Читать книгу Die Trainingsbibel für Radsportler - Joe Friel - Страница 10
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PHYSISCHE LEISTUNG
IN KAPITEL 1 haben wir uns mit der Bedeutung Ihrer mentalen Herangehensweise an den Radrennsport befasst. Ab Kapitel 3 werden Sie nur noch über die physischen Aspekte der Wettkampfvorbereitung lesen. Während das Hauptaugenmerk dieses Buches der körperlichen Seite des Trainings gilt, kann ich nicht eindringlich genug betonen, wie wichtig Ihre Einstellung und Ihr Denken sind. Wie Sie sich selbst als Athlet wahrnehmen, hat viel damit zu tun, wie gut Sie sich im Training und im Rennen schlagen.
Dieses Kapitel schlägt die Brücke zwischen den mentalen und den körperlichen Faktoren der Leistungsfähigkeit, indem wir versuchen, Ihr Potenzial als Radsportler zu bestimmen. Das ist keine leichte Aufgabe. Zunächst einmal müssen wir verstehen, was in diesem Sport erforderlich ist, um sich im Wettkampf gut zu schlagen. Danach untersuchen wir, was nötig ist, um Ihr Potenzial zu verwirklichen, indem wir abwägen, welche Trainingsphilosophie und -methodik am ehesten Erfolg verspricht. Am Ende dieses Kapitels sollten Sie eine gute Vorstellung davon haben, welche Hingabe und Ressourcen erforderlich sind, um ein leistungsstarker Radsportler zu werden.
AUS DEM RICHTIGEN HOLZ
Wozu wären Sie als Radrennfahrer in der Lage? Die Antwort erhalten Sie nicht, indem Sie mit einer Kristallkugel in die Zukunft schauen, sondern indem Sie zurückblicken. Falls Sie z.B. schon seit einigen Jahren Rennen bestreiten und bereits einem durchdachten Trainingsprogramm folgen (wie etwa demjenigen, das ich in diesem Buch und in früheren Ausgaben der Trainingsbibel darlege), gibt es für Sie als Radsportler womöglich nicht mehr viel Luft nach oben. Vermutlich ist Ihr Potenzial weitgehend ausgeschöpft. Das heißt jedoch nicht, dass Sie sich nicht noch steigern könnten. Ich bin sogar sicher, dass Sie es können. Es ist halt nur so, dass die Verbesserungen, die Sie erzielen werden, relativ gering ausfallen. Ein paar Prozentpunkte sind das höchste der Gefühle.
Falls Sie andererseits noch nicht lange im Radsport dabei sind, bislang eher nach Lust und Laune trainiert haben oder immer wieder Trainingseinheiten haben sausen lassen, schlummert in Ihnen noch eine Menge ungenutztes Potenzial. Dann reden wir von möglichen Steigerungen im zweistelligen Prozentbereich. Sie müssen lediglich die Prinzipien und Trainingsanleitungen beherzigen, die ich im weiteren Verlauf dieses Buches erläutere, und Sie werden sich als Fahrer sukzessive verbessern.
Wenn Sie daran zweifeln, dass Sie in der Lage sein werden, die in diesem Buch dargelegten Trainingsprinzipien umzusetzen, bestünde eine andere Möglichkeit darin, sich einfach im Internet einen generischen Trainingsplan zu besorgen, der von jemand erstellt wurde, der sich mit Radsport auskennt. Ein solcher Plan verhilft Ihnen zu strukturiertem Training, es liegt aber weiterhin an Ihnen, die erforderliche Hingabe aufzubringen, um ihn zu befolgen. Eine bessere Lösung ist es, einen Coach zu engagieren, der seit Jahren mit dem Radsport vertraut ist und erfolgreich mit anderen Fahrern gearbeitet hat. Das ist eine freilich nicht ganz billige Lösung, aber falls Sie sich hohe Ziele gesteckt haben, werden Sie sie unter fachkundiger Anleitung gewiss eher erreichen als ohne.
Sehr wahrscheinlich aber bewegen Sie sich irgendwo zwischen diesen beiden Extremen. Sie haben regelmäßig trainiert, wenn auch bisweilen ziellos. Sie haben häufig Gruppenausfahrten unternommen und gelegentlich harte Einheiten eingestreut, um bereit für den Wettkampf zu sein. Aber es hat auch Zeiten gegeben, da Sie eine Reihe von Trainingseinheiten versäumt haben. Vielleicht haben Sie in den letzten Jahren viele Rennen bestritten, sind aber zumeist irgendwo im großen Feld unter ferner liefen ins Ziel gekommen. Sollte diese Beschreibung annähernd auf Ihr Training und Ihre Wettkämpfe zutreffen, so haben Sie noch reichlich Spielraum für Verbesserungen und dieses Buch wird Ihnen helfen, ihn auszuschöpfen. Aber es wird Hingabe nötig sein, um Ihr Potenzial zu verwirklichen.
Natürlich kann ich Ihnen unmöglich sagen, wie genau Ihr Potenzial als Radsportler aussieht. Inwieweit Sie sich verbessern, indem Sie den in den folgenden Kapiteln dargelegten Anleitungen folgen, hängt von weitaus mehr Dingen ab als allein davon, wie konsistent Sie trainieren und wie fokussiert Sie sind. Auch Ihr körperliches Potenzial spielt selbstverständlich eine maßgebliche Rolle für Ihre Leistungen auf dem Rad. Dies bringt uns zur Physiologie der Höchstleistung.
Die physischen Prädiktoren für Ihren Erfolg als Radrennfahrer werden weitgehend durch Ihre Wettkampfziele bestimmt. Diese Ziele sollten wiederum an bestimmte Arten von Rennen gebunden sein. Bekanntlich kann man aus einem Ackergaul kein Rennpferd machen, sollten Sie sich also in den Kopf gesetzt haben, ein Rennen mit zahlreichen Anstiegen zu bestreiten, sollten Sie gewisse Qualitäten als Kletterer mitbringen. Falls Kriterien Ihr Ding sind, werden Sie ohne ein gerüttelt Maß an Endschnelligkeit kein Land sehen. Zeitfahr-Wettbewerbe erfordern die Fähigkeit, über längere Zeit eine relativ hohe, gleichbleibende Intensität aufrechtzuerhalten. Fahrer, die zwei oder drei dieser grundlegenden Disziplinen – Klettern, Sprinten, Zeitfahren – gut beherrschen, werden »Allrounder« genannt. Sie können in mehreren Disziplinen Beachtliches leisten, ohne sich aber in einer hervorzutun. Solche Fahrer sind am besten in Etappenrennen oder Rennserien aufgehoben, bei denen im Verlauf mehrerer Tage oder Wochen sämtliche Qualitäten gefragt sind. Die drei Radsportdisziplinen als solche werden »Phänotypen« genannt.
Später in Kapitel 6 beschäftigen wir uns ausführlich damit, welche physiologischen Fertigkeiten ein Fahrer mitbringen muss, um sich in einer dieser Disziplinen hervorzutun. Einstweilen wollen wir uns die für den Straßenradsport relevanten Phänotypen einmal mit Blick auf die drei Kennzeichen der Ausdauerfitness ansehen: aerobe Kapazität, anaerobe Schwelle und Ökonomie. Diese drei Elemente bestimmen Ihr Potenzial für verschiedene Arten von Rennen. Jeder Radsportler weist eine einzigartige Mischung dieser Kennzeichen auf.
Die aerobe Kapazität, auch als VO2max, bezeichnet, ist ein Maß, wie viel Sauerstoff Sie nutzen können, wenn Sie über mehrere Minuten maximale Leistung bringen. Je mehr Sauerstoff Sie verarbeiten, um Energie zu gewinnen, desto größer ist Ihre aerobe Kapazität.
Die anaerobe Schwelle (manchmal auch »Laktatschwelle« genannt, wenngleich diese beiden physiologisch nicht exakt identisch sind) ist der Prozentsatz Ihrer aeroben Kapazität, den Sie über einen längeren Zeitraum, etwa 40 bis 70 Minuten, aufrechterhalten können. Je größer dieser Prozentsatz ist, desto besser ist es um Ihre anaerobe Schwelle bestellt.
Die Ökonomie ist insofern eng mit sämtlichen Messgrößen des Leistungsvermögens verknüpft, als sie bemisst, wie viel Energie Sie verbrauchen, wenn Sie Rad fahren. Die Ökonomie wird weitgehend durch Ihren Körperbau bestimmt, aber auch Tritttechnik, Sitzposition und Radbeherrschung spielen eine Rolle. Je weniger Energie Sie verschwenden, desto besser ist Ihre Ökonomie.
Was also ist in Anbetracht all dessen Ihr Potenzial als Radsportler? Anders gesagt: Können Sie eine Prognose darüber anstellen, wie es um Ihre Erfolgschancen bestellt ist, wenn Sie all das in Betracht ziehen, was Sie über sich selbst als Athlet, über die Anforderungen des ins Auge gefassten Rennens und über die physischen Verbesserungen, die demzufolge erforderlich wären, wissen? Die Antwort auf diese letzte Frage verrät Ihnen einiges darüber, wie Sie trainieren sollten – und vielleicht auch darüber, inwieweit Sie verschiedene Bereiche Ihrer Lebensführung anpassen müssen, z.B. Ernährung, emotionale Belastungen und Schlaf. In Kapitel 6 beschäftigen wir uns auch mit dem Konzept der »Begrenzer«. Wie Sie dort erfahren werden, haben diese Begrenzer viel damit zu tun, wie Sie Ihr Training mit Blick auf die Anforderungen eines gegebenen Wettkampfs gestalten sollten. Fürs Erste aber wollen wir uns einen groben Überblick verschaffen. Welches sind die körperlichen Anforderungen beim Klettern, Sprinten und Zeitfahren? Was gehört dazu, sich auf jede dieser drei Disziplinen vorzubereiten? Dieses Wissen wird Ihnen behilflich sein, zu erkennen, welches Ihr Potenzial ist und was erforderlich sein wird, um Ihr Ziel zu verwirklichen.
ABBILDUNG 2.1 Typische Leistungskurven für Kletterer, Sprinter, Zeitfahrer und Allrounder
Leistungskurven und Phänotyp
Abbildung 2.1 veranschaulicht typische Leistungskurven für Kletterer, Sprinter, Zeitfahrer und Allrounder. Auf der x-Achse ist die Dauer angegeben: Es beginnt links mit Belastungen im Bereich weniger Sekunden (»s«) und geht dann weiter über Minuten (»m«) bis hin zu mehreren Stunden (»h«). Die y-Achse gibt die Leistung wieder, die mit zunehmender Dauer logischerweise abnimmt. Die Linien verdeutlichen, wie viel Watt ein Fahrer jedes Phänotyps über eine bestimmte Dauer treten kann. Diese Werte sind nicht als definitive Vorgaben für jeden Phänotyp gedacht, sondern dienen vielmehr als Beispiele, wobei typischen Daten von Elite-Fahrern herangezogen wurden.
Kletterer. Vergleicht man die Kurve des Kletterers mit der des Sprinters, ist offensichtlich, dass seine Leistung auf der linken Seite der Skala bei weitem nicht so hoch ausfällt. Seine Kurve verläuft wesentlich flacher, dafür aber erhält der Kletterer bei zunehmender Dauer relativ hohe Wattzahlen aufrecht. Um die Leistung über einen längeren Zeitraum wahren zu können, benötigt der Kletterer eine sehr hohe aerobe Kapazität, eine hohe anaerobe Schwelle und eine hervorragende Ökonomie beim Bergauffahren. Das ist es, was Klettern so anspruchsvoll macht – es stellt die in der Summe höchsten Anforderungen an die Physiologie des Fahrers.
Einer der besten Prädiktoren des Leistungvermögens am Berg ist die gewichtsbezogene Leistung des Fahrers, die üblicherweise in Watt pro Kilogramm (W/kg) angegeben wird. Die Kombination aus hoher Wattleistung und geringem Körpergewicht verleiht einem Radsportler großes Potenzial in solchen Rennen und Rennsituationen, in denen die Schwerkraft der größte äußere Einfluss ist, der den Sportler bremst.
Sprinter. Die Kurve des Sprinters in Abbildung 2.1 verläuft deutlich steiler, mit einem ziemlich hohen Output auf der linken Seite, der mit zunehmender Dauer stark nachlässt. Dies ist typisch für reine Sprinter. Sie können über einige Sekunden enorme Wattzahlen treten, sind aber nicht in der Lage, über längere Zeit eine moderate Leistung aufrechtzuerhalten. Ihre enorme Explosivität erfordert eine exzellente Ökonomie, was in diesem Fall eine tolle Aerodynamik sowohl im Sitzen als auch im Stehen sowie eine hervorragende Tritttechnik und Radbeherrschung bedeutet.
Freilich ist dies eine gewisse Vereinfachung der physischen Anforderungen, die an den Sprinter gestellt werden. Um auf der Zielgeraden Chancen zu haben, muss ein Sprinter zunächst mal mit der Spitzengruppe den letzten Kilometer erreichen. Das erfordert eine gewisse aerobe Kapazität und anaerobe Schwelle. Dennoch sind Sprinter in der Regel keine guten Kletterer. Sie kommen am besten auf relativ flachem Terrain zurecht. Auch das Zeitfahren ist normalerweise nicht ihre Stärke, da ihre Dauerleistung über Zeitspannen, wie sie in solchen Rennen üblich sind, relativ niedrig ausfällt.
Zeitfahrer. Die Leistung an der anaeroben Schwelle ist der beste Prädiktor für Zeitfahrqualitäten. Dies wird gemeinhin »funktionale Schwellenleistung« (FTP) genannt. Damit werden wir uns in späteren Kapiteln ausführlich beschäftigen. Während eine hohe FTP für alle Fahrertypen, ungeachtet ihrer jeweiligen Ziele, von entscheidender Bedeutung ist, ist sie aber besonders wichtig für Zeitfahrer.
Die meisten Zeitfahrkurse sind relativ flach. Auf solchen Strecken spielt das Körpergewicht kaum eine Rolle für das Ergebnis. Das liegt daran, dass auf flachem Terrain der größte äußere leistungshemmende Einfluss nicht die Schwerkraft, sondern der Luftwiderstand ist. Gute Zeitfahrer sind häufig sogar relativ groß gewachsene Fahrer, denn der maßgebliche Faktor dabei, Körper und Rad gegen den Luftwiderstand voranzubewegen, ist die Fähigkeit, über längere Zeit eine hohe Leistung aufrechtzuerhalten. Mehr Körpergröße bedeutet in der Regel auch größere Muskeln. Während der Gewichtsunterschied zwischen einem kleinen und einem großen Fahrer (plus Rad) am Anstieg (wenn es gilt, die Schwerkraft zu überwinden) von entscheidender Bedeutung ist, ist die Körpergröße deutlich weniger wichtig, wenn der maßgebliche Faktor die Aerodynamik ist. Der Luftwiderstand, den ein großer Fahrer in aerodynamisch günstiger Position erzeugt, ist kaum größer als der eines kleineren Fahrers. Somit hängen Zeitfahrergebnisse in der Regel davon ab, wer über die Dauer des Rennens die größte absolute Leistung treten kann.
Allrounder. Allrounder sind generell Fahrer, die in keiner der drei Disziplinen herausragen, aber in mindestens zwei von ihnen ziemlich gut sind. Solche Fahrer haben v.a. dann gute Chancen, wenn das Streckenprofil keinen der Spezialisten bevorzugt, wie z.B. ein Bergaufsprint oder ein einigermaßen welliges Zeitfahren. Die Einzigartigkeit der Leistungskurve für diesen Fahrertyp ist nicht so offensichtlich wie die der anderen drei. Sie variiert von Fahrer zu Fahrer entsprechend der individuellen Mischung aus Kletter-, Sprint- und Zeitfahrqualitäten.
Erfordert Ihr Ziel, dass man Qualitäten als Kletterer, Sprinter, Zeitfahrer oder Allrounder besitzt? Ist Ihre körperliche Veranlagung mit diesem Ziel vereinbar? Falls nicht, worauf müssen Sie den Fokus legen, um Ihr Ziel zu verwirklichen? Ihr Training (und vielleicht Ihr Lebenswandel) wird bestimmt durch die Diskrepanz zwischen dem, was erforderlich ist, und dem, was Sie körperlich aktuell mitbringen. Eine geringe Diskrepanz bedeutet, dass Sie gute Aussichten auf Erfolg haben. Bei einer großen Diskrepanz werden außerordentliche Motivation, Hingabe, Beharrlichkeit und Trainingskonsistenz vonnöten sein, um Ihr Ziel zu erreichen.
Diese Betrachtung der Phänotypen Kletterer, Sprinter, Zeitfahrer und Allrounder ist eine Verallgemeinerung, die deutlich machen soll, dass Wettkampfleistungen sich anhand von bestimmten Messgrößen prognostizieren lassen – also mittels quantifizierbarer Faktoren wie z.B. dem Körpergewicht oder der Leistung in Relation zur Dauer. Es wird Sie jedoch gewiss nicht überraschen, zu erfahren, dass noch viel mehr dazugehört. Für einen Wettkampf zu trainieren, ist eine ziemlich komplexe Aufgabe, bei der etliche Variablen im Spiel sind, die über diese einfachen Messgrößen hinausgehen. Die Sache ist aber nicht so komplex, dass Sie sie nicht erlernen und entsprechend Ihrer spezifischen Physiologie und Zielsetzung anwenden könnten. Der Rest dieses Buches soll Ihnen helfen, dies zu erreichen. Was die Phänotypen angeht, haben wir uns bis hierher nur einen groben Überblick verschafft, aber es gibt noch viel zu lernen. So spielt z.B. auch Ihre Trainingsphilosophie – die Frage, welches die Ihrer Überzeugung nach beste Herangehensweise an das Training ist – eine wichtige Rolle für Ihre Erfolgsaussichten.
VERTRAUEN INS TRAINING
Training ist eine Forschungsstudie mit nur einer Testperson: Ihnen selbst. Falls Sie sich mit sportwissenschaftlicher Forschung beschäftigen, wie ich es seit vier Jahrzehnten tue, werden Sie bald ein gängiges Manko kennenlernen: Häufig ergeben Studien zwar eine gewisse Leistungssteigerung für die untersuchten Probanden, die einer vorgegebenen Trainingsmethode gefolgt sind, doch dieses Ergebnis stellt letztlich nur ein arithmetisches Mittel dar. Schaut man sich die Forschungsberichte genauer an, stellt man fest, dass nicht jeder der teilnehmenden Personen sich im exakten und gleichen Umfang verbessert hat. Manche Probanden haben sich stärker gesteigert als der Durchschnitt, andere weniger. Es mag sogar Testpersonen gegeben haben, die eine Verschlechterung verzeichneten: Ihre Leistungen ließen nach, indem sie das Programm befolgten. Das liegt daran, dass die Probanden Menschen waren und keine Roboter. Da auch Sie nur ein Mensch sind, kann ich nicht versprechen, dass Sie Großes erreichen werden, nur indem Sie sich an die in diesem Buch dargelegten Anleitungen halten. Sie sollten bereit sein, anhand dessen, was sich für Sie als zweckdienlich erwiesen hat, gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen.
Für Höchstleistungen zu trainieren, ist ein Stück weit auch Glaubenssache. Es gibt kein Versprechen darauf, dass Sie auf jeden Fall großartige Verbesserungen erzielen werden, nur weil Sie einer bestimmten Trainingsmethodik folgen und bestimmte Arten von Trainingseinheiten absolvieren. Sie mögen darauf vertrauen, dass es so sein wird – das tun wir alle –, aber es gibt keine Garantien. Nichtsdestotrotz müssen Sie daran glauben, dass Sie auf dem richtigen Weg sind, denn sonst wäre alles von vornherein vergebliche Liebesmüh. Sie müssen das Vertrauen in Ihr Trainingsprogramm von Anfang bis Ende aufrechterhalten und es konsequent befolgen.
Ungeachtet der Trainingsmethodik, die sie jeweils verfolgen, unterscheiden sich Athleten in physiologischer Hinsicht erheblich voneinander. Wir wissen z.B., dass manche Sportler extrem langsam auf bestimmte Trainingsreize ansprechen. Sie brauchen Monate, um die gleichen Steigerungen zu erzielen wie Athleten, die mit dem gleichen Training in wenigen Wochen oder sogar Tagen körperliche Verbesserungen verzeichnen. Warum das so ist, weiß niemand so recht. Es könnte weitgehend genetisch bedingt sein, aber es gibt im Leben eines Menschen viele Variablen.
Dann sind da die unterschiedlichen Muskeltypen. Manche Ausdauersportler sind mit vielen langsam arbeitenden Muskelfasern gesegnet, die erwiesenermaßen der Ausdauerleistungsfähigkeit zugutekommen. Andere wiederum, die gern gute Ausdauersportler wären, weisen stattdessen jede Menge schnell zuckende Muskelfasern auf, die v.a. in Sportarten dienlich sind, in denen Schnellkraft gefragt ist, wie z.B. beim Fußball.
Da ich nicht weiß, an welcher Stelle der Kurve Sie sich hinsichtlich jeder der möglichen Variablen befinden, kann ich Ihnen unmöglich verbindlich verraten, auf welche bestimmte Weise Sie trainieren sollten. Ich kann Ihnen lediglich Anregungen geben, basierend auf Erkenntnissen sportwissenschaftlicher Forschung und dem, was für die meisten – nicht alle! – der von mir betreuten Athleten funktioniert hat. Vornehmlich anhand Ihres persönlichen Erfahrungswissens zu den Bereichen, mit denen Sie sich bereits auskennen, werden Sie diese Anregungen gegebenenfalls anpassen müssen. Ein Stück weit werden Sie sich also auf das Prinzip von Versuch und Irrtum einlassen müssen, um die beste Ausrichtung für Ihr individuelles Training zu ermitteln.
Sie müssen außerdem verstehen, dass Ihr Training nicht in Stein gemeißelt sein sollte. Was im letzten Jahr für Sie funktioniert hat, muss in der neuen Saison nicht unbedingt – und auch nicht einmal annähernd – die gleichen Resultate erbringen. Ihr Körper und Geist sind beständig im Wandel begriffen. Dinge verändern sich, manchmal sehr schnell. Sie müssen stets bereit sein, Anpassungen in der Art und Weise Ihres Trainings vorzunehmen, womit wir wieder bei dem sind, was ich eingangs gesagt habe: Training ist eine Forschungsstudie mit Ihnen als einzigem Probanden. Und Sie sind auch die einzige Testperson, auf die es ankommt. Es spielt keine Rolle, wie etwas für jemand anderen funktioniert, wenn es bei Ihnen nicht anschlägt.
ABBILDUNG 2.2 Ablaufmodell des zielgerichteten Trainings
DIE VIER SCHRITTE DES ZIELGERICHTETEN TRAININGS
In der Sportwissenschaft besagt das Prinzip der Individualität, dass es keine einheitliche Trainingsweise gibt, die für alle Athleten funktioniert. Sportler sind einfach zu verschieden, als dass es eine solche Patentlösung geben könnte. Damit beschäftigen wir uns weiter im nächsten Kapitel, einstweilen werfen wir einen Blick auf die Kehrseite dieses Prinzips: Trotz der Notwendigkeit der Individualisierung gibt es ein paar allgemeine Methoden, mit der die große Mehrheit der Athleten gute Erfolge erzielt. Eine davon ist, im Training ein klares Ziel zu verfolgen. Um Leistungen auf hohem Niveau zu erbringen, müssen Sie genau wissen, wohin Sie wollen und wie Sie dorthin kommen. Darum geht es beim zielgerichteten Training. Es bedeutet, dass alles, was Sie im Training anstellen, einem Zweck dient. In meiner Arbeit als Coach greife ich seit vielen Jahren auf eine Abfolge von vier Schritten zurück, mit der die meisten Athleten gute Erfahrungen gemacht haben. Ich empfehle Ihnen dringend, es einmal zu probieren. Abbildung 2.2 veranschaulicht den Ablauf.
Schritt 1: Klares Ziel
Zielgerichtetes Training beginnt mit einer eindeutigen Zielvorgabe für die Saison. Diese legt das wesentliche Resultat fest, das Sie anstreben – den Grund, warum Sie trainieren. Ist das Saisonziel zu vage, bricht der komplette Prozess des zielgerichteten Trainings zusammen. Um eindeutig zu sein, muss eine Zielvorgabe mehrere Kriterien erfüllen. Näheres dazu in Kapitel 5. Dann werden Sie in der Lage sein, Ihr Saisonziel selbst exakt zu bestimmen.
Aber nicht nur das Saisonziel ist wichtig. Es gibt viele untergeordnete Ziele, die zu Ihrem Saisonziel hinführen. Auf unterster Ebene sollte jede einzelne Trainingseinheit eine Zielvorgabe besitzen. Diese bezeichne ich jeweils als Trainingszweck, um die beiden Arten von Zielen voneinander abzugrenzen (in Kapitel 5 stelle ich noch eine dritte Ebene vor, die zwischen diese beiden fällt). Der Zweck eines Trainings kann zum Beispiel sein: »2 Sweet-Spot-Intervalle à 20 Minuten zur Verbesserung der Kraftausdauer mit je 5 Minuten Regeneration« oder »Dreistündige Ausfahrt, inklusive 2 Stunden mit gleichbleibender aerober Ausdauer-Intensität«. Ein weiterer gängiger Trainingszweck lautet: »Zur aktiven Regeneration eine Stunde locker in Zone 1 fahren«. Der Zweck muss sich demnach nicht immer auf hartes Training im engeren Sinne beziehen. Gelegentlich kann er auch lauten, eine Ausfahrt mit Freunden zu unternehmen und die Zeit zu genießen. Schließlich ist Spaß am Sport vermutlich der Grund, warum Sie ursprünglich mit dem Radsport angefangen haben.
Der vorrangige Grund, sich über den Trainingszweck Gedanken zu machen, besteht darin, willkürliches Training zu vermeiden. Regelmäßig das Haus zu verlassen, ohne zu wissen, was genau man tun möchte, ist ein sicherer Weg, wenig zu erreichen und am Tag des Rennens unzureichend vorbereitet zu sein. Training ohne Zielvorgabe mündet letztlich in schwachen Wettkampfleistungen. Vor jeder Einheit sollten Sie sich eine entscheidende Frage stellen: Was ist der Zweck dieses Trainings?
Schritt 2: Kompetente Anleitung
Der Zweck jeder Einheit sollte letztendlich auf Ihr Saisonziel ausgerichtet sein. In der Tat ist Ihr Ziel nichts anderes als die kumulierten täglichen Trainingszwecke, die Sie im Laufe mehrerer Wochen erreicht haben. Dabei sollten die definierten Zwecke einem Muster folgen, das von dort, wo Sie am Anfang der Saison stehen, zu Ihrem Ziel führt.
Dies ist nicht gerade einfach zu gewährleisten, denn es erfordert ein recht gutes Verständnis der sportwissenschaftlichen Zusammenhänge (das Sie sich im nächsten Kapitel aneignen können). Bei dieser Aufgabe hilft es enorm, einen kompetenten Experten an seiner Seite zu wissen, der klare Richtungen vorgibt, was man tun sollte. Das kann ein Coach sein oder ein erfahrener Kollege, der einen Trainingsplan für Sie entwirft. Die meisten Radsportler steigern sich enorm, wenn sie so jemanden hinter sich haben. Im anderen Extrem könnten Sie auch einfach einen fertigen Trainingsplan kaufen und abarbeiten. Seien Sie sich jedoch bewusst, dass solche generischen Pläne nicht speziell für Sie aufgestellt wurden, sondern für einen ziemlich großen Kreis von Athleten, die ähnliche Merkmale aufweisen. Wenn diese Eigenschaften sich zufälligerweise mit den Ihren decken, kann der gekaufte Trainingsplan unter Umständen Ihr kompetenter »Experte« sein.
Der Experte können auch Sie selbst sein, wenn Sie sachkundig in Fragen des Trainings sind. Leider trifft das auf die meisten Athleten nicht zu, weil ihnen die Zeit und der innere Drang fehlen, sich mit sportwissenschaftlichen Zusammenhängen so intensiv auseinanderzusetzen, wie professionelle Trainer es tun. In Eigenregie trainierende Sportler begehen üblicherweise eine Menge Fehler: Oft steht einer ziemlich steilen Lernkurve eine Zielannäherungskurve gegenüber, die aufgrund häufiger Unterbrechungen und Rückschläge flach bleibt. Das soll nicht bedeuten, dass Sie nicht Ihr eigener Coach sein können. Das können Sie durchaus. Ich kenne etliche gute in Eigenregie trainierende Athleten. Dieses Buch wird Ihnen viele Orientierungshilfen an die Hand geben, um einer von ihnen zu werden.
Realistisch betrachtet sind Ihre Chancen auf ein erfolgreiches Erreichen Ihres ambitionierten Ziels ohne kompetente Anleitung seitens eines Experten jedoch merklich geschmälert. Der Experte an Ihrer Seite sollte genau verstanden haben, was Sie erreichen wollen, und Ihnen anhand dessen Anleitungen liefern, wie Sie dorthin kommen. Die Anleitungen, die Sie auf täglicher Basis benötigen, sind Antworten auf Fragen wie z.B.: Wie lang sollten die Intervalle sein? Wie sollten die Intensitäten innerhalb einer Einheit variiert werden, um die verschiedenen Energiesysteme des Körpers anzusprechen? Wie sollten Sie sich bewegen, um Ihre technischen Fertigkeiten zu verbessern? Wann sollte das Krafttraining in Relation zu den Einheiten auf dem Rad terminiert werden? Wenn Sie neu im Radsport sind, wird fast alles, was Sie unternehmen, zu einer schnellen Steigerung führen. Aber bei fortgeschrittenen Athleten, die sich für Höchstleistungen vorbereiten, erfordert das Training mehr, als sich zu quälen, um bei Gruppenausfahrten nicht abgehängt zu werden.
Wer ist der Experte, auf den Sie vertrauen: Sie, ein generischer Trainingsplan, ein Mentor, Ihr Trainingspartner oder ein Coach?
Schritt 3: Spezifische Übung
Sobald Sie den Trainingszweck kennen und von Ihrem Experten die Erläuterungen und Detailvorgaben für die entsprechende Einheit erhalten haben, sollten Sie sich bemühen, diese spezifisch umzusetzen. Sie müssen darauf konzentriert bleiben, die Einheit genauso zu absolvieren, wie es geplant war. Eine Ausnahme ist, wenn Sie sich entscheiden, eine Einheit einfacher zu gestalten, weil Sie festgestellt haben, dass Sie noch nicht bereit für sie sind – z.B. weil Sie weitere Regenerationszeit benötigen oder eine solche Belastung aus anderen Gründen zu früh kommt.
Den gegenteiligen Weg, also eine Einheit schwerer zu machen als geplant, sollten Sie nicht gehen, ohne zuvor den Experten konsultiert zu haben, der sie entworfen hat. Es kann gute Gründe für den als gering empfundenen Schwierigkeitsgrad geben. Den von mir betreuten Athleten sage ich stets: »Wenn ihr das Gefühl habt, dass ihr eine Einheit lieber leichter gestalten solltet, könnt ihr diese Entscheidung jederzeit treffen und mir hinterher davon erzählen.« Aber ich rate ihnen mit Nachdruck davon ab, eine Einheit anspruchsvoller zu machen, ohne dies vorher mit mir besprochen zu haben.
Es ist wichtig, dass Sie bei jeder Trainingseinheit genau wissen, was Sie umsetzen müssen. Ist die Einheit komplex, machen Sie sich einfach Notizen und befestigen Sie diese am Vorbau oder laden Sie die Daten auf Ihren Leistungsmesser, so dass Sie gelegentlich nachschauen können, ob Sie alles richtig machen.
Die größte Gefahr, dass Trainingseinheiten nicht vorgabengemäß ausgeführt werden, rührt womöglich von anderen Athleten her. Bei den meisten Einheiten ist es schwer, den Zweck und die Details spezifisch umzusetzen, wenn Ihr Trainingspartner etwas anderes unternehmen möchte. Wenn Sie mit anderen trainieren, ist es ratsam, vorher zu besprechen, welchen Trainingszweck Sie verfolgen. Haben die Kollegen darauf keine Lust, ist es besser, allein zu trainieren. Den Zweck der Einheit aufs Spiel zu setzen, um zusammen fahren zu können, widerspricht der Prämisse zielgerichteten Trainings. Das Gleiche gilt, wenn Sie während der Einheit zufällig anderen Fahrern begegnen. Viele Radsportler neigen in solchen Momenten dazu, automatisch in den Rennmodus umzuschalten. Falls Sie merken, dass dies passiert, ist es besser, umzukehren und sich von den anderen zu entfernen, um Ihre Einheit wie geplant durchziehen zu können.
Unter dem Strich bleibt festzuhalten: Wenn Sie den geplanten Nutzen aus einer Trainingseinheit ziehen wollen, müssen Sie spezifisch deren beabsichtigten Zweck verfolgen.
Schritt 4: Unmittelbares Feedback
Der effektivste Weg, um Fortschritte zu machen, besteht zweifellos darin, Ihren Experten beim Training stets an Ihrer Seite zu haben. So erhalten Sie ein unmittelbares Feedback, welche Anpassungen ratsam sind, wenn die Dinge nicht so laufen, wie sie sollten, oder irgendein Aspekt der Einheit Ihnen Sorge bereitet. Auch wenn Sie das Feedback erst einen Tag später erhalten, ist das besser als nie. Das Gleiche gilt für die Analyse, wie gut Sie die geplante Einheit umgesetzt haben. Die Trainingsdaten direkt im Anschluss auszuwerten, ist erheblich effektiver als ein paar Tage später. Für den Experten ist wichtig, Ihre Trainingsleistung möglichst unmittelbar untersuchen zu können und Ihnen eine Rückmeldung zu geben, wenn die Einheit Ihnen noch frisch im Gedächtnis ist. Je schneller Sie Feedback erhalten, desto besser.
Sofern Sie nicht selbst der Experte sind, ist es jedoch unwahrscheinlich, dass dieser bei all Ihren Trainingseinheiten dabei sein kann. In der Regel wird das Feedback mit Verzögerung eintreffen. Je schneller Sie es erhalten, umso schneller werden Sie Fortschritte machen. Das Feedback kann direkt vor Ort im Gespräch erfolgen, aber auch per E-Mail, SMS oder WhatsApp-Nachricht. Ein wöchentliches Telefonat, um die Fortschritte des Trainings zu besprechen, ist die perfekte Gelegenheit, um dem Experten Fragen zu stellen und sich zu vergewissern, dass Sie bei Ihren Einheiten den vorgesehenen Trainingszweck tatsächlich erfüllen und auch das große Ganze im Blick behalten, während Sie auf Ihr Ziel hinarbeiten.
Wenn Sie in Eigenregie trainieren, müssen Sie konzentriert bei der Sache bleiben, was Ihr Körper Ihnen während der Trainingseinheiten sagt. Wenn Ihr Geist abschweift, während Sie an Ihrer Tritttechnik arbeiten oder Intervalle absolvieren, ist das dasselbe, als würde ein Coach sich einfach während des Trainings verabschieden. Der in Eigenregie trainierende Sportler muss ständig analysieren, was passiert. Das setzt sich nach Ende der Einheit fort: Die Daten der von Ihnen genutzten Geräte sollten Sie so schnell wie möglich auswerten. Die entscheidende Frage, die Sie sich immer stellen sollten, lautet: Habe ich den designierten Trainingszweck der Übung erfüllt? Die Antwort gibt Ihnen der Experte – Sie.
Wenn Sie bei einer Trainingseinheit alle vier Schritte des zielgerichteten Trainings befolgen, haben Sie einen kompletten Zyklus abgeschlossen, um bei der nächsten Einheit wieder bei Schritt 1 zu beginnen. Aber bevor Sie deren Trainingszweck definieren, müssen Sie Ihren Fortschritt in Relation zu Ihrem Saisonziel bewerten. Wenn Sie wie geplant vorankommen, nehmen Sie die nächste Einheit in Angriff. Falls Sie hingegen eine Tendenz bemerken, dass die Dinge nicht wie geplant laufen, kann es angemessen sein, das Ziel zu überdenken und die Trainingsstrategie entsprechend anzupassen.
FAZIT: PHYSISCHE LEISTUNG
In diesem Kapitel haben wir Ihr Potenzial für Höchstleistungen untersucht, indem wir den Blick zunächst darauf geworfen haben, wie Sie in der Vergangenheit trainiert haben. Danach haben Sie etwas über die drei grundlegenden Elemente der Fitness von Ausdauerathleten erfahren: aerobe Kapazität, anaerobe Schwelle und Ökonomie. Wir haben uns außerdem angeschaut, wie diese Elemente sich mit anderen, radsportspezifischen Aspekten Ihrer körperlichen Veranlagung zu dem verbinden, was gemeinhin als »Talent« bezeichnet wird. Sie bringen die physische Begabung dafür mit, entweder ein guter Kletterer, Sprinter, Zeitfahrer oder Allrounder zu sein. Allerdings kann es sein, dass Sie bisher nicht daran glauben, was es zu unserer Aufgabe machen würde, zunächst Ihre Selbstwahrnehmung dahingehend zu stärken, dass Sie Ihr natürliches Talent anerkennen, um Ihnen dann beizubringen, wie Sie es verwirklichen.
Ein auf Höchstleistung bezogenes Ziel zu verwirklichen, ist keine geringe Aufgabe. Es erfordert, sich einem zielorientierten Training zu verschreiben. Leider tun die meisten Radsportler dies nicht. Sie trainieren nach Lust und Laune, ohne Ziel und klare Vorgaben: Die Trainingsmethode lautet, einfach immer das zu machen, was auch immer die Trainingsgruppe an diesem Tag vorhat. In diesem Kapitel habe ich Ihnen eine systematische Trainingsweise nahegelegt, die sich für die meisten der von mir betreuten Athleten als effektiv erwiesen hat. Sie beginnt damit, ein klares und fest umrissenes Ziel zu definieren, damit Sie genau wissen, was Sie erreichen wollen.
Im nächsten Schritt brauchen Sie die kompetente Anleitung seitens eines Experten, um zu entscheiden, was nötig ist, um dieses Ziel zu erreichen. Einen persönlichen Coach zu haben, kann sich wirklich sehr bezahlt machen. Aber der Experte kann auch ein erfahrener und sachkundiger Trainingspartner sein, ein im Internet gekaufter Trainingsplan oder sogar Sie selbst – sofern Sie sich eingehend mit der Materie beschäftigen. Aber Obacht: Die Neigung, sich ganz auf sich selbst zu verlassen, erweist sich oftmals als fatal für das Training. In Eigenregie trainierende Athleten, die eine riesige Motivation besitzen, aber ein zu geringes Verständnis davon, was nötig ist, um im Radsport zu bestehen, treffen häufig falsche Entscheidungen, die letztlich zu schwachen Wettkampfleistungen führen. Um in den wichtigen Rennen Ihr Potenzial auszuschöpfen, brauchen Sie die kompetente Anleitung seitens eines Experten.
Der dritte Schritt des zielorientierten Trainings ist die spezifische Umsetzung: Halten Sie sich genau an den Plan. So erhält jede Einheit einen definierten Zweck, der darauf abzielt, Sie Ihrem Ziel einen Schritt näher zu bringen. Sie absolvieren nicht länger willkürliche Einheiten, bei denen die Trainingsinhalte einfach spontan bestimmt werden, wenn Sie von zu Hause aufbrechen. Indem Sie sich tagtäglich exakt an den Plan halten, kommen Sie Ihrem Ziel, irgendwann Höchstleistungen zu erbringen, peu à peu näher.
Das letzte Element zielgerichteten Trainings besteht darin, von Ihrem Experten ein unmittelbares Feedback zu erhalten, wie die Einheit gelaufen ist. Ist der Zweck der Einheit erfüllt worden? Falls dem so ist, sind Sie Ihrem Ziel wieder ein Stück näher gekommen. Falls nicht, nimmt der Experte eine Kursänderung vor, um Sie wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Die Expertenmeinung sollte im Anschluss an das Training so rasch wie möglich eintreffen. Feedback ergibt sich aus der Analyse der während der Einheit erfassten Daten. Zu wissen, auf welche Dinge zu achten ist und wie diese zu interpretieren sind, ist entscheidend für diesen Schritt. Mit der Analyse der Trainingseinheiten beschäftigen wir uns ausführlich in Kapitel 14.
Ich hoffe, dass Teil I Ihnen ein besseres Verständnis davon vermittelt hat, was sowohl in mentaler als auch körperlicher Hinsicht nötig ist, um als Radsportler im Wettkampf Höchstleistungen zu erreichen. Nun gilt es, Ihre Kenntnisse der sportwissenschaftlichen Grundlagen zu verbessern, damit Sie Ihr eigener Experte für ein möglichst zielgerichtetes Training werden können.