Читать книгу Vorletzte Worte - Joesi Prokopetz - Страница 13
ОглавлениеIch wäre nicht wegzudenken, heißt’s ja immer, ohne mich ginge gar nichts.
Ich wäre nicht wegzudenken, weil ich so … Durchschnitt bin … so mehrheitsfähig … Bitte, wenn die da oben das sagen, dann wird’s schon stimmen. Und wissen Sie was? Mir macht’s gar nichts aus, dass ich durchschnittlich bin. Mir fallt’s oft gar nicht auf. Aber wenn ich dann in den Nachrichten oder so das Wort »Durchschnittsbürger« oder gar »mehrheitlich« höre, dann fühle ich mich angesprochen. Guter Durchschnitt. Das heißt durchschnittlich, aber auf der richtigen Seite. Ich bin sogar tätowiert, hihi. Wirkt, muss man sagen, direkt ein bissl … sexy. Sexy ist ja das neue spießig. Menschen wie ich, wir sind die Mitte. Ohne uns geht gar nichts, ohne uns gäbe es gar keine Mehrheiten. Die Gesellschaft funktioniert ja … haha … ein bissl wie eine Stripteasetänzerin. Einmal tanzt sie auf dem linken, dann wieder auf dem rechten Bein, aber das Wesentliche spielt sich dazwischen ab.
Mein Arbeitskollege, der Herr Feix, sagt zwar immer: »Die machen doch mit uns, was sie wollen.«
Und ich sag dann immer: »Nein, die machen mit uns, was wir wollen. Die können gar nicht anders. Wir sind die Mehrheit. Und gegen Mehrheiten kann man nicht Klavier spielen.«
Ich mein … wie mein ich denn das jetzt? Wer hat denn zum Beispiel den Stadl, wie der … ding … immer sagt, wer hat denn den »Musikantenstadl« zu dem g’macht, was er ist? Und wer rennt hinter dem Hinterseer auf irgendwelche Almen hinauf und singt dazu auch noch? Und wer kauft sich T-Shirts mit dem roten Kreuz drauf, wo druntersteht: »Ich bin Arzt. Bitte lassen Sie mich durch.« Wer schwenkt denn Feuerzeuge und brüllt »Sierra, Sierra Madre uuuhhh« – und glaubt, Sierra Madre sei ein bewirtschafteter Strand in Mallorca?
Die Nobelpreisträger?
Hör’n S’ mir auf! Nein, das sind wir, verstehen Sie? Wir sind das! Die Mehrheit. Oder wer erhält denn den BILLA, den MERKUR, den HOFER, den LIDL und diese Sachen? Wer rennt denn hin mit der herausg’rissenen Zeitungsseit’n mit den Sonderangeboten? Die Damen und Herren G’stopft’n? Die sich den Blumenkohl mit der FLEUROP schicken lassen, hahaha?
Nein … Sie und ich. Die Mehrheit! Und wir sind nicht nur mehr heit, wir werden morgen auch mehr sein, wahrscheinlich sogar noch mehr.
Die mit dem Durchschnittseinkommen. Und weiß Gott was für ein Einkommen muss man heute gar nicht mehr haben, dass man zum guten Durchschnitt zählt. Aber es ist heute nicht stressfrei, guter Durchschnitt zu sein. Im Gegenteil! Was mach ich denn, wenn ich meinen Job verliere, wenn ich wegfusioniert werde? Was mach ich denn da? Wissen Sie, was ich mach? Kein Auge zu! Vor Sorgen!
Erst gestern hab ich die ganze Nacht keine Sekunde geschlafen!
Vier Mal bin ich aufgewacht!
Aber dann denk ich mir wieder, wenn ich, respektive die Mehrheit, den Job verliert. Geh! Die da oben können die Mehrheit doch nicht hängen lassen, die müssen uns was geben, die müssen uns unsere wohlerworbenen Rechte erhalten! Mindestens zwei Mal im Jahr in den Süden fliegen und sich was Gutes tun. Am Strand liegen, einer neben dem anderen, weil die Mehrheit braucht Platz. Oder nur so dasitzen, Bier trinken und drüber reden, dass man sich schon wieder auf zu Hause freut. Weil … dahoam is dahoam. Sagt man ja.
Ich schlaf überhaupt generell schlecht. Meine Frau sagt, ich schnarch nur selten. Haha, klar! Ich schlaf ja auch fast nie. Ich lieg oft so da, und mir geht alles Mögliche durch den Kopf. Diese … diese Fragen, wissen Sie? Wie wird des alles werden? Wo führt des alles hin?
Meine Frau könnt auch wieder einmal das Matrosenfleisch machen mit viel Majoran und Spiralnudeln. Außer essen haben wir ja nichts mehr miteinander, seit … es uns so schmeckt. Und trotzdem war ich meiner Frau unzählige Male treu. Früher, no, haha! Da war ich ein … no geh! Was da nicht bei drei auf dem nächsten Baum war … no was! Heute? Geh! Wenn ich heute die Wahl hätt zwischen der Miss World und einem … Matrosenfleisch … no, keine Frage. Da krieg ich dann einen Hunger und tät am liebsten zum Eiskasten gehen. Aber dann denk ich mir, nein, das sollst du nicht, das ist so ungesund, und zunehmen tust auch, da bist dann vielleicht nicht mehr sexy. Ich hab eh ein zu hohes Cholesterin, aber ein Obst soll man ja auch nicht essen in der Nacht, das gärt ja wieder.
Dann denk ich mir: Ah was, Cholesterin hin, Cholesterin her, ich esse eine Kleinigkeit, vielleicht schlaf ich dann ein, weil ja der Körper 80 Prozent der Energie zum Verdauen braucht, und die restlichen 20 Prozent müssen ja nach einiger Zeit auch müde werden und einschlafen. Aber dann sag ich mir: Nein, du musst den inneren Schweinehund besiegen … und dann schiebt sich so ein Schweinehund vor’s innere Auge … aufg’stellt im Speckhemd!
Und dann fallt mir ein, dass der Herr Feix, ein Arbeitskollege von mir, der stark übergewichtig ist und grad noch ein bissl Blut im Cholesterin hat, bevor er so dick geworden ist, den ganzen Tag nichts gegess’n hat!
Aber in der Nacht dann immer einen derartigen Hunger gekriegt hat, dass er jedes Mal den Eiskasten leerg’fressen hat, wurscht, was drin war. Der hat dann g’sagt, er hört auf, weil mit der Diät nimmt er nur zu. Aber dann denk ich mir: Ich mach eh eine Bewegung, ich geh eh Nordic Walking. Da zieh ich meine Nordic-Walking-Stutzen an, meine Nordic-Walking-Hose, die Nordic-Walking-Schuhe, den Nordic-Walking-Anorak, setz mir mein Nordic-Walking-Kapperl auf, nimm meine Nordic-Walking-Stöcke, und dann wird eine gute Viertelstunde marschiert.
Wann’s Wetter danach ist.
Dann denk ich mir: Wird schon nichts sein, geh bitte, was soll schon sein? Ich bin doch abgesichert, ASVG und privat.
Aber ich bin kein Optimist in dem Sinn.
Die Welt liegt am Bauch; und das mit dem Rücken zur Wand.