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Norm, Volk, Leben
ОглавлениеIm Grunde und von Grund auf ist es das Leben, das die Norm vorgibt. Die vergangenen Generationen haben aufgrund ihrer Entfremdung durch die jüdisch-christliche kulturelle Hegemonie ihren sicheren Instinkt für das Schöne und Wahre verloren. So stellt denn Rudolf Viergutz, einer der Propagandisten der nordischen Religiosität, ohne Umschweife fest:
Die Werte des Lebens sind andere als die des Geistes, dessen Normen etwas Spätes, dem Leben meist Feindliches sind. Wer wahrhaft er selbst sein will – und alle Naturvölker sind das – muß auch gut und böse sein wie die Natur. Das Lebendige geschieht, ohne Rücksicht auf absolute Werte […]. Auch wir handeln in den seltensten Fällen auf Grund erlernter Werte, sondern weil ein Trieb uns drängt, eine Neigung uns zieht: Es ist Drang, so ist es Pflicht (Goethe233). Das Natürliche ist zugleich das Gesunde, Gute und uns Nützliche.234
Wer richtig handeln will, muss den „Geist“ ablehnen, die vernünftelnde Ratio der Moralapostel, diese Instanz, die den Körper demütigt, um ihre Herrschaft ausdehnen zu können. Nur die Naturvölker handeln richtig, denn sie folgen ihrer inneren Natur: Triebe sind gut, denn sie sind reine Bewegung des Lebens, alles an ihnen ist unmittelbarste und absolut angemessene Lebensäußerung, und unsere Handlungen „ereignen sich wie alles Lebendige jenseits von Gut und Böse“235. „Jenseits von Gut und Böse“, das ist in erster Linie nicht ein Nietzsche-Zitat, sondern eine im Deutschen geläufige Redewendung. Im gegebenen Argumentationszusammenhang gilt es, deutlich zu machen, dass das pure Handeln des Lebendigen nicht auf eine Wertskala bezogen werden kann, deren künstliche Pole das moralisch Gute und Böse sind. Das Leben lebt jenseits dieser Klassifizierung und kann mit deren Maßstäben nicht erfasst werden. Somit wird jegliche von der Vernunft diktierte Ethik verworfen, jedes Wertsystems, das sich von anderem herleitet, als von dem, was an Tierischem im Menschen lebt. Denn eine Ethik, die Verbote ausspricht und Tabus errichtet, hindert an der freien und gesunden Entfaltung des Lebens:
Wenn das Leben wirklich jenseits von gut und böse verläuft, so ist damit die Unlebendigkeit und – im Sinne des Lebens – Machtlosigkeit aller ‚Ethik’ erwiesen. Dass sie ein Erzeugnis des Geistes ist, lehrt uns allein schon der Umstand, dass die Tiere ohne jede Ethik auskommen. Zudem lässt sich beweisen, dass die Ethik sich allenthalben gegen das Leben auswirkt, da sie wesentlich in Verboten besteht.236
Glücklich die Tiere, denn sie kennen keine Gesetzestafeln und kein Strafgesetzbuch! Ihre Schönheit und Gesundheit beruhen ja eben auf der natürlichen Freiheit, deren sie sich ebenso wie die Urvölker erfreuen. Der Urfluch, das ist eben die Trennung zwischen Mensch und Natur, Humanität und Animalität, wie Walter Buch, der Leiter der Parteigerichtsbarkeit der NSDAP, schreibt:
Wir Nationalsozialisten machen uns […] die Gesetze, die ohne Bewußtsein im Tierreich verfolgt werden, zu eigen. […] Erst dem mit ‚Vernunft begabten‘ Menschen war es vorbehalten, diese Grenzen zu überspringen und ganz wahllos sich zu paaren. Es sind dadurch die bekannten Mischrassen entstanden.237
Da die Vernunft den Instinkt preisgibt, heißt es, zur Unmittelbarkeit des Animalischen zurückzukehren. Haben Kampf, Krieg und Beseitigung des Schwachen etwas Problematisches oder Schockierendes an sich? Nein, antwortet Buch, denn: „Das ist das Leben. Und dieses Leben hat Recht. Nach seinen Gesetzen zu leben, ist Recht.“238 Andernfalls löscht uns das Leben aus, denn seine Gesetze kennen kein Erbarmen. Zwar gibt es sehr wohl eine Moral, doch „vom bösen Gewissen und der gelehrten Moral ist natürlich zu scheiden das Artgewissen, gleichsam die Spiegelung der rassischen Wertinstinkte im Bewußtsein“239. Hier geht es nicht mehr um Gewissensprüfung und schlechtes Gewissen, nein, über allem „steht das allein wichtige, entscheidende, heilige Gebot: Achte die Gesetze des Lebens“240. Diese Gesetze stehen aber in keinem Gesetzbuch und keinem Katechismus, sie wirken unsichtbar und verhelfen allem Existierenden zu seinem Dasein.