Читать книгу Maremma - Johann Widmer - Страница 8
Entsetzt traten alle einen Schritt zurück.
ОглавлениеAber die abgedankte Obrigkeit blieb bei ihrem Urteil. Ellerling, Filippi hin oder her, und überdies sei Pilz ohne Wein wie ein Leben ohne Liebe.
«Und das solle ein Amanita phalloides sein? Lächerlich!“
Aufgeregt krächzte Filippi: «Latein hin oder her, wenn du diesen Pilz verzehrst, wirst du sofort tot vom Stuhl fallen.»
Das liess man aber allgemein nicht gelten, denn soviel wusste jeder, dass der Tod erst nach Stunden eintritt, erst dann, wenn man nichts mehr gegen das Gift tun konnte.
«An genau diesem Pilz sind vorige Woche in Bologna zwölf Personen gestorben,» rundete Filippi seine Warnung ab.
«Bolognesen,» meinte der alte Sindaco geringschätzig, «ha, Bolognesen, was verstehen die schon von Pilzen, die grasen einfach die Wälder ab und essen alles, was aussieht wie ein Pilz. Ist doch typisch, gleich zwölf aufs Mal, sowas kann ja nur denen passieren.»
«Wird auch dir passieren,» sagte Filippi zum verdutzten Alberto.
«Nur keine Panikmache,» beschwichtigte das alte Dorfoberhaupt,» dieser Pilz ist essbar, da fress ich einen Besen!»
«Friss lieber diese Pilze,» hetzte der andere wütend und kehrte der Gesellschaft den Rücken.
Inzwischen hatten die alten Schwätzer Alberto verunsichert und er wollte nun wissen, ob das garantiert ein essbarer Pilz sei.
«Garantieren, lieber Alberto, das kann dir niemand was auf Erden,» lächelte der Altpolitiker weise, «man kann lediglich etwas feststellen nach bestem Wissen und Gewissen, man kann eine Behauptung aufstellen, die es natürlich zu beweisen gilt. Die Mykologie ist eine grosse Wissenschaft, von der wir Laien nur wenig wissen können. Ich weiss zum Beispiel, dass man diesen Pilz essen kann und ihn auch isst, ohne davon zu sterben. In Frankreich, dem Land einer fast ebenso feinen Küche, wie der unsrigen, gilt eben dieser Pilz als erlesene Leckerei, die gleich nach der Trüffel kommt, und das will doch etwas heissen. Eine Verwechslung mit dem Knollenblätterpilz ist nach menschlichem Ermessen wohl kaum möglich, nur ist zu bedenken, dass, wie die alten Römer sagten – errare humanum est – , und dass zudem in Betracht gezogen werden muss, dass Pilze, je nach Standort, Bodenbeschaffenheit oder Klimabedingungen ihr Aussehen verändern können.»
Grinsend sagte einer der Tattergreise: «Richtig, richtig. Das ist wie der Farbwechsel gewisser Mitbürger und Genossen, die auch, je nach Standort und Windrichtung der momentanen Politik ihre Farbe wechseln. Ich könnte euch von Farbveränderung erzählen, die von Schwarz über Gelb und giftiges Grün bis zum schönsten und leuchtendsten Rot gingen und dabei erst noch Bürgermeister wurden.»
«Wen meinst du damit?» fragte der Angesprochene mit hochrotem Kopf.
«Ach, wir sprechen doch von Giftpilzen,» grinste der zahnlose Alte.