebene sind Verona, Brescia und Trient die Hauptstädte des Veneto, der Lombardei und des Trentino, drei der 20 italienischen Regionen, die wiederum in 109 Provinzen gegliedert sind, die alle jeweils eine eigene Regierung haben. Die Bürgermeister in den Gemeinden am Gardasee werden übrigens fast ausschließlich von Parteilosen gestellt, die auf der Bürgerliste (Lista Civica) kandidieren.

Der sonntägliche Kirchgang

170.000: Auf diese Zahl kommt man ungefähr, wenn man alle Einwohner am See zusammenzählt. 170.000 von gut 60 Millionen Italienern insgesamt. Fast die gesamte Bevölkerung ist römisch-katholisch. Der sonntägliche Kirchgang gehört zur unausgesprochenen Pflicht, auch wenn die katholische Konfession seit 1984 keine Staatsreligion mehr ist.


Kirche von Castello di Brenzone

Der See ist ein Hammer

Wind im Haar und ein Glas Prosecco in der Hand, rechts und links die Berge und rund um die „Siora Veronica“ nur das Wasser des Gardasees. Die alte Dame, gebaut 1926, sticht bei gutem Wind mit zwei große Masten und vier mächtigen Segeln in See. Und bei einer Bootstour von Norden nach Süden erlebt man auch ein Stück Entstehungsgeschichte: Es waren insgesamt fünf Eiszeiten, die den Lago so wunderbar modelliert haben. Schönheit braucht eben seine Zeit. Im Großen und Ganzen reden wir von zwei Millionen Jahren, wobei die letzte dieser fünf Eiszeiten vor rund 20.000 Jahren den letzten Schliff gegeben hat und zwar durch den Würmgletscher. Bei Malcesine war er noch tausend Meter hoch, bei Garda, gerade mal gut 25 Kilometer weiter südlich, hatte er schon die Hälfte seiner Höhe verloren. Die gewaltigen Wassermassen, die aus dem Gletscher strömten, transportierten Unmengen an Geröll. Die größten Teile blieben am Gletscherende einfach liegen und formten die heutigen Moränenhügel des südlichen Hinterlands vom See. Schließlich schmolz der Gletscher zwischen den Bergmassiven und die schöne Hammerform des Lagos war vollendet. Das ist gerade mal 15.000 Jahre her, in der Geologie nicht mehr als ein Wimpernschlag.


Segelschiff „Siora Veronica“

Kein Ort, nirgends

Am Stiel im Norden ist der See schmal und von steil aufragenden Bergen umgeben wie ein Fjord. Das schöne Castello von Malcesine wirkt mit dem mächtigen Monte-Baldo-Massiv im Rücken wie eine Spielzeugburg. Hinter dem kleinen Campione ragen die Steilwände 400 Meter senkrecht in die Höhe. Doch ab Gardone an der Westküste und ab Garda im Osten ebbt alles ab. Die Bergwelt hat ein Ende. Nur noch ein paar Hügel gibt es zu sehen. Der Süden gibt sich breit, flach, fast wie ein Meer, und im häufig auftretenden Sommerdunst gilt: Kein Ort, nirgends, weil von der Seemitte kein Meter vom flachen Ufer mehr zu erahnen ist.


Die Steilwände von Campione

Oliven- und Limonen-Riviera

Das Ostufer von Malcesine bis Torri del Benaco ist die Gardesana Orientale, auch Oliven-Riviera genannt. Der Großteil der rund 700.000 Olivenbäume rund um den See ist am Ost- und Südufer zu finden. Alle Oliven werden für die Produktion des begehrten Olio extra vergine di Oliva, jenes unter Feinschmeckern und Gesundheitsbewussten so beliebten hochqualitativen Olivenöls vom Gardasee, verwendet. Während die Olivenernte immer noch von großer Bedeutung ist, spielt der Anbau der Limonen, anders als früher, keine tragende Rolle mehr. Unter Limonen-Riviera versteht man trotzdem immer noch das Westufer von Limone bis Salò: die Gardesana Occidentale. Die wichtigsten und größten Ortschaften freilich liegen im Süden mit Desenzano und mit Riva im Norden.


Tunnel an der Limonen-Riviera

Gardasee – ReiseMomente

Подняться наверх