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2. Kapitel: Nach Paderborn
ОглавлениеAbdallah verabschiedete sich, nach halb durchwachter Nacht recht kurz angebunden, von seinen beiden hoch schwangeren Hauptfrauen. Prinzessin Rosana, Tochter des Emirs, heuchelte Bedauern und verbarg mühsam ihre Freude. Die Trennung gab ihr weiter unbegrenzt Gelegenheit, sich von ihres Herrn Gemahls einsatzfreudigen Offizieren nächtlich im Park verwöhnen zu lassen. Einer von ihnen, wer auch immer das gewesen sein mochte, hatte ihrem Bäuchlein zur ersehnten Rundung verholfen. Damit lag sie wieder voll im Rennen um die Vorherrschaft im Harim. Umm wurde, wer den männlichen Erstgeborenen hervorbrachte. Vaterschaftstests waren noch nicht zu befürchten. In ihren Augen war Abdallah ohnehin der Schuldige. Wie konnte der diese kleine primitive Wüstenmaus vorziehen, wenn doch eine hoch zivilisierte und elegante Dame, zusätzlich eine anerkannte Schönheit, im Bett auf ihn wartete? Der aber stieg Nacht um Nacht lieber ins Bett von Aischa, seiner Lieblingsfrau, und ließ Rosanas Lustwünsche unerfüllt. Mehr als gelegentliches Pflichtturnen, das er ihr als seines Emirs Tochter schuldete, durfte sie von ihm nicht erwarten. Da war ihr jeder andere männliche Ersatz willkommen, der dem Erfolg diente. Der Zieleinlauf stand inzwischen bald bevor. Die Wiederholung der Prozedur fand die Prinzessin jedoch so vergnüglich, dass sie davon nicht mehr lassen mochte.
Prinzessin Aischa, Tochter des mächtigen Fürsten des Banu Merin, brauchte nicht zu heucheln. Ihr Bäuchlein hatte Abdallah gefüllt. Nun stürzten die Tränen, weil ihr Geliebter schon wieder in die Ferne zog. Dass er seine blonde junge Gotin Biliana mit auf die Reise nahm, fand sie nur natürlich. Den Grund dafür deutete sie falsch. Für Aischa, wie für alle Harimsdamen, war es selbstverständlich, dass sie ihren Gatten mit den anderen teilen musste. Sie wollte sich nur nicht schon wieder von ihm getrennt sehen und wäre nur allzu gerne ebenso mitgekommen. Sie umklammerte ihn und wollte mitreisen. Das wies Abdallah barsch zurück. Ihr Zustand erlaubte keine Reiseabenteuer. Er machte sich energisch frei.
Abdallah hatte den eigentlichen Grund verschwiegen, aber wohl überdacht. Nicht sexuelle Gier sondern der Wunsch nach vorbeugender Entspannung machte die Gotensklavin zur Reisegefährtin seiner Wahl. Er fand die blässliche Blonde nicht sonderlich attraktiv. Nur nützlich. Mit ihren Diensten, das wusste er, blieb seine „Ware“ von ihm unberührt. Nur dann konnte er diese am Ziel noch immer jungfräulich, in dem Zustand übergeben, der ihrer Bestimmung entsprach.
Er eilte zur Kaserne. Biliana trabte brav hinterher. Innerlich hüpfte sie. So gut hatte sie sich schon lange nicht mehr gefühlt. Um Rosanas Tyrannei zu entkommen wäre sie zu viel mehr bereit gewesen, wenngleich die Nächte mit Abdallah ihr nicht ein sonderliches Vergnügen bereiteten. Statt erhoffter Leidenschaft nur schale Pflichterfüllung.
Die Marschkolonne war schon aufgereiht. Er nahm den Gruß der Männer und die entsprechende Meldung seines für den Marsch verantwortlichen Offiziers gnädig entgegen. Seine gotische Bettgefährtin stieg zu zwei älteren Sklavinnen des Emirs auf einen der Karren, er selbst auf sein Pferd.
Aufbruch! Es rollte die Truppe vom Kasernenhof.
Sie waren früh aufgebrochen, mit dem ersten Morgenlicht, um die letzte Nachtkühle zu nutzen. Aber die Stadt erwachte noch früher. Durch deren enge Gassen mussten sie komplett hindurch, vom Kasernenhof im Süden zum Nordtor. Daher wartete eine kleine Einheit der Schurta, der jüdischen Stadtpolizei, vor dem Ausgang der Kaserne und setzte sich an die Spitze. Sie ritten bis hinter die Ebrobrücke voraus. Erst durch die schmalen Straßenzüge der westlichen Stadt der Muslime, dann durch das erste der drei nördlichen Stadttore über die hölzerne Fallbrücke auf den Uferdamm. Weiter gings unter der römischen Mauer nach Osten zum mittleren, dem nie geöffneten Nordtor der ehemaligen Römerfestung, das in den Palast-Park führen würde. Vor diesem verzweigte sich die gepflasterte alte Römerstraße. Der östliche Arm führte zum Nordtor der Christenstadt. Auf dem westlichen Damm zogen sie zur einzigen Brücke, mit der die Heerstraße in sieben mächtigen steinernen Bögen über den Ebro sprang.
Der Ausmarsch gestalte sich schwierig. Die Städter wimmelten bereits durch das Viertel. Die Basaris nahmen den Straßenrand für ihre Warenauslagen in besitz. Erste Duftwolken orientalischer Küchen-Kostbarkeiten mischten sich in den Straßendunst. Nur die Maultiere und Peitschen der Schurta machten es möglich, Raum für die Durchfahrt durch das Gewimmel zu bahnen. Auf dem Damm vor dem Tor wurde es noch schlimmer.
Die Ebrobrücke war um diese Tageszeit ein Art Verkehrstrichter in Richtung Stadt. Jenseits mündeten Dutzende Feldwege in die Fernstraße. Die Landbevölkerung strebte zu den Märkten und Basaren. Hochbeladene Karren beförderten Landprodukte herbei. Kleine Herden von Schafen und Rindern trotten dazwischen. Am oberen Fluss strebten flache Flusskähne zum Kai, an dem schon andere entladen wurden. Auch die Führer dieser Karren zwängten ihre Gespanne in den Verkehrsstrom. Östlich der Brücke dasselbe Bild bei den Schiffen der Kauffahrer vom Mittelmeer. Ein ununterbrochener Verkehrsstrom brandete ihnen entgegen, der nur ein Ziel kannte: Die Stadt.
Es dauerte. Die Schurta-Polizisten schafften es auch nicht. Gegen diese Menschen- und Tierwogen half keine Peitsche. Immer wieder saß die Kolonne fest. Erst nach Stunden, die Sonne schon hoch am Himmel, hatten sie die Brücke hinter sich. Dahinter schlug das Bild um in das Gegenteil. Abdallahs Kolonne hatte zu dieser Vormittagsstunde stadtauswärts freie Bahn. Nur einige wenige Händler-Karawanen zogen in ihre Richtung.
Er verabschiedete die Polizisten und ritt mit dem Transportführer Elim voraus, gefolgt von seinen beiden anderen Chassas. Die Karren, fast leer, folgten in raschem Lauf. Flott gings voran. Die Maultiere genossen den Aufbruch mindestens so sehr wie Biliana und trabten fürbass. Drei weitere Krieger folgten auf Maultieren mit einigem Abstand als Nachhut.
Abdallah sah zu Elim hin, seinem erwählten Reisemarschall. Der war mit gut 10 Wintern mehr der älteste der vier Mauren-Ritter. Bewusst daher erwählt. Als der zweite im Kommando brachte er Erfahrung mit. Die beiden anderen waren junge Absolventen der Kriegsschule. Abdallah hatte sie mit ausgebildet und kannte ihre Fähigkeiten wie ihre Schwächen genau. Alle vier verstanden sich als etwas Besonderes. Chassa, das waren ursprünglich die fertig ausgebildeten adligen Krieger der Berber. Vergleichbar einem Baron besetzten sie auch in Iberien die Offiziers- und Kommandostellen. Eine gewisse Bildung und ausgeprägte Überheblichkeit befähigte sie dazu.
Er warf einen Blick zum wolkenlosen Himmel und wandte sich an Elim:
„Das wird wieder ein heißer Frühsommertag. Wir dürfen die Tiere nicht überfordern. Von Mittag an drei Stunden Siesta, ohne das geht es nicht. Reite erst mal zügig weiter. Ich schau mir mal die Truppe an!“
Elim nickte und ritt voraus.
Abdallah verhielt am Rande und ließ die Kolonne passieren. Er spielte in Gedanken Spion und prüfte sie aus scharfem Auge gründlich auf Fehler. Er fand keine. Seine Chassas waren ausgestattet wie ärmliche Handelsfahrer, die Köpfe gekrönt von einem fadenscheinigen Turban. Nur er kam wie ein mittelreicher Fernhändler einher. Sie alle hatten einen Säbel in der Scheide am Sattel hängen.
Acht erfahrene, ihm gut bekannte Krieger hatte er als Gefolge ausgesucht. Fünf saßen auf dem Bock einer Zweirad-Karre und ließen die Maultiere traben. Sie waren Murabitun, Krieger der unteren Klasse und zumeist ehemalige Sklaven. Jeder war ein kriegserfahrener Legionär. Jeder ein alter Söldner und umsichtiger Unteroffizier. Kein Maure, kein Berber, kein Araber. Nur Franken, Slawen, Germanen, Iberer und Basken. Sie waren abgerissen eingekleidet, wie Karawanen-Sklaven. Jeder trug ein Messer im bunten, von Motten gelöcherten Gürtelschal. Ihre weiteren Waffen waren nicht zu sehen.
Schließlich kam die Nachhut heran. Nur sein scharfes Auge und das Wissen darum ließ ihn erkennen, dass die drei Reiter neben ihren Dolchen am Gürtel, zusätzlich einen Säbel verdeckt im Sattel stecken hatten. Er gesellte sich zufrieden mit dem Ergebnis zu den Dreien.
„Basco und du, Bartold, ihr kommt mit mir zur Spitze! Du, Eris, wirst fortan allein die Nachhut reiten!“
Ohne eine Erwiderung zu erwarten spornte er sein Pferd an. Die beiden Söldner folgten ihm. Bei Elim angekommen befahl er weiter:
„Ihr zwei reitet von nun an nach jedem Aufenthalt zügig voraus. Auftrag: Lagerplatz suchen, vorbereiten, Brennholz sammeln, mittags für die Siesta, abends zur Nacht. Abseits von Siedlungen und Straße, Bäume, Schatten, Gras für die Weide, ein Bach! Wiederholen!“
Im Duett erklang das Echo.
„Ab mit euch – und schont eure Maultiere!“
Wenig später trabten sie schon außer Hörweite voraus. Bartold pfiff fröhlich vor sich hin, stoppte, und sah zu Basco. Er musste erst auf Arabisch umdenken, um sich mit ihm unterhalten zu können.
„Warum grinst du wie jenes Honigkuchenpferd, das der Prophet als Säugling gelutscht hat?“
„Aus demselben Grund, aus dem du pfeifst! Da siehst du mal wieder, wie wertvoll ein Baske ist! Ohne mich würdest zu hinten mit Eris Staub schlucken.“
„Oller Angeber, gibs dran, deine Sprache hast du per Zufall mit der Muttermilch geschluckt!“
„Ja, genau wie du dein Fränkisch! Und beides zusammen hat uns Bewegungsfreiheit eingebracht! Ist dieser Morgen nicht herrlich? Kein Chassa weit und breit! Keiner der uns herumkommandiert!“
„Jubel nicht zu früh! An jedem Lagerplatz wirst du wieder zum rechtlosen Befehlsempfänger!“
„Macht nichts. Dafür entschädigen uns nachts Mascha und Adegund mit ihren Diensten!“
„Hoffe nicht auf allzu viel. Du musst die beiden mit sechs anderen teilen. Und da wir ja nur abseits lagern werden, darfst du die Chassas auch noch einbeziehen. Denn dass Abdallah seine Biliana mit denen teilen wird, halte ich für so wahrscheinlich, wie du des Emirs Übertritt zu unserem Christentum!“
„Nun, so wie ich Adegund kenne, macht sie bereits mit Mascha einen Fahrplan für die Nächte.“
„So, so, sieh einer an! Dieser „Sihdi“ „kennt“ also die Adegund!“
„Aber sicher! Die war doch Küchensklavin. Sie hatte freien Zugang zum Kräutergarten im Park. Wir haben uns manche Nacht zwischen den Blumenrabatten gewälzt! Im Übrigen kenne ich einen Franken, der auch gelegentlich nächtlich im Park gesichtet wurde, wo er etwas anderes als Wachdienst ausübte!“
„Mag sein, aber nicht mit einer Willigen, die Adegund hieß. Schließ lieber für dich daraus nicht auf Bevorzugung! Nur ein Chassa hat Vorfahrt. Du wirst dich mit uns einreihen. Und nun schließ lieber mal dein Riesenmaul. Dort oben über uns kreist schon einer der Lämmergeier. Der will bestimmt sein Nest in deine Höhle bauen!“
Basco riss seinen Mund zur Erwiderung noch weiter auf – und klappte ihn sofort wieder zu. Ein heißer Luftzug ließ ihm die Kehle trocknen. Die Mittagshitze wogte herbei.
Nur eine Meile hinter ihnen kam die verstaubte Gruppe schon wie ein Zug echter Fernhändler daher. Niemand konnte nun unter ihre Tarnung sehen.
Vier Tage lang ging es flott auf der Ostschulter des Rio Ebro hinunter, nach Süden, und dann ab dem Dörfchen Lleida westwärts, in Richtung Barcelona, so wie es die Steinplatten der Römerstraße vorgaben. Huesca hätte einen Umweg bedeutet. Der Wali selbst hatte Abdallah unter vier Augen darauf hingewiesen. Den anderen Ratsmitgliedern schien das nicht aufgefallen zu sein. Oder sie hatten aus Respekt den Irrtum des Emirs und seines Hadjibs nicht korrigiert. Wie auch immer, der Wali heilte den Fehler und schwor, seine kostbaren Schwerter mit Eilpost und starker Bewachung dem Wali von Barcelona zu liefern.
Abdallah, seine Offiziere und die als Knechte getarnten Unteroffiziere hatten genug Erfahrung, um Eile mit Weile zu paaren. Zügig, doch unauffällig, schwamm die Kolonne im täglichen dichten Straßenverkehr mit. Die mit meterlangen Steinquadern gepflasterten, und nun schon mehr als 800 Jahre alten und 30 Fuß breiten Römerstraßen, bildeten in Westeuropa ein Fernstraßennetz, das mit den heutigen Autobahnen verglichen werden kann. Es war ähnlich dicht genutzt. Sie überholten nur dann, wenn sie auf einen Stau trafen.
Die Tiere wurden von ihnen aufmerksam betreut und gehütet. Der angehende Sommer begleitete sie. Nur gelegentlich ein erfrischender Regenschauer. Die saftig grüne Region, ihre Wälder und Auen, hielten das Klima im erträglichen Bereich. Dennoch war die mittäglich volle Sonne eine arge Beschwernis für Mensch und Tier. Am besten erging es noch den drei weiblichen Reisenden im Schatten der Wagenplane. Dafür mussten sie das Holpern der Straße und das Kreischen der Achse ertragen. Jede Reiseunterbrechung wurde zur Erlösung. Ohne die übliche Siesta ging es nicht.
Mittags einige Stunden Rast an einem Wasser, und im Schatten eines Waldes mit Weidemöglichkeit, das musste genügen. Dadurch kamen auch die Menschen zu ihrer Erholung, zum Auslauf und zur Einnahme von Mahlzeiten. Im Ergebnis ging es so mit Ausdauer zügig voran. Im ersten Morgenlicht brachen sie ihre Zelte. Im letzten Tageslicht bauten sie die wieder auf. Bewusst mied Abdallah die Raststätten. Geheimhaltung war oberstes Gebot! Sie hatte den Vorrang vor Luxus und Bequemlichkeit. Abseits der Fernstraße im Wald wurde das Lager errichtet. Und nachts von den erfahrenen Murabitun umschichtig bewacht. So schafften sie die 300 km bis Barcelona in beachtlichen 7 Tagen.
Am frühen Abend, die Stadt voraus schon erkennbar, hockten die beiden vom Vortrupp am Straßenrand. Zusammen mit einem alten Bettler. Bevor Abdallah reagieren konnte, stand der Bettler in seinem Weg. Munter und erstaunlich sicher trat er zu dem an der Spitze reitenden Abdallah, hob sich verneigend die Rechte an seine Stirn und sprach ihn an. Es war ein Rastrero, ein Erkunder des Walis. „Sihdi, mein Herr, der Wali, sendet euch seinen Gruß. Er bittet euch, die Stadt zu meiden. Nur so kann Geschwätz vermieden werden. Mein Herr hat bereits gehandelt. Wir benützen die Abzweigung hier, nach Norden um die Stadt herum. Eine Stunde später findet ihr einen fertigen Lagerplatz, an einem Bach im Wald. Dort lagert seit heute Mittag eine „Händler- Karawane“, verkleidete Rastreros mit euren Waren. Morgen früh ziehen beide „Karawanen“ entgegengesetzt davon - und niemand ist weiser!“
„Gut, dann reite mit den beiden voraus. Wir folgen!“
Der angebliche Bettler zog ein gesatteltes Maultier aus dem Busch. Die drei ritten mit einigem Vorsprung voraus. Ganz so, als ob sie mit der ihnen angestrengt nachfolgenden Händlertruppe nichts zu tun hätten.
Die Übergabe am Abend erfolgte wie abgesprochen. Die beiden Trupps lagerten sich scheinbar nebeneinander an einem Bach. Die beiden Walis hatten zu Abdallahs Erleichterung ihre Zusagen peinlich genau eingehalten. Er hatte sich zuvor Kopfschmerzen gemacht. Wie sollte er sich verhalten, wenn ihn einer oder gar beide im Stich ließen? Oder der Herrscher von Barcelona die ihm anvertrauten Schwerter so interessant fand, dass er sich nicht mehr von ihnen trennen mochte? Machtmittel, um sie zu zwingen besaß er nicht, und so ein maurischer Wali war nur schwer zur Preisgabe von Schätzen zu überreden. Dankbar erlebte er diese seltene Ausnahme. Die Schwerter, eingehüllt in je einen kunstvoll geknüpften kleinen Perserteppich, nahm er tiefer mit in den Wald. Einerseits Fan seines Krummsäbels, begeisterte er als Connaisseur sich doch für diese Prachtstücke. Mit einigen kunstvollen Chassa Fechthieben zerteilte er einige Kubikmeter Luft in Schnipsel. Beide Waffen zeigten sich präzise ausgewogen.
Bei den Jungfrauen beließ er es beim äußeren Augenschein. Das schien ihm ratsamer!
Am nächsten Morgen zogen sie in entgegengesetzten Richtungen davon. Dass Abdallahs Kolonne über Nacht um einiges zugenommen hatte, fiel niemandem auf. Im nun schon eingespielten und perfektionierten Zusammenwirken rollte und ritt sie in Reichweite am Mittelmeer nach Norden. Die nächsten 400 km brachten sie nahe Nimes. Die vier Mädchen, alle gleich von hellem Kaffeebraun, erwiesen sich tatsächlich als die angepriesene Augenweide. Die grazilen jungen Damen betörten Sinne, von denen der eine oder andere Unteroffizier bereits geglaubt hatte, er hätte sie nicht mehr. Abdallah sah sich genötigt, seine Männer nachdrücklich zu verwarnen. Er verwies sie zum Trost auf die zwei Sklavinnen, die nicht nur die jungen Mädchen betreuen und bewachen mussten. Sie standen zusätzlich des Nachts reihum den Männern zur Verfügung, oder, genauer gesagt, sie lagen ihnen zur Entspannung.
Zu aller Erleichterung hatte der Wali die vier Grazien mit verträglichen und gut eingerittenen Maultieren ausgestattet. Und ebenso erfreulich war, dass sich alle vier sehr gut im Sattel behaupten konnten. Doch schon am nächsten Abend wandte sich Adegund, nun sowohl Chefköchin wie Obersklavin, an Abdallah und berichtete von einem neuen Problem. Die zarten Sitzflächen und die empfindlichen Spältchen der Mädchen litten beachtlich unter der Beanspruchung. Zwar habe sie bereits Peitschensalbe zum intensiven Einsatz gebracht, jene, mit der ansonsten Delinquenten nach 50 Peitschenhieben wieder gebrauchsfähig gemacht wurden. Wenn er aber so weiter mache, würden die Schwielen am Po die Ware in Paderborn sehr unansehnlich erscheinen lassen, bemerkte sie ebenso deftig wie listig.
Da erwies es sich nun doch als sehr hilfreich, dass der Reisemarschall beim Abmarsch zwei Karren mehr in die Kolonne eingefügt hatte, als eigentlich nötig. Sehr zum damaligen Unwillen Abdallahs, der sich nur schwer von deren Nützlichkeit überzeugen ließ. Es war auch keine besondere beabsichtigt. Einfach Vorsorge, eine Reserve für eventuelle unvorhergesehene Schwierigkeiten. Außerdem beschleunigte das die Reise. Die Ladung auf mehr Karren verteilt, machte die weniger belastet. Da sie in Eile waren, konnten die Ersatzkarren Reparaturaufenthalte ersparen. Notfalls lud man einfach um, und ließ einen zusammen -gebrochenen Wagen zurück. Jetzt war eine solche unvorhergesehene Problemlage da. Und die Abhilfe auch. Die Mädchen wurden halbtags gefahren, in der anderen Zeit durften sie reiten.
Nach ein paar Tagen konnte Abdallah es sich abends nicht mehr verkneifen. Er überzeugte sich eigenäugig, im Zelt und bewacht von den Sklavinnen, vom tadellosen Zustand der nackten Mädchenpopos. Er konnte einfach nicht anders. Jeder Po wurde sanft gestreichelt und befühlt. Zart und wie erträumt, befand er bei sich selbst. Viel zu schade für die fränkischen Barbaren, diese knackigen Pos. Gerne hätte er einen nach dem anderen einige Nächte hindurch in seinem Bett weitergestreichelt. Mannhaft zügelte er seine Phantasie. Fast zu spät. Die aufrichtende Wirkung und die ihr folgende Beule waren nicht mehr zu übersehen. Überstürzt nahm er Reißaus, und fiel ersatzweise in seinem Zelt über die blonde Gotin her. Biliana musste, nicht wenig verwundert und erstaunt, seine mehrfach wiederholten orkanartigen Sturmläufe ertragen. Von da an hielt er sich vorsichtshalber von seiner „Ware“ fern.
Von der magnetischen Anziehungskraft der zierlichen Mädchen, und der von ihnen ausgehenden Versuchung wurde er 14 Tage später fast erlöst. Das Vorhandensein solch ansprechender Beute ließ sich einfach nicht verbergen. Auch andere Männer warfen ein Auge auf diese Schönheiten. Unter den auf der Fernstraße ziehenden Gruppen waren nicht nur Händler oder Bauern. Unerkannt zogen Spitzel und Informanten der jeweiligen lokalen Schurken- und Banditenbanden mit. Die gehörten damals zur Fernstraße wie die Piraten zum Meer und die Läuse zum Pelz. Bald sprach sich die interessante mögliche Beute herum. Fama eilte der Gruppe voraus. Schneller sogar, als der noch nicht vorhandene Telegraf es hätte können.
Eine wirksame Bekämpfung existierte nicht. Es gab weder Polizei noch Landreiter, weder den Sherif noch den Ranger. Nur der Zufall oder ein energischer Gaugraf konnten das steuern. Im letzteren Fall gedieh das auch nur zur Verdrängung. Die Bande wich in den ruhigeren Nachbargau, wo es nun am altrömischen Highway umso höher herging.
Südlich von Nimes hatte Abdallah, gemäß den Weisungen des bestens informierten Wesirs al-Rasa´il, seine Kolonne entlang dem Mittelmeer nach Osten geführt. Zwar weit im Binnenland, und auf der festen Römerstraße. Aber so konnten sie die stark bevölkerte Römerstadt Nimes vermeiden und direkt das Tal der Rhone erreichen. Das hinauf führte die beste Fernstraße zur Schweizer Wasserscheide, und von dort weiter zum Rhein. Diesen Weg sollte und wollte er nutzen, um das schwierige ausgedehnte französische Mittelgebirge zu umgehen.
An diesem Abend bauten sie ihr Lager wieder mal in einem Waldstück auf, an einem ruhigen Bach, der gleich darauf nahe der alten Römerfeste Arles in der Rhone verschwindet. Am nächsten Morgen wollten sie auf der dortigen kombinierten Furt- und Brückenführung die Rhone queren und jenseits Avignon zustreben.
Mit besorgter Miene kam der Unteroffizier Gregor zu Abdallah. Niemand kannte sein Alter, auch er selbst nicht. Vom Aussehen her, bärtig, zottelig, und durchweg grau, glich er eher einem uralten Pyrenäenbär. Der Iberer war wohl der älteste und erfahrenste der Legionäre:
„Sihdi, wir sind heute ein und derselben Zigeuner-Gruppe mehrfach begegnet. Sie haben uns überholt, dann am Rande der Straße gelagert, bis wir wieder vor ihnen lagen. Unseren Vorbeimarsch haben sie jedes Mal neugierig schielend, aber nach meiner Meinung auch spionierend, intensiv gemustert. Danach haben sie das noch zweimal so gemacht. Dadurch fiel mir auf, dass unerklärlich viele junge Männer, kaum Frauen und Kinder, vor allem aber keine Alten dabei waren. Seither habe ich sie nicht mehr gesehen. Ihr habt sie wahrscheinlich gar nicht beachtet. Ich jedoch sehr genau, und nun habe ich Bauchschmerzen. Nur ein ungutes Gefühl, mehr ist es nicht. Aber mein alter Soldatenspürsinn gibt keine Ruhe. Da ist was im Busch! Wir sollten uns vorsehen!“
Abdallahs Chassa-Hochmut nahm das auf die leichte Schulter. Er lächelte nachsichtig:
„Und? Was schlägt dein Bauch deinem alter Soldatenspürsinn als Lösung deines Problems vor?“
„Sihdi, verspottet mich nicht! Gestern hattet ihr mich mit Eris und einem Karren ins Dorf gesandt um Lebensmittel aufzukaufen. Die Bauern warnten uns und erzählten, dass seit längerem eine nicht bekannte Räuberbande aktiv ist. Sie lassen die Dörfer unbeachtet. Aber mehrfach wurden kleinere Handelskolonnen des Nachts überfallen. Es gab nie Überlebende. Man findet nur Leichen! Den vermutlich Überraschten und Gefangenen wurden ohne Ausnahme die Hälse durchgeschnitten. Nichts mehr fand sich vom Handelsgut, von den Tieren oder Karren.
Hier in der Gegend, im Mündungsgebiet der Rhone gibt es unzählige Sandmarschen mit Inseln. Die haben sumpfige Buschzonen, und bieten reichlich verborgene Schlupfwinkel! Die vielen Zigeunerbanden, scheinbar auf der Wanderschaft, sind ein täglicher Anblick. Es könnte sein, dass wir heute Nacht die Zigeuner unerwartet wiedersehen. Das möchte ich gern vermeiden und meinen Kopf behalten. Die Köpfe aller anderen auch. Die Mädchen werden nichts erleiden müssen! Nur das, was sie ohnehin erwartet. Ihr, Sihdi, selbst wenn ihr überlebt, stündet aber ohne sie recht dumm da! Ich bitte euch: Ruft die Männer zusammen und lasst uns vorbeugen!“
Nun war es ihm gelungen. Abdallahs Argwohn war geweckt. Sein Lächeln erlosch. Nachdenklich sah er dem Graubart in die Augen. Was er sah, war Besorgnis. Er erinnerte sich jäh all seiner bösen Erfahrungen. So manches Mal hatte er deren Erwerb teuer bezahlt. Inzwischen hatte er gelernt, dass Denken vor Handeln kam. Er rief alle männlichen Anwesenden zum Rand der Lichtung. Abseits von den Frauen ließ er den alten Veteranen vieler Kämpfe und Razzien dessen Ahnung ausbreiten. Dann wandte er sich an seine zwei jungen Offiziere:
„Was denkt ihr dazu?“
„Endlich mal Abwechslung. Ich dachte schon, die Langeweile bleibt unser Reisegefährte! Ein Chassa geht keinem Kampf aus dem Weg. Wachen ausstellen, kommen lassen, niedermachen!“
Hassan jubelte und hüpfte in Vorfreude. Sein Freund Aron wartete gar nicht ab:
„Jawohl, Hackfleisch und Blutwurst machen wir aus denen!“ krähte er begeistert hinterher.
In Abdallahs Gesicht zuckte es. Man konnte das fast für Schmunzeln halten. Genauso hätte er vor 5 Jahren auch noch reagiert, damals, als er auf seiner ersten Razzia mit ins Frankenland reiten durfte. Inzwischen hatte er dazugelernt.
„Was hältst du davon, Elim, und was rätst du uns?“
Der zauderte nicht lange mit der Antwort:
„Mit unseren 5 Karren bekommen wir keine Wagenburg zusammen. Sie sind ohnehin immer nur in einem Halbkreis um die Zelte aufgebaut. Sonderlich hilfreich ist das nicht. Ein harter Kampf könnte uns mehr kosten, als uns lieb ist. Wir sind hier nicht auf einer Razzia unterwegs, wir haben eine Mission zu erfüllen. Vorsicht ist die Mutter aller Erfolge, und Klugheit ist die bessere Schwester der Tapferkeit! Falscher Stolz könnte uns das Leben kosten! Auf jeden Fall riskieren wir den Erfolg der Mission! Mein Rat: Lager abbrechen und sofort hinunter nach Arles. Im Schutz der Mauern des ehemaligen Römerstädtchens dürften wir für diese Nacht sicher sein!“
Ein kurzer Blick in die Runde, und Abdallah brauchte nicht weiter zu fragen. Der doppelte Hinweis auf seine Verantwortung für das Gelingen der Reise hatte ihn bereits überzeugt.
Schnelle Befehle folgten. Die Abendruhe schlug um in zielstrebige Geschäftigkeit. Während Abdallah die Frauen informierte, brachen seine Männer das gerade begonnene Camp ab, beluden die Karren und schirrten an. Die Kolonne machte sich so unauffällig wie möglich zurück, auf den Weg zur Fernstraße. Die war schnell erreicht. Trotz der späten Stunde zogen immer noch reichlich Reisende ihres Weges. Zur Erleichterung aller sah man keine Zigeuner dazwischen. Sie reihten sich wieder ein und schwammen mit.
Noch im letzten Abendlicht querten sie die Rhone Brücken und setzten über zum jenseitigen Ufer. Eine Kombination aus Brücken, Dämmen und Furten hatte es einfach gemacht, die vielen Mündungsarme des Deltas zu überwinden. Eine Stunde später stand ihr Nachtlager auf dem Anger am Fluss. Angelehnt an die Stadtmauer, direkt hinter dem letzten, dem Hauptarm der Rhone, und zu Füssen der mächtigen römischen Burgmauer fühlten sie sich sicher aufgehoben.
Den Mauren schien es nun geraten, schnell und möglichst weit ab vom Meer und den Zigeunern die Rhone hinauf zu kommen. Der nächste Morgen sah sie schon mitten im Verkehrsstrom, auf dem Zug den Fluss aufwärts. Abdallah beschloss, von nun an nur noch in einer Siedlung zu übernachten. Er befand sich weit genug aus der Reichweite des Ober-Emirs. Im Frankenland ging Sicherheit vor Geheimhaltung. Ein möglichst kleines Dorf oder eine einsame Karawanserei, die man hier eine Taverne nannte, bot beides. Dort weckten sie nur wenig Aufmerksamkeit, und dort schlief es sich ruhiger. Die beiden Vorreiter bekamen ihre Befehle entsprechend geändert.
Ohne besondere Zwischenfälle erreichten sie so die Burgundische Pforte, und an den beiden gewaltigen Schweizer Seen entlang den Oberlauf des Rheins. In der alten Römerfeste Basileam nutzten sie die dortige Steinbogenbrücke, auch von den Römern hinterlassen, und Abdallah mietete im Hafen den größten Rheinkahn, den sie finden konnten. Zwei ihrer alten Legionäre waren germanischen Ursprunges und konnten sich in der exotischen Sprache der Eingeborenen mit ihnen verständigen. Die Gruppe war zu groß. Die beiden Sprachgewandten verkauften auf dem Markt der Stadt drei Karren, und alle Maultiere bis auf die vier besten Zugtiere. Nur diese, und die vier Pferde der Chassas kamen an Bord.
Die Schiffer packten an. Die Karren wurden in der Mitte, im Bauch des offenen Kahns festgezurrt. Die Tiere an ihnen festgebunden. Es wurde auch so noch eng genug. Geschlafen wurde unter dem Sternenzelt. Die eine kleine Vordeck-Kajüte blieb den Damen. Aber auch die hatten sich hier der Not zu beugen. Wer musste, der musste auf die Bordwand, und von dort aus den Flavus Rhenus anfüllen. Ein Grund mehr, gelegentlich bei einem winzigen Quellbach anzulegen, um Wasser aufzunehmen. Die notwenigen Getränke wie Bier und Wein fanden sich käuflich in jedem kleinen Hafen.
Wie im Fluge ging es rudernd und segelnd flussab. Die Reisenden aus dem nun fernen Al-Andalus bestaunten eine exotisch fremde Welt. Die Höhen des Schwarzwaldes zogen fern vorbei. Die ehemaligen Römerstädte Moguntiacum, Confluentes und Colonia Agrippina folgten, nunmehr Burgstädte der Franken, und ihre Namen inzwischen auf dem Weg zur Germanisierung.
Die Schiffsmannschaft verstand ihr Geschäft. Den einzigen schwierigen Abschnitt mit Klippen und gefährlichen Strudeln meisterten sie gekonnt. Sie sahen hinauf zur steilen Felswand, auf der noch keine Lorelei saß. Der Rhein gab sich dahinter friedlich. Beide Parteien strebten das schnelle Geschäft an. Weite Strecken konnten nachts im Sternen- und Mondlicht gefahren werden. Die Mauren-Söldner packten aus Langeweile mit an beim Rudern.
Die nun hochsommerliche Hitze ließ sich auf dem kühlen Wasser in dauernder Siesta angenehm genießen. Sorglos absolvierten sie eine komfortable Lustreise. Diese 650 km ab Basel bis Wesel waren nicht nur der leichteste und schnellste – sie waren auch der angenehmste Teil der Reise. Schneller als erwartet erblickten sie die Mündung des Rio Lippe im rechten Ufer des Rheins. Die Frage, ob dies auch der richtige Fluss sei, stellte sich nicht. Die Schiffer behaupteten mir absoluter Überzeugung, dies sei ihr Zielfluss.
Letzte Zweifel schwanden rasch. Sie steuerten direkt in die alte Römersiedlung Lippeham, und tätigten letzte Einkäufe. Damals bereits ein umtriebiger fränkischer Handelshafen im geschützten Lippe-Mund. Nun heißt das heutige Dorf Wesel.
Der Fluss war einst der Römer Wasserstraße in das Land Germanien. Varus hatte sie genutzt, um in die dortigen Urwäldern vorzudringen, auf dass er sich dort in sein Schwert stürzen konnte. Danach Tiberius, um des Varus Versagen auszubügeln, was auch ihm nicht gelang.
Diese letzten 200 km forderten noch mal allerhand Schweiß. Theoretisch eigentlich ein Umweg. Bei den damaligen morastigen Waldwegen im Land der Mainfranken nach Norden, war die bequeme Flussfahrt auf Rhein und Lippe ein klügerer Reiseweg. Aber jetzt musste flussauf überwiegend gerudert und gestakt werden. Die gemächliche Strömung und die gute Wasserführung der Lippe förderte zunächst ihr Vorankommen. Anfangs begleitete ein noch viel genutzter Treidelpfad das Ufer. Die vier Zugtiere ließen sich auch vor ein Schiff spannen.
Auf halber Strecke, beim Dörfchen Hamm endete der Uferweg, und damit begann das Mühen. Hinter dem Lipperdorf tat sich eine urzeitige Morast-Landschaft auf. Beidseits des Flusses bis zum Horizont mückenschwangerer Sumpf. Darin immer wieder Moränenhügel aus der letzten Eiszeit. Jeder mit einem Eichenhain, darin eine Bauernkate. Die Sachsen hier lebten zwar mückengeplagt, aber das nur im Sommer. Entschädigt wurden sie durch lebenslange ungefährdete Freiheit.
Beim ehemaligen Römerlager Anreppen liefen sie auf Grund. Damit endete die Schiffsreise.
Voraus lag Paderborn in Sicht.