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Sinnlose Selbstzerfleischung

Alle Kriegsteilnehmer mussten schon früh erkennen, dass ihre Überlegungen über den Kriegsverlauf zerrannen. Die Preußen setzten auf ihre Tapferkeit und Schlagkraft und unterschätzten jene der Gegner. Frankreich hoffte auf die zermürbende Wirkung des Zweifrontenkrieges. An Russlands Weite und Klima war schon Napoleon gescheitert. Besonders optimistisch war Winston Churchill. Er verhängte als neuer Marineminister eine Blockade über Deutschland. Damals war alle Welt auf die Salpetervorkommen in Chile angewiesen, um Schießpulver und Sprengstoff herzustellen. Dem Deutschen Reich würde bald die Munition ausgehen. Dann musste es verhandeln oder gar kapitulieren. Churchills Rechnung ging nicht auf und noch etliche andere, die er später anstellte. Nur drei Wochen nach Kriegsbeginn hatten deutsche Chemiker zwei Verfahren zur Ammoniaksynthese entwickelt, um Salpetersäure aus dem Stickstoff der Luft zu erzeugen. Das Kaiserreich war nun vom Chilesalpeter unabhängig und konnte jahrelang Krieg führen.

Dies war auch dringend nötig, weil der Schliefenplan scheiterte. Die preußischen Divisionen kamen zwar anfangs schnell voran und standen schon bald an der Marne, da die Franzosen ihre Streitkräfte weiter südlich konzentriert hatten, um Elsass-Lothringen zu befreien. Dieses Vorhaben wurde aufgegeben und ein großes Truppenkontingent nach Norden verlegt. Wegen Nachschubproblemen wurde der deutsche Vormarsch kurz unterbrochen. Das reichte den Franzosen, um die Front mit britischer Unterstützung zu stabilisieren. Die Front im Westen erstarrte, zumal das deutsche Oberkommando frühzeitig eine Heeresgruppe abzog, um den Vormarsch des russischen Heeres zu stoppen, das mit zwei Armeen anrückte. Da diese ungeschickt operierten, gelang es den zahlenmäßig unterlegenen preußischen Truppen, eine der beiden einzukreisen und gefangen zu nehmen. Hindenburg rückte neben Ludendorff zum mächtigsten Mann im Generalstab auf, der fortan immer mehr die Geschicke des Reiches steuerte.

Der österreichische Angriff auf Serbien verzögerte sich und scheiterte nach kurzen Anfangserfolgen an der Entschlossenheit des Gegners. Außerdem musste ein Teil der Truppen nach Galizien im Nordosten der Donaumonarchie verlegt werden, weil russische Divisionen diese Provinz überrannten. Ihr Vormarsch kam an den Karpaten zum Stehen. Die österreichische Gegenoffensive zur Befreiung der Festung Przemysl scheiterte ebenfalls unter enormen Verlusten. Brussilows neuer Vorstoß war deshalb sehr erfolgreich und kam erst tief in den Karpaten zum Stehen. Ein extrem kalter Winter ließ die Front erstarren zum Glück für die Strategen in Wien, die bis Weihnachten 1914 etwa achtzig Prozent ihres Heeres eingebüßt hatten.

1915 wurde zum Leidensjahr für die vorher so siegessicheren alliiertenen Staaten. Dank des deutschen Vorstoßes bis zur Marne hatte Frankreich den Großteil seiner Kokserzeugung eingebüßt, welche für die Schwerindustrie unentbehrlich ist. Es musste seinen Nachschub fortan in den USA eindecken, sehr zum Leidwesen des Präsidenten, der an der Neutralität seines Landes festhalten wollte. Da Frankreich kaum Devisen besaß, wurden Großkredite bei Geschäftsbanken genommen, für die England bürgte. Jahrelang kam der halbe Nachschub für die Westfront aus amerikanischen Fabriken, sonst wäre der Krieg im Sommer 1915 für die Alliierten verloren gewesen.

Auch das Zarenreich geriet in Not. Es mussten in großem Stil neue Truppen ausgehoben werden. Wegen des chronischen Mangels an Gewehren wurde die Ausbildung an Attrappen vorgenommen. Die notwendige Ausrüstung sollten sich die Grenadiere von gefallenen Kameraden besorgen, was den Kampfgeist wenig beflügelte. Hilferufe an die Westmächte blieben ungehört. Der missgelaunte US-Präsident beschränkte sich auf tröstende Worte.

Die deutsche Heeresleitung musste dem schwächelnden Partner unter die Arme greifen. Sie beschränkte sich an der Westfront auf die Defensive und verlagerte mehrere Armeekorps nach Osten. Sie brachten eine treffsichere Artillerie mit. Vor ihr hatten die Russen bald großen Respekt. So konnten sie in kurzer Zeit aus den Karpaten vertrieben werden und ebenso aus Galizien. Der russisch besetzte polnische Korridor reichte immer noch bis zur Weichsel. Der Druck auf seine langen Flanken wurde massiv verstärkt. Deshalb wichen die dortigen Regimenter nach Osten aus. Im Herbst besetzten deutsche Soldaten Wilna in Weißrussland und Teile des baltischen Gebietes. Der aufgeregte Zar übernahm nun persönlich die Kriegführung bar jeder Kenntnisse derselben.

Serbien konnte sich des Sieges im Herbst 1914 nur kurz erfreuen. Bulgarien trat in den Krieg ein in Erwartung großer Gebietsgewinne. Der aufmüpfige Nachbarstaat wurde von drei Seiten in die Zange genommen. An der Donau war ein deutsches Armeekorps aufmarschiert und schaffte in kürzester Zeit den Sprung über den Fluss. Im Westen Serbiens griffen österreichische Divisionen an und von Osten die bulgarische Armee. Die serbischen Truppen zogen sich auf das Amselfeld zurück und flohen schließlich nach Korfu unter hohen Verlusten. Nun wurden die Briten nervös. Sie stationierten ein größeres Kontingent an Soldaten im Raum Saloniki. Es musste kurztreten, da der König auf der Neutralität des Landes beharrte.

Die Royal Navy musste im Jahre 1915 eine bittere Erfahrung machen. Die Türkei hatte sich Deutschland angeschlossen und den Bosporus für russische Schiffe gesperrt. Churchill gab Befehl, den Durchbruch zu erzwingen. In den engen Dardanellen verloren die Briten schnell mehrere Kriegsschiffe durch Beschuss von Land aus. Als sie umkehrten, gerieten mehrere Schlachtschiffe in ein Mienenfeld und sanken ebenfalls. Zur Strafe folgte eine Landeoperation der Briten an der Südspitze der Dardanellen trotz des gebirgigen Charakters derselben.

Die Türken nutzen geschickt den topografischen Vorteil und fügten den Invasoren schwere Verluste zu. Daran konnte die Schiffsartillerie nichts ändern. Eine weitere Landung an einem günstigeren Ort scheiterte ebenfalls am eigenen Missmanagement. Eine Epidemie unter den Soldaten verschlimmerte die Lage. Churchill musste nach dem Abbruch der beiden Operationen zurücktreten, kehrte aber schon zwei Jahre später ins Kabinett zurück. Das Osmanische Reich konnte sich nur kurze Zeit dieses Sieges erfreuen. Die Briten stachelten die Stämme auf der arabischen Halbinsel gegen den Sultan auf und konnten schließlich das Osmanische Reich zerschlagen.

Im Mai 1915 trat auch Italien auf alliierter Seite in den Krieg ein nach großzügigen territorialen Versprechungen derselben. Im Bereich der Südtiroler Alpen gelangen den Italienern nach und nach kleinere Geländegewinne unter hohen Verlusten auf beiden Seiten. Der Schwerpunkt der Kämpfe lag jedoch an der Ostgrenze in Richtung Ungarn und Balkan. Ein volles Dutzend Schlachten wurde dort ausgetragen, von denen die Hälfte nur ein bis zwei Wochen dauerten. Nur in der ersten erzielten die Italiener begrenzte Geländegewinne, bis der Gegner genügend Truppen herangeschafft hatte. Die nächsten zehn verliefen ergebnislos trotz teils hohen Einsatzes. Die letzte (12.) Schlacht am Isonzo im Herbst 1917 endete für Italien mit einem Fiasko. Dank deutscher Unterstützung errangen die österreichischen Verbände in kurzer Zeit große Geländegewinne und konnten in die norditalienische Tiefebene vordringen. Die gegnerischen Verbände waren noch von den hohen Verlusten der vorletzten Isonzoschlacht demoralisiert, die größeren Teils durch Seuchen verursacht wurden. Erst an der Piave kam der Vormarsch der Achsenmächte zum Stehen. Die Soldaten waren erschöpft und der Nachschub stockte nicht zuletzt wegen der vielen zerstörten Brücken. Frankreich und England kamen mit einer Viertelmillion Soldaten dem verzweifelten Verbündeten zu Hilfe, um seinen Zusammenbruch zu verhindern.

1916 sollten die Mittelmächte von drei Seiten in Offensiven verwickelt und so in die Knie gezwungen werden. Das Dilemma wurde durch eine Fehlentscheidung von Generalstabchef Falkenhayn auf deutscher Seite noch verschlimmert. Er wollte die französischen Truppen bei Verdun ausbluten lassen. Trotz des voreiligen Starts dieses sinnlosen Unterfangens gelangen der deutschen Seite rasche Anfangserfolge. Frankreich konnte innerhalb weniger Wochen mehrere Hunderttausend Soldaten an den Brennpunkt des Geschehens verlegen und weitere Erfolge des Gegners verhindern. Falkenhayn ließ nicht locker, bis er schließlich des Kommandos enthoben wurde. Fast ein halbes Jahr dröhnten die Kanonen vor Verdun. Jede Seite verlor etwa 170.000 Soldaten im mörderischen Trommelfeuer der Artillerie und der Maschinengewehre, ehe das unsinnige Vorhaben aufgegeben wurde. Das Trauma dieser Schlacht sollten die Franzosen nie ganz überwinden.

Auch die Briten wollten es wissen. Eine Woche lang pflügten die Granaten ihrer schweren Artillerie die deutschen Stellungen an der Somme um. Siegesgewiss marschierten die Infanteristen auf diese zu. Doch die deutschen Grenadiere hatten in ihren Erdbunkern überlebt, und zerstörten unerbittlich den britischen Traum vom Sieg. An die 20.000 englische Soldaten fielen an einem einzigen Tag. Dazu kamen fast doppelt so viele Verwundete. Seit Waterloo hatte es kein solches Gemetzel mehr gegeben, das sogar jenes vor Verdun übertraf.

Die deutsche Admiralität forderte die überlegene Royal Navy zum Duell heraus. Dieses Vorhaben gelang so einigermaßen, aber mit mehr Glück als Verstand. Am späten Nachmittag des 31. Mai 1916 trafen die Vorhutverbände durch einen glücklichen Umstand aneinander. Das einstündige Duell endete für die Briten mit deutlich höheren Verlusten trotz zahlenmäßiger und technischer Überlegenheit. Sie dampften in nördlicher Richtung davon, um sich nicht mit der deutschen Hochseeflotte auseinandersetzen zu müssen, die im Anmarsch war. Die sollte vor die Rohre der Grand Fleet gelotst werden. Das geschah aber etwas zu früh, was zu weiteren Verlusten führte. Als diese zur Stelle war, haperte es mit der Sicht. Sie konnte nur die vorderen Schiffe der preußischen Flotte unter Beschuss nehmen. Der Anblick einer endlos langen Reihe von unablässig feuernden Schlachtschiffen brachte den preußischen Flottenchef schnell zur Vernunft. Er befahl nach einem pfiffigen Täuschungsmanöver den Rückzug, weil er befürchtete, der Gegner könnte ihn an der Rückfahrt in die eigenen Häfen hindern. Das kurze Duell der Hauptkampfflotten gab einen Vorgeschmack für den Fall einer Entscheidungsschlacht, welche die Preußen nur dank der hereinbrechenden Nacht vermeiden konnten. Dieser Schaukampf kostete 10.000 Matrosen das Leben. Darunter waren mehr als 6.000 Britische. Die Offiziere der Royal Navy diskutierten jahrelang über das Missgeschick ihrer hohen Verluste. Es lag an der geringen Kampfdistanz. Dazu kamen die riesigen Mengen an Schießpulver, die direkt unter den Türmen der schweren Artillerie in Säcken gelagert waren.

Während sich im Westen und Süden (Italien) nur wenig am Frontverlauf änderte, sollte es an der Ostfront größere Veränderungen geben. Die russische Winteroffensive gegen das Baltikum endete mit hohen Verlusten ergebnislos. Brussilow konnte seinen Willen durchsetzen und eine breit angelegte Offensive gegen die österreichische Front vortragen. Als er die Karpaten erreichte, entschloss sich Rumänien zum Kriegseintritt auf alliierter Seite, um Siebenbürgen zu erobern. Es konnte dort schnell Geländegewinne erzielen, aber nicht halten. Truppen aus Österreich, Deutschland und Bulgarien unter dem Befehl Falkenhayns vertrieben sie und eroberten schließlich große Teile Rumäniens einschließlich der Hauptstadt. Der neue Kriegsgegner büßte drei Viertel seiner Streitkräfte ein und zog sich bis zur russischen Front zurück, die jetzt um die fünfhundert Kilometer länger war. Brussilow musste zurückweichen und verlor insgesamt eineinhalb Millionen Soldaten. Das sollte die Moral der russischen Armee dauerhaft ruinieren.

1917 wurde es für beide Seiten bitter. In Deutschland mussten immer mehr Menschen hungern. Wegen des Traumes vom schnellen Sieg hatte man es unterlassen, den Viehbestand zu reduzieren, um genügend Lebensmittel für die Bevölkerung bereitstellen zu können. Die Dänen waren in dieser Hinsicht klüger und brauchten deshalb nicht zu hungern, obwohl auch sie von der Blockade durch die Royal Navy betroffen waren. Wegen schlechter Witterung fiel in diesem Jahr die Kartoffelernte besonders niedrig aus. Die Blockade seitens der Royal Navy zeigte endlich Wirkung.

Die Gegner hatten aber noch weniger zu lachen. In der russischen Armee machte sich die Kriegsmüdigkeit breit. Der Zar berief ein Kabinett aus bürgerlichen Vertretern, das schnell in Misskredit geriet, weil es den Krieg mit Eifer fortsetzen ließ. Obendrein trat der fanatische Lenin in Erscheinung. Er setzte Mitte Mai in der kommunistischen Partei den Plan durch, die von ihm erträumte Weltrevolution in Szene zu setzen. Anfang November stürzte er gewaltsam das Kriegskabinett und übte fortan in radikaler Manier die Macht aus. Es kam zum Bürgerkrieg. Um ihn durchzustehen, schloss er Anfang 1918 mit dem Deutschen Reich einen Separatfrieden. Russland musste auf alle Randgebiete im Norden und Westen des Zarenreiches verzichten. Finnland, Weißrussland, die Ukraine und die baltischen Staaten verdanken ihre Unabhängigkeit dem Frieden von Brest-Litowsk.

Die Westmächte waren nun auf sich gestellt. Frankreich startete im Frühjahr 1917 die extrem verlustreiche Nivelle-Offensive. Das führte zur Meuterei ganzer Divisionen. General Pétain konnte die Disziplin wieder herstellen mit dem Versprechen, auf weitere Offensiven zu verzichten und nur noch Maßnahmen zur eigenen Verteidigung zu ergreifen. So war der Krieg gegen Deutschland nicht zu gewinnen.

Deshalb riefen die Briten die Amerikaner auf den Plan. Als deren Präsident Woodrow Wilson zögerte, schreckten sie die US-Banken mit dem Hinweis, bei einem deutschen Sieg seien die Kriegskredite an England und Frankreich hinfällig. Eher widerwillig erklärte der Präsident Deutschland den Krieg, weil er gar kein Heer hatte. Der Ku-Klux-Klan und Hilfswillige der gehässigen britischen Propaganda schürten mit Eifer den Hass auf die Deutschen. Hastig wurden mehrere Millionen Soldaten eingezogen. Deren Ausbildung zog sich aber bis zum Sommer 1918 hin. Das deutsche Oberkommando wollte vor deren Einsatz durch eine Großoffensive den Sieg erzwingen, musste das Unterfangen aber wegen der hohen Verluste abbrechen.

Im Herbst 1918 überschlugen sich die Ereignisse. Im bulgarischen Heer machte sich die Kriegsmüdigkeit breit, weil das Land vom Ergebnis des Friedens von Brest-Litowsk enttäuscht war. Man hatte sich einen größeren Gebietsgewinn versprochen. Dem Angriff der alliierten Truppen aus dem Raum Saloniki wurde nur wenig Widerstand entgegen gesetzt. Ende September kapitulierte Bulgarien nach der Einnahme seiner Hauptstadt. Ungarn war auf das Höchste bedroht, zumal immer mehr Soldaten den Gehorsam verweigerten. Die Donaumonarchie zerbrach, da selbst ernannte Nationalräte die Unabhängigkeit Jugoslawiens und der Tschechoslowakei verkündeten. Ludendorff war mit seinen Nerven am Ende und wurde in die Kur geschickt.

Seit dem Frühjahr breitete sich in den Camps der US Army der gefährlichste aller Influenza-Viren immer mehr aus und kam mit den Truppentransporten nach Europa. Die Pandemie erfasste nach und nach alle Staaten des alten Kontinents mit solcher Wucht, dass am Ende zehn Millionen Tote zu beklagen waren. Da jeder dritte deutsche Landser mit Fieber im Bett lag, entschloss sich die deutsche Heeresleitung, die Front zurück zunehmen. Diese Aktion artete zu einer halben Flucht aus. Kaum jemand wollte noch Kopf und Kragen riskieren, da gleichzeitig die deutsche Regierung mit Wilson über einen erträglichen Waffenstillstand verhandeln wollte. Sie wurde aber mit inhaltslosen Noten hingehalten. Diese Situation nutzten Briten und Franzosen, rigorose Forderungen durchzusetzen, auf die sich Heeresleitung und Regierung einließen. Es kam zum Aufruhr in einigen Küstenstädten, verursacht durch meuternde Matrosen. Schließlich wurde am 9. November 1918 der Waffenstillstand unterzeichnet samt seiner zynischen Forderung, das Heer aufzulösen, alle Waffen zu übergeben und die Flotte nach Scapa Flow zu überführen.

Der Weg zum Gigantismus

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