Читать книгу Maremma - Johann Widmer - Страница 10
«Auch der Knollenblätterpilz?» zweifelte Antonio.
Оглавление«Auch der ist absolut essbar,» dozierte Giacomo, «wenn du ihn richtig behandelst. Erstens darfst du ihn unter gar keinen Umständen waschen, sonst verändert sich das Pilzeiweiss zu einer absolut tödlichen Substanz, eben die allgemein bekannte. Dann, und das ist sehr wichtig, will er in einem guten trockenen Weisswein gekocht werden, niemals im Wasser, auf kleinstem Feuer geköchelt und dann gut abgetropft ins Rahmsösselchen, bis er richtig durch ist. Und ja kein Salz! Beim Essen muss man genügend Wein dazu trinken, denn der Wein neutralisiert eventuelle Giftteilchen. Vielleicht ist sogar in unserm Essen einer mit dabei. Also, Prosit und Gesundheit für uns alle, lasst uns nochmals anstossen.»
Carlo sagte ganz verstört: «Mach doch keine solch üblen Scherze, da geht der Spass zu weit.»
«Ich, üble Scherze machen?» sagte Giacomo beleidigt, «kennt ihr mich als einen, der über seriöse Dinge spottet? Bin ich ein Lügner, ein Angeber oder ein Kasperle? Nein, mein lieber Carlo, dieses Thema ist wirklich zu ernst, als dass man darüber Witze machen könnte; aber was ich euch über die Zubereitung der Pilze, aller Pilze übrigens, gesagt habe, das ist nun mal eine Tatsache, von mir selber erprobt.» Und in vertraulichem Ton fuhr er weiter: «Euch kann ich es ja ruhig sagen, dass ich die Pilze überhaupt nicht kenne, überhaupt nicht, denn es ist ja nach meiner Theorie auch unwichtig, weil die Giftigkeit der Pilze einzig und allein von der Zubereitung des Pilzgerichtes abhängig ist und wenn man da noch ein paar Tricklein kennt, so verwandelt sich der Knollenblätterpilz in eine wahre Gaumenfreude.»
Und mit geschlossenen Augen führte er sich eine Portion dieser Gaumenfreude zu Gemüte.
«Zudem,» fuhr er nach einer langen Kunstpause fort, «zudem ist statistisch einwandfrei bewiesen, dass die allermeisten Pilztoten nicht an Giftpilzen sterben, sondern an ganz einfachem Herzversagen, das heisst, sie sterben vor lauter Angst, sie hätten einen giftigen Pilz gegessen. Man nennt das in der Wissenschaft den psychosomatopathologischen Fungizid, also Tod durch pure Einbildung man hätte einen Giftpilz verschluckt. Interessant daran ist, dass die qualvollen Vergiftungserscheinungen absolut denen ähnlich sind, die bei echtem Nervengift auftreten, also etwa so, wie nach einem Glas Strychnin.»
Carlo, der bei all diesen Ausführungen käsebleich geworden war, wollte nun endlich Gewissheit haben über sein Schicksal und beschwor den Nachbarn, bei allen Heiligen und allem was ihm lieb und teuer sei, ehrlich zu sagen, ob er die Pilze kenne oder nicht.
Statt einer Antwort blickte dieser mit kindlicher Unschuldsmiene zur Decke, seufzte und hob dabei wie fragend die Schultern.
Als seine Frau merkte, dass die Stimmung auf einen absoluten Tiefpunkt gefallen war, begann sie zu lachen: «Ach Leute, ihr solltet den guten Giacomo doch allmählich kennen, der hat›'s doch faustdick hinter den Ohren. Der und keine Pilze kennen! Wir haben die halbe Stube voll Pilzbücher in denen er nächtelang schmökert, und was er alles weiss über Pilze, da könnte man gleich zwei professori draus machen.»