Читать книгу Bienenbuch für Anfänger - Johannes Aisch - Страница 6
Der Bienenstaat
ОглавлениеWie das durcheinanderkrabbelt! Treten die sich nicht? Was machen die? Können die Bienen auch im Finstern sehen? Und immer so weiter klingen die Fragen, zumal aus schönem Mund, sobald sich den etwas zaghaft neugierigen Blicken die Tür eines Bienenkastens öffnet. Man steht auch wie vor einem Wunder, je länger und eingehender man sich mit den Bienen beschäftigt, je tiefer man eindringt in die Rätsel des Bienenstaates, um so mehr merkt man, dass die Schwierigkeit der Lösung wächst. Darin liegt der Reiz der Imkerei und der Zauber, der die meisten Imker bald in Bienennarren verwandelt, allerdings in scharfsinnige Narren.
Also denn hinein in das Gekrabble. Was wir da zuerst sehen und schlechthin als »Bienen« bezeichnen, sind die fleißigen Arbeiter, geschlechtlich verkümmerte und für die Arbeit besonders ausgestattete Weibchen. Zwischen ihnen kriechen in kleinerer Zahl und nur im Sommer die dicken, schwerfälligen, faulen Drohnen, die Mannsleute, die nur dazu da sind, einer Königin den Ehegatten zu geben, im Übrigen nur fressen und mit lautem Gedröhne spazieren fliegen im Sonnenschein. Früher glaubte man, dass ihnen die Arbeit des Wassertragens zufiele und nannte sie Wasserbienen.
Tief im Innern des Volkes geborgen, waltet die Königin. Sie ist das einzige geschlechtlich voll entwickelte Weibchen, die Mutter des ganzen Volkes. Weil man früher meinte, sie sei ein männliches Wesen und weise dem Schwarm den Weg, hat die Mutter den Namen »der Weiser« oder »Weisel« bekommen und ihn bis heute behalten. Mit dem Regieren hat sie aber nicht viel zu tun. Im Gegenteil: ihr geht es, wie der Alte Fritz von sich sagte: sie ist des Staates erste Dienerin, die von ihrem Volk zwar über alles geliebt wird, sich aber ganz- seinen Wünschen unterordnen muss. Sie ist größer als die Arbeiterinnen, schlank und kräftig gebaut, hat vor allen Dingen einen durch die Eierstöcke stark entwickelten Hinterleib. Ihre Arbeit ist es, Eier zu legen. Sie bringt es bis auf dreitausend und mehr am Tage, mehr als sie selbst wiegt.
Ehe wir nun den Körperbau der Biene im einzelnen kennenlernen, wollen wir die Entwicklung eines ganzen Volkes im Umschwung eines Jahres verfolgen.
1. Januar —- draußen Schnee, Eis und Sturm —- im Bienenvolke ein ganz leises Säuseln. Die Bienen haben sich dicht zusammengeknäult, wie eine Kugel, in der Mitte die Königin in molliger Wärme (80 Grad Celsius), umgeben von den jüngsten Bienen. Sie haben den Platz aus leeren Zellen ihres Baues unmittelbar unter dem Honigvorrat gewählt, dem sie, der Wärme folgend, nach oben hin nachrücken. Die Bienen halten keinen eigentlichen Winterschlaf. Alle Lebensäußerungen sind nur stark herabgemindert, ohne aufzuhören. Futter, also Honig, wird immer gebraucht. Deshalb kann auch die Biene nicht ohne Bau existieren. Er wärmt, er trägt die Vorräte, im Sommer gibt er die Wiegen für die Brut.
Hat das Volk, das wir am 1. Januar aufsuchten, genug gesundes Futter und eine leidlich schützende Wohnung, dann kann das ; Spiel mit Eis und Schnee getrost noch dauern bis in den April hinein. Dem Volke schadet es nichts. Allerdings sterben auch einzelne Bienen und drängen, wenn sie ihr Ende nahen fühlen, aus dem Winterknäuel und der Wohnung heraus. Viele verklammen sofort und bleiben tot auf dem Bodenbrett liegen. Das ist dann, wie der Kirchhof einer großen Stadt. Wo Zehntausende leben, sterben Hunderte. Genug aber bleiben noch am Leben, um beim ersten Erwachen der Frühlingssonne alle die Toten aus dem Stock und ein Stückchen weiter noch zu schaffen.
Ist an einem Tage die Temperatur auf 8 bis 9 Grad Celsius im Schatten gestiegen, dann wird’s nämlich lebendig im Volke. Erst eine Biene kommt ans Flugloch, wäscht sich mit den Vorderbeinchen den Schlaf aus den Augen, läuft einmal über das Flugbrett, kehrt in den Stock zurück. Ob sie wohl melden mag: Temperatur 9 Grad Celsius, Windstärke 0, Himmel heiter? Jedenfalls lugen bald einige ihrer Schwestern heraus, waschen sich, wagen sich bis an die Kante des Flugbrettes und mit dem Gesicht nach dem Stocke gekehrt, erheben sie sich in die Luft, spielend fliegen sie erst ein wenig vor dem Flugloch hin und her, um sich ihre Haustür, die sie im Winter wohl vergessen haben mögen, auswendig zu lernen. Dann aber geht’s in immer weiteren Kreisen durch die Gegend, und bald erschallt ein fröhliches Gesumme, zumal, wenn die steigende Sonne die Luft gut durchwärmt hat. Bei diesen ersten Ausflügen reinigen sich die Bienen von dem Kot, den sie im Laufe des Winters im Dickdarm aufgespeichert hatten (Reinigungsausflug). Wehe der Hausfrau, die an solchem Tage ihre Wäsche aufgehängt hat! Die Bienen benutzen diese sehr despektierlich. Deshalb bittet ein kluger Imker, wenn er den Beginn eines Reinigungsausfluges merkt, Nachbarinnen und seine eigene Hausfrau, dass sie sich mit ihrer Wäsche in Sicherheit bringen. Es ist auch nicht zu empfehlen, sich selbst in den Flug zu stellen. Die Flecke auf dem Anzug sind weder für Augen noch Nasen angenehm. Aber die Bienen sind heilfroh, dass sie einmal wieder frische Luft haben schnappen können, und bezeugen am Nachmittag und Abend ihre Freude durch ein behagliches Summen, das dadurch , entsteht, dass sie mit ihren Flügeln schlagen, um ihre Wohnung zu durchlüften·
Sobald die Sonne höher steigt, schon im Februar, beginnt das Leben im Innern des Winterknäuls auch zu steigen. Die Arbeiterinnen putzen ein paar Zellen, die sich auf einer Wabe gegenüberliegen, und veranlassen Ihre Majestät, die ersten Eier hineinzulegen. Mit steigender Wärme wird der Fleck kreisförmig vergrößert. Ist er groß genug, so geht die Königin auf die Nachbarwaben und allmählich immer weiter, so dass das Brutnest in Kugelform ausgedehnt wird.
Für die Ernährung der Arbeiterinnen und der Brut werden nun ganz beträchtliche Mengen Futter verbraucht, und zwar Honig, Blütenstaub und Wasser. Wenn lange kein Flugwetter ist, kann dadurch ein Volk in Not und Gefahr kommen. Ist aber erst der Mai ins Land gezogen, blühen viele Blumen in warmem Sonnenschein und sind die Wasserlachen und Gräben durchwärmt, treten auch die inzwischen ausgeschlüpften jungen Bienen mit in die Arbeit ein, dann geht im Volk ein gewaltiges Schaffen an. Bald ist der Bau zu eng für alle Bienen. Sie führen neue Waben auf. Der Imker erweitert die Wohnung und regt dadurch zu neuer Entwicklung an. Gibt es dabei noch in der Natur gute Tracht, dann fühlt sich das Volk auf der Höhe seiner Kraft, es wird mannbar. Die Bienen bauen eine größere Art Zellen, wo nur irgendein Fleckchen frei ist, und Frau Königin bestiftet sie mit Drohneneiern. Jetzt sind die Vorbedingungen zur Fortpflanzung gegeben. Eine dritte Art Zellen wächst wie hängende Eichelnäpfchen aus dem Bau heraus. Das sind die Weiselwiegen. Die Königin belegt sie mit denselben Eiern, aus denen sonst die Arbeitsbienen entstehen. Unter besonderer Pflege und Ernährung mit Königinnenfutter entwickeln sie sich aber zu vollreifen Geschlechtstieren, zu Weiseln. Auch schon ausgeschlüpfte, 2 bis 4 Tage alte Maden werden mit diesem Futter versehen; über ihnen werden nachträglich die Weiselzellen erbaut, so dass davon ein reicher Vorrat vorhanden ist. Die Königin stellt das Eierlegen ein und das Schwärmen kann beginnen. Sieben Tage, ehe die junge Königin reif ist, sondert sich ein Teil des Volkes, der Vorschwarm, ab. Erst saugen sich die Bienen voll Honig, und dann: in dichtem Gedränge zum Fluglochhe raus! Die alte Königin schieben und zerren sie mit sich. Wie im Rausche durcheilen sie die Luft hin und her in hellem Jubel, dem Schwarmton.
Nicht gar weit davon fangen sie an, sich im Schatten eines Baumes oder Strauches zu sammeln. Biene fliegt zu Biene, eine klammert sich an die andere, bis schließlich eine dicke Bienentraube an einem Ast hängt, oder ein Wust sich zum Ärger des Imkers an einem Stamme entlang zieht. Hat sich die Königin auch zur Sammelstelle gefunden, dann tritt bald Ruhe ein. Nach wenigen Stunden jedoch wird der Schwarm wieder unruhig und auf und davon geht der Flug zu einem Platz, den schon vorher findige Sendlinge, die Spürbienen, als geeignet zur Wohnung auskundschaftet hatten.
Das Muttervolk ist jetzt ohne Weisel. Umso sorgsamer pflegt es die Weiselzellen. Am siebenten Tage ist die erste Zelle reif. Die junge Majestät entsteigt ihr, begrüßt von dem Volke. Aber kaum hat sie ihren Thron bestiegen, da treten schon andere Thron-Prätendenten auf. Auch andere Zellen werden reif. Die dort eingeschlossenen Königinnen wollen sich herausnagen, werden von den Bienen jedoch gehindert, wohl aber durch die Öffnung gefüttert. Voller banger Unruhe läuft die ausgeschlüpfte junge Majestät im Volk umher und lässt einen eigentümlichen Laut ertönen, wie ein lang gezogenes »tüt,tüt, tüt«. Sie drückt sich dabei fest an die Wabe und stößt die Luft aus den Atmungslöchern aus. Die eingeschlossenen Rivalinnen machen es in ihren Kerkern ebenso. Dumpf tönt es wie ein kurzes »quä, quä, quä« als Antwort auf das »tüt«. — Mancher Imker hat sich an ruhigen Mai- und Juniabenden still zu seinen Bienen gestellt und hat dem Konzert zugehört. Es liegt ein eigener Reiz darin, diesen Tönen aus der Verborgenheit der Natur zu lauschen. Auch der ärgste , Schwarmverhinderer freut sich, wenn er sie hört.
Ist am nächsten Tage schönes Wetter, und passt es den Bienen, so geht schon am Vormittag der Nachschwarm aus dem Volke und mit ihm die zuerst ausgeschlüpfte Königin. In dem Trubel des Schwärmens aber brechen die Quäkerinnen, manchmal ein halbes Dutzend und mehr, aus ihren Kerkern aus und machen den schönen Reigen mit — zu ihrem Schaden. Hat sich der Schwarm angesetzt, so werden alle Königinnen bis auf die tütende gemordet. Der Schwarm bleibt dazu bis zum nächsten Morgen hängen, ehe er zu seiner neuen Wohnung eilt.
Auf dieselbe Weise können noch mehr Nachschwärme fallen. Sie werden immer kleiner. Wenn in einem Volke ein rechter Schwarmteufel steckt, ist zuletzt der Schwarm und das Volk nichts mehr wert.
Sache des Imkers ist es, die Schwärme nicht fortfliegen zu lassen, wie sie wollen, und ihre Zahl zu beschränken; doch davon später.
Wir verfolgen jetzt erst unseren Vorschwarm und nehmen an, dass er hoch oben im hohlen Stamm einer alten Eiche ein passendes Plätzchen gefunden hat. Die Königin will natürlich schnellstens wieder in die Eierlage treten, sie braucht also Bau. Die Bienen gehen sofort ans Werk. Der Honig, den sie mitnehmen, reicht für drei Tage aus. Von diesem Vorrat können sie ein Stück schneeweißer Wabe aufführen, auch den Rest des Vorrats gleich hineingießen, und amnächsten Tage schon auf Tracht fliegen. Ist diese reichlich, so kann in vierzehn Tagen ein glänzendes Wachsgebäude von lauter Arbeiterinnenzellen aufgebaut und zum größten Teil schon mit Brut und Eiern belegt sein. Ehe vier Wochen vergehen, kommen schon die ersten jungen Bienen aus, und im Herbst ist aus dem Schwarm ein großes Volk geworden, ja es kann noch einmal einen Schwarm mit der alten Königin, den Jungfernschwarm, abgeben und sich noch einmal zu einem neuen Volk entwickeln.
Was wird inzwischen aus dem Muttervolk und den Nachschwärmen? In einem Stück sind sie beide gleichartig: sie haben nämlich eine junge unbefruchtete Königin, daneben Drohnen und Arbeiterinnen in allen Altersstufen. Das Muttervolk ist insofern günstiger gestellt, als es nicht nur den fertigen Bau und Vorrat im eigenen Hause hat, sondern noch dazu die junge auslaufende Brut und damit viel lebensfrisches Volk. Doch da keine befruchtete Eierlegerin im Stocke ist, so gehen beide einer zunächst unsicheren Zukunft entgegen. Der Nachschwarm baut auch sofort Wabenwerk aus Arbeiterzellen, aber nicht so eilig wie die Vorschwärme, weil ja zunächst noch keine Brut vorhanden ist. Das Muttervolk beseitigt etwa noch vorhandene Weiselzellen und tötet die darin enthaltenen Prinzessinnen durch einen barmherzigen Stich. Aber dann ist es Zeit, dass die junge Majestät sich einen Prinzgemahl erkiese. Am dritten Tage nach der Geburt fliegt sie im Mittagssonnenschein aus, vorsichtig die Heimat und die Umgegend betrachtend. Findet sie keine Drohne, die sich zu ihr gesellt, so wiederholt sie den Ausflug. Wie ein Pfeil schießt sie davon, weit fort vom eigenen Volk. Die Weisheit der Natur will sie vor Inzucht bewahren und Blutauffrischung herbeiführen. Meist gelingt es der Königin mit einigen wenigen Ausflügen, ihren Hochzeitsflügen, dem Volke einen König zu geben. Er muss für diese Ehre sein Leben lassen. Die Königin ist für ihre ganze Lebenszeit ein für allemal befruchtet und von jeder weiteren Liebesfreude ausgeschlossen. Ein achtsamer Imker erkennt die Befruchtung der Königin an dem kleinen weißen Fähnchen, das sie von ihrem Hochzeitsflug heimträgt — das abgerissene Glied der Drohne. Die Bienen entfernen es bald von der Mutter. Nach weiteren vier Tagen finden wir die ersten Eier. Nach drei Tagen schlüpfen daraus die ersten Maden aus, nach wieder sechs Tagen ist die erste Brut verdeckelt, am einundzwanzigsten Tage schlüpfen die jungen Bienlein aus und alles ist in schönster Ordnung.
Aber, o weh, wenn das Wetter so schlecht ist, dass die Königin nicht zum Ausflug kommt, oder wenn ein körperliches Gebrechen sie daran hindert! Sie bleibt unbefruchtet. —- Nach einiger Zeit fängt sie dennoch an, Eier zu legen, also unbefruchtete Eier, und merkwürdigerweise entstehen daraus auch Maden, sie werden verdeckelt, schlüpfen aus, und nun tritt das Unglück zutage: nichts als Drohnen werden geboren. Der kundige Imker freilich hat schon vorher den Schaden entdeckt. Weil die dicken Drohnen nicht Platz hatten in den für Arbeiterinnen gebauten Zellen, so mussten die Deckel mit einem Buckel hochgewölbt werden, Diese »Buckelbrut« ist jedes Mal ein großer Schmerz für den Imker. Sie bedeutet, dass das Volk rettungslos dem Aussterben verfallen ist, wenn nicht schnelle Hilfe einsetzt. Und auch dann noch ist sie ein schwerer Schaden.
Noch schlimmer freilich ist das Übel, wenn die Königin ganz verloren geht auf dem Hochzeitsfluge. Über kurz oder lang findet sich auch da noch Brut. Der Arterhaltungstrieb ist so groß, dass sich in solchem grimmen Notfalle die Arbeiterinnen auf ihr Geschlecht besinnen. Jedenfalls werden einige von ihnen besonders gut gefüttert, die verkümmerten Eierstöcke entwickeln sich so weit, dass Eier entstehen. Doch da die Befruchtung fehlt, so werden aus diesen Eiern auch nur Drohnen geboren. Buckelbrut tritt auch hierbei auf. Die eierlegenden Arbeiterinnen nennt man »Drohnenmütterchen«. Sie sind nicht aus der Zahl der übrigen herauszufinden, falls wir sie nicht beim Eierlegen selbst erwischen.
Die Drohnenmütterchen legen die Brut nicht in geschlossenen Beständen an, wie die Königinnen. Ferner: da ihr Hinterleib zu kurz ist, so reicht er nicht bis auf den Zellenboden Die von ihnen herrührenden Eier sind daher an der Zellenwand angeheftet. Meist finden sich auch in jeder einzelnen Zelle mehrere Eier. Ist ein Volk erst mit Drohnenmütterchen beschenkt, dann ist es wertlos geworden. Seine Bienen sind alt, haben nur noch kurze Lebenszeit, sind abgenützt und für Brutpflege nicht mehr gut zu gebrauchen. Alle Versuche, ein solches Volk zu retten, sind zwecklos.
Am besten ist es, man schüttet die Bienen unweit des Standes aus ein sonniges Fleckchen und entfernt die Wohnung, in der sie gehaust haben. Sie verteilen sich dann auf den ganzen Stand und betteln sich ein.
ABBILDUNG 1: Buckelbrut, davon zwei Weiselzellen
Das eigentliche Brutgeschäft und die Pflege der Brut obliegt den Arbeitsbienen. Die jungen Bienlein bleiben auf der Stelle der Wabe, wo sie geboren sind. Die Königin setzt dort sofort frische Eier ab und überlässt sie der Obhut der jungen, zarten, weichen Bienlein. Vier Tage lang bekommen die ausgeschlüpften Maden das sehr eiweißreiche (53 prozentige) Futter, das sich in der jungen Biene aufgestaut hatte, dann tritt Blütenstaub dazu.
Die Maden in Königinnenzellen werden nicht mit Blütenstaubfutter genährt, sondern nur mit Eiweißfutter. (Damit nicht zufällig Blütenstaub in die Weiselwiegen falle, sind sie abwärts gerichtet). Darauf ist es zurückzuführen, dass die Arbeiterbienen nicht geschlechtlich voll entwickelt sind, sondern nur die Maden in den Weiselwiegen.
Wenn am sechsten Lebenstage die Made reif geworden ist, wird sie verdeckelt und kann sich nun einspinnen. Die junge Wärterin ist zugleich ihres Ammenamtes enthoben und kann anderen Dienst tun. Nach weiteren zwölf Tagen ist die Arbeitsbiene in ihrer Zelle entwickelt. Sie beißt sich durch den feinen Kokon und den Zellendeckel durch. Den Kokon, das »Nymphenhemdchen«, lässt sie zurück und schlüpft vorsichtig und bedächtig aus, empfangen von hilfsbereiten, leckenden und fütternden und putzenden Schwestern. Die Königin bleibt nur acht, die Drohnen aber 15 Tage im Nymphenzustand. Vom Ei aus brauchen also die Königin 17, die Arbeitsbiene 21, die Drohnen 24 Tage zu ihrer Entwicklung.
Wir begleiten noch das Volk durch den Spätsommer und Herbst hindurch.
Sobald der Schwarmtrieb erloschen und die neue Regierung einer befruchteten Königin gesichert ist, sind die Drohnen überflüssig geworden. Sie werden durch die übrigen Bienen von den Futtervorräten fern gehalten und in einem Winkel des Stockes zusammengedrängt. Da hocken sie nun, die Herren der Schöpfung und machen einen recht trostlosen Eindruck Ihre Schwäche wächst, und eines schönen Tages werden sie einfach zum Tempel hinausgedrängt, gezerrt, gebissen, gestochen. Das ist die »Drohnenschlacht«. Etwa vorhandene Drohnenmaden folgen ihren schon gebotenen Brüdern nach. Grasmücken, Rotkehlchen und etwa vor dem Bienenstand umherstreifende Hühner feiern ein üppiges Festmahl. Das Volk aber rüstet jetzt tüchtig für den Winter und das nächste Jahr.
Das Jahr ist inzwischen bis in den Juli hinein fortgeschritten. Nur noch zwei Monate etwa kann der Sommer dauern, lange genug, dass sich die jetzt schon arbeitsfähigen Bienen aufbrauchen, aber auch eben nur lange genug, dass ein neues Geschlecht heranwächst.
Bei guter Tracht geht die Königin noch einmal tüchtig in Brut und setzt dies Geschäft bis in den September hinein fort. Die jetzt geborenen Bienlein sollen den Stamm für das nächste Frühjahr abgeben. Was alt ist, stirbt im Winter ab· Deshalb liegt in der gesunden Entwicklung während der Monate Juli und August die Bürgschaft für die zukünftige Güte eines Volkes. Da die Honig- und Pollenvorräte oben rings um die Brut aufgespeichert waren, so bleibt nach dem Ausschlüpfen des letzten Bienleins ein kugeliger, honigfreier Raum übrig. Diese leeren und deshalb warmhaltigen Teile der Waben inmitten der Vorräte geben den Wintersitz für das Volk ab. Die vom Volke aufsteigende Wärme ermöglicht es, den Honigvorräten nach oben hin nachzurücken. Die am Rande des Winterknäuls sitzenden Bienen nehmen Honig auf und reichen ihn weiter von Biene zu Biene.
Treten noch gute Tage ein, so wird schnell aus entfernt gelegenen Stockteilen neuer Vorrat dahin gebracht, wo er gebraucht werden soll. Dadurch wieder bildet sich um die Vorräte ein warmhaltender Mantel von leeren Zellen. Nun kann der Winter kommen.
Früher galt der Winter für die gefährlichste Zeit im Bienenstaat. Aber im Grunde haben nur ganz kleine Völker ihn zu fürchten.
Die Verluste an Wärme nämlich werden im Volk ersetzt durch Bewegung, —· das Volk gibt dabei ein brausendes Geräusch von sich. Jede Bewegung ist aufgebrauchte Lebenskraft, die durch Futter ersetzt werden muss. Also: je mehr ein Volk unter Kälte leidet, desto mehr wird es von seinen Vorräten zehren. Kleine Völker verbrauchen deshalb verhältnismäßig am meisten. Da in der Winterkälte die Bienen nur den über ihrem Sitz stehenden Honig erreichen können, weil jeder Schritt in die Nebengassen den grimmen kalten Tod bringt, so fressen sie sich aufwärts durch ihre Vorräte hindurch, und wenn sie dort nichts mehr finden, müssen sie elendiglich zwischen fetten Honigwaben verhungern. Das kommt leider nicht selten vor, zumal wenn ein kleines Völkchen eine zu niedrige Wohnung hatte.
Auch wenn genug Honig vorhanden war, kann die Kälte kleinen Völkern recht schädlich werden. Durch die reichliche Nahrungsaufnahme sammeln sich bisweilen aus unverdaulichen Honigteilen so starke Kotmassen im Enddarm der armen Tierchen an, dass unfreiwillige Entleerungen und Ruhr entstehen. Die Folge ist eine eklige Schmutzerei, da die Tierchen nicht schnell genug den Ausgang erreichen können. Die Bienen besudeln sich gegenseitig. Die Ruhr schreitet fort und das Volk kommt um.
Diese Ruhr kann auch entstehen, wenn das Volk oft beunruhigt wird durch unerwartete plötzliche Störungen Das Volk braust bei jedem Schreck auf und fällt über den erreichbaren Honig her. Instinktiv saugt sich bei jeder Gefahr jede Biene voll Honig. Unnötige Ansammlung von Kotmassen sind auch hier die Folge.
Wie wir später noch sehen werden, ist Honig ja ein vollständig verdauter Stoff, der also eigentlich restlos vom Körper aufgenommen werden soll. Aber einige Honigsorten enthalten unverdaute und unverdauliche Teile, und zwar Heidehonig aus verschiedenen Gegenden Deutschlands (nicht aus allen), Tannenhonig und Blatthonig (von den Bienen aufgetragene Säfte, die in manchen Jahren nach Blattläusen sich finden, »Honigtau«). Ist derartiger Honig am Wintersitz, dann wird auch das beste Volk krank. Das Verdienst des früheren Lehrers Freudenstein in Marbach bei Marburg ist es, durch ausgedehnte und auffallende Schriftstellerei hierfür der Imkerschaft die Augen geöffnet zu haben. Sein sehr zu beherzigender Vorschlag ist: Da man nie mit Bestimmtheit weiß, ob guter, d. h. im Sinne der Verdaulichkeit fürdie Bienen guter Honig im Stocke ist, so wird vor Eintritt des Winters aller Honig aus den Völkern genommen und durch Fütterung :mit Zuckerwasser ersetzt. So behandelte Völker bleiben ruhrfrei, wenn sie nicht gestört werden oder nicht an einer ansteckenden Art der Ruhr erkranken.
Wir wollen nun, um die einzelnen Vorgänge im Bienenstaat noch besser zu verstehen, zunächst den