Читать книгу Homilien über den Brief an die Hebräer - Johannes Chrysostomos - Страница 9

Dritte Homilie.

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I.

6. 7. 8. Und wenn er den Erstgebornen abermal in die Welt einführt, spricht er: Es sollen ihn anbeten alle Engel Gottes. - Und in Hinsicht auf die Engel sagt er: Er macht seine Engel zu Winden und seine Diener zu Feuerflammen; - aber zum Sohne spricht er: Dein Thron, o Gott, steht immer und ewig.

Unser Herr Jesus Christus nennt seine Ankunft im Fleische Ausgang, wie er auch spricht: „Ein Saemann ging aus, zu säen;“28 und wieder: „Ich bin von meinem Vater ausgegangen und komme.“29 Dieß kann man an vielen Stellen so finden. Paulus aber nennt dieselbe Eingang, da er schreibt: „Und wenn er den Erstgebornen abermal in die Welt einführt.“ Diese Einführung (Eingang) nennt er also die Fleischesannahme (Menschwerdung). Warum wird aber für dieselbe Sache eine verschiedene Bezeichnung gebraucht und wozu diese Ausdrucksweise? Das erhellet aus Dem, was bezeichnet wird; denn Christus nennt seine Ankunft mit Recht Ausgang; standen wir ja ferne von Gott. Und gleichwie an einem königlichen Hofe die Gefangenen und welche den König beleidiget haben, draussen stehen, Derjenige aber, der sie wieder versöhnen will, sie nicht einführt, sondern zu ihnen hinausgeht und sich mit ihnen bespricht, bis er sie in eine Verfassung versetzt hat, die sie würdig macht, vor das Angesicht des Königs geführt zu werden: so hat es auch Christus gemacht. Denn er ist zu uns gekommen, d. h. er ist Mensch geworden, und nachdem er vollbracht hatte, was ihm von Seite des Königs war auferlegt worden, hat er uns den Zutritt geöffnet, indem er uns von Sünden reinigte und die Versöhnung schenkte. Darum gebraucht er den Namen „Ausgang“. Paulus aber sagt „Eintritt“, ähnlich wie man von Erben spricht, die in den Besitz des ihnen zugefallenen Vermögens eintreten; denn die Worte: „Und wenn er den Erstgeborenen abermal in die Welt einführt“ sollen soviel heißen als: da er ihm die Welt übergab; denn dann wird er die ganze Welt besitzen, wenn er (von Allen) erkannt sein wird. Nicht in Bezug auf Gott das Wort sagt er Dieses, sondern in Bezug auf Christus den Menschgewordenen. Und begreiflich; denn wenn er in der Welt war, wie Johannes schreibt,30 und die Welt durch ihn gemacht wurde, wie hätte er anders eingeführt werden können als im Fleische?

„Und es sollen,“ heißt es, „ihn anbeten alle Engel Gottes.“ Da er etwas Großes und Erhabenes sagen will, schickt er eine Einleitung voraus und macht die Sache dadurch annehmbar, daß er den Sohn durch den Vater einführen läßt. Nun merke auf! Oben sagte er, daß er nicht durch Propheten zu uns geredet habe, sondern durch den Sohn; er zeigte, daß der Sohn größer sei als die Engel, und beweist Dieß aus seinem Namen und indem er sagt, daß der Vater den Sohn eingeführt habe. Hier bringt er noch einen andern Beweisgrund. Welchen? Die Anbetung. Er zeigt, daß diese eine solche Erhabenheit verleihe, wie sie der Herr vor dem Knechte besitzt. Gerade so, wie wenn Einer Jemanden in einen Königspalast einführen und Alle, die dort ein Amt haben, sogleich auffordern würde, demselben zu huldigen, macht es Paulus auch hier, indem er von der Menschheit spricht, wenn er sagt, daß er in die Welt eingeführt werde, und die Worte beifügt: „Es sollen ihn anbeten alle Engel Gottes.“ Also nur die Engel und nicht auch die anderen Mächte? Keineswegs; denn höre, was folgt: „Und in Hinsicht auf die Engel sagt er zwar: Er macht seine Engel zu Winden und seine Diener zu Feuerflammen; - aber zum Sohne spricht er: Dein Thron, o Gott, steht immer und ewig.“

Siehe, welch’ ein sehr großer Unterschied! Denn Jene sind erschaffen, Dieser aber ist unerschaffen. Und warum hat er in Bezug auf die Engel gesprochen: „welcher macht,“ in Bezug auf den Sohn aber den Ausdruck: „welcher macht“ nicht gebraucht? Und doch hätte er auf diese Weise den Unterschied angeben können. In Hinsicht auf die Engel sagt er zwar: „Er macht seine Engel zu Winden;“ aber in Bezug auf den Sohn spricht er: „Der Herr hat mich erschaffen;“ und wieder: „Ihn, den Herrn und Christus hat Gott erschaffen.“ Aber weder Jenes ist über Christus, den Herrn und Sohn, noch Dieses über Gott das Wort gesagt worden, sondern über den Menschgewordenen; denn wo er den wahren Unterschied angeben will, da nennt er nicht nur die Engel, sondern alle die himmlischen Mächte, welche Gott dienen. Siehst du, auf welche Weise und wie deutlich er die Geschöpfe und den Schöpfer, die Diener und den Herrn, den Erben sowie den wirklichen Sohn und die Knechte unterscheidet? „Aber zum Sohne spricht er: Dein Thron, o Gott, steht immer und ewig!“ Siehe da ein Zeichen königlicher Herrschaft. „Ein Scepter der Gerechtigkeit ist der Scepter deines Reiches.“ Siehe da ein anderes Zeichen des Königthumes! Dann spricht er wieder von ihm in Bezug auf die Menschheit:

9. „Du hast die Gerechtigkeit geliebt und das Unrecht gehaßt, darum hat dich Gott, dein Gott gesalbt.“

Was heißt Das: „dein Gott“? Nachdem er nämlich Erhabenes gesprochen, mildert er’s wieder. Hier hat er die Juden, die Anhänger des Paulus von Samosata, die Arianer, den Marcellus, den Sabellius und Marcion getroffen. Wie denn? Die Juden, indem er ihn doppeltwesenhaft, als Gott und Menschen darstellt; die Anhänger des Paulus, nämlich des von Samosata, indem er hier von seinem ewigen Dasein und seiner unerschaffenen Wesenheit spricht. Denn als Gegensatz zu dem: „Er hat ihn erschaffen“ setzt er die Worte: „Dein Thron, o Gott, steht immer und ewig.“ Gegen die Arianer gilt wieder Dasselbe, und weil er nicht Diener noch Geschöpf ist; wär’ er Geschöpf, so wär’ er auch Diener. Gegen den Marcellus und die Andern sprechen die Worte, welche eine wesentliche Trennung dieser zwei Personen aussprechen. Gegen die Marcionisten, weil nicht die Gottheit, sondern die Menschheit gesalbt wird. Weiter sagt er: „mehr als deine Genossen.“ Welche sollten diese Genossen wohl sein, wenn nicht die Menschen? Das heißt: „Christus hat den Geist nicht nach dem Maaße empfangen.“31


II.

Siehst du, wie er fortwährend mit der Rede über die unerschaffene Natur auch die über die Menschwerdung verbindet? Was ist klarer als Dieses? Siehst du, daß Geschöpfe und Sohn verschieden sind? Sonst würde er nicht so unterscheiden und dem Ausdruck: „Er hat geschaffen“ die Worte: „Aber zum Sohne spricht er: Dein Thron, o Gott, steht immer und ewig“ so scharf entgegengesetzt haben; noch würde er den Namen „Sohn“ einen bevorzugten nennen, würden die beiden Ausdrücke Dasselbe bezeichnen. Welcher Unterschied würde dann sein? Denn wenn die Geschöpfe, die in’s Dasein gerufen wurden, und der Sohn nicht unterschieden wären, wo bestände der Vorzug? Beachte wiederum, wie vor dem Worte „Gott“ der Artikel (ὁ Θεός)32 steht! Ferner heißt es:

10.11.12. Du hast im Anfang, o Herr, die Erde gegründet, und die Werke deiner Hände sind die Himmel. Sie werden vergehen, du aber wirst bleiben, und alle werden wie ein Kleid veralten, und wie ein Gewand wirst du sie verändern, und sie werden sich verändern; du aber bist Derselbe und deine Jahre werden nicht aufhören.

Damit du nicht wähnest, da du die Worte vernimmst: „Wenn er den Erstgebornen in die Welt einführt,“ Dieß sei ihm als ein nachträgliches Geschenk noch dazu verliehen worden, so hat er schon oben eine Berichtigung gegeben und thut Dieß hier nochmals mit den Worten: „Im Anfange,“ - nicht jetzt, sondern früher. Siehe, wie er wieder den Paulus von Samosata mit vernichtendem Schlage trifft, indem er, was in Bezug auf den Vater stattfindet, auch dem Sohne zuschreibt. Hierauf kommt er so beiläufig auf etwas Anderes zu sprechen, was ebenfalls von großer Wichtigkeit ist; er weist hin auf die Umgestaltung der Welt, indem er sagt: „Wie ein Kleid werden sie veralten, und wie ein Gewand wirst du sie wenden, und sie werden sich verändern.“ Dasselbe schreibt er auch im Briefe an die Römer, daß Gott nämlich die Welt umgestalten werde. Und um zu zeigen, daß Dieß leicht geschehe, fügt er hinzu: „Du wirst sie wenden.“ Denn wie Jemand ein Kleid wendet, so wird er die Welt wenden und verändern. Wenn er aber der Schöpfung so leicht eine bessere und vollkommenere Umgestaltung zu geben vermag, sollte er dann zur Erschaffung, die doch weniger ist, eines Anderen bedurft haben? Wie lange schämt ihr euch nicht? Zugleich finden wir aber den größten Trost in dem Bewußtsein, daß die Dinge in ihrer gegenwärtigen Gestalt nicht verbleiben, sonden daß alle eine Umwandlung erfahren, alle sich ändern werden: er aber lebt immer, lebt ewig. „Und deine Jahre,“ heißt es, „werden nicht aufhören.“

13. Und zu welchem Engel hat er je gesagt: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße gelegt habe?

Siehe, wie er ihren Muth neu belebt durch die Aussicht, daß ihre Feinde unterliegen werden, und ihre Feinde sind eben auch die Feinde Christi. Das ist ein Zeichen der Herrschaft und der gleichen Ehre; Das beweist Auszeichnung und keineswegs Unvermögen; daß der Vater über Das erzürnt, was gegen den Sohn geschehen, das ist ein Ausdruck großer Liebe, wie sie ein wirklicher Vater zu seinem Sohne hat: denn wer wegen Jemanden in Zorn gerät, wie kann er einem Solchen abgeneigt sein? „Bis ich deine Feinde gelegt habe.“ So heißt es auch im zweiten Psalm: „er im Himmel wohnt, lachet ihrer, und der Herr spottet ihrer. Dann redet er zu ihnen in seinem Zorn und verwirrt sie in seinem Grimme.“33 Und wieder sagt er selbst: „Die, so nicht wollten, daß ich über sie herrsche, bringet herbei und ermordet sie vor mir!“34 Daß es aber seine Worte sind, vernimm aus einer andern Stelle; er spricht: „Wie oft wollte ich deine Kinder versammeln, und ihr habt nicht gewollt. Siehe, euer Haus wird euch wüste gelassen;“35 und wieder: „Das Reich Gottes wird von euch genommen und einem Volke gegeben werden, das die Früchte desselben hervorbringt;“ ferner: „Und wer auf diesen Stein fällt, den wird er zermalmen.“36 Übrigens wird Der, welcher sie dort richten wird, um so mehr hier ihnen vergelten, wie sie es ob ihrer Bosheit gegen ihn verdienen. Ebenso sprechen ganz und gar für die Ehre des Sohnes die Worte: „Bis ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße gelegt habe.“

14. Sind sie nicht alle dienende Geister, ausgesandt zum Dienste um Derer willen, welche die Seligkeit ererben sollen?

Was Wunder, will er sagen, daß sie dem Sohne dienen, da sie ja auch uns zu unserer Seligkeit förderlich sind? Siehe, wie er ihren Sinn hebt, indem er ihnen die große Ehre vorstellt, deren Gott uns würdigt, da er Engel, die höher stehen als wir, für uns mit diesem Dienste betraut. Wie man sich etwa ausdrücken könnte: Das ist ihre Bestimmung, das ist das Amt der Engel, daß sie Gott dienen zu unserm Heile. Demnach ist Dieß die Wirksamkeit der Engel, daß sie Alles vollbringen zur Rettung der Brüder. Das ist aber in noch höherem Grade auch das Werk Christi; denn er spendet das Heil als Herr, diese aber als Diener. Und wenn auch wir Diener sind, so theilen ja die Engel mit uns diesen Beruf. Was schaut ihr nun, sagt er, staunend zu den Engeln auf? Sie sind Diener des Sohnes Gottes und werden oft unsertwegen ausgesendet und sind thätig zu unserem Heile: sie sind also Diener wie wir. Betrachtet nur, wie die Verschiedenheit unter den Geschöpfen nicht gar so groß ist. Wenn auch ein erheblicher Unterschied zwischen Engeln und Menschen besteht, so bringt er sie dennoch uns nahe, indem sie, nach seinen Worten zu schließen, für uns arbeiten, unsertwegen herumeilen, uns, wie man sagen könnte, dienen. Das ist also ihr Beruf, daß sie unsertwegen überallhin ausgesandt werden.


III.

Beispiele hiefür bieten das alte Testament und das neue in Fülle. Brachten ja Engel den Hirten die frohe Botschaft; kam ja ein Engel zu Maria; dergleichen zu Joseph; Engel sitzen am Grabe; Engel werden ausgesandt, um den Jüngern zu sagen: „Ihr Männer von Galiläa, was stehet ihr da und schauet gen Himmel;“37 sie auch befreien den Petrus aus dem Gefängnisse und reden mit Philippus. Wie sollten sie uns nun nicht dienen? Betrachte also, wie groß die Ehre ist, daß Gott wie zu Freunden seine Engel als Diener entsendet, daß dem Cornelius ein Engel erscheint, und ein solcher sämmtliche Apostel aus dem Kerker befreit, indem er spricht: „Gehet hin, tretet auf und sprechet im Tempel zu dem Volke die Worte dieses Lebens!“38 Jedoch was brauche ich Anderes zu sprechen, da ja dem Paulus selbst ein Engel erscheint? Siehst du, wie sie uns dienen um Gottes willen und zwar dienen in den wichtigsten Dingen? Darum spricht Paulus: „Alles gehört euch, sei es Leben oder Tod oder Welt oder Gegend wart oder Zukunft.“ Auch der Sohn wurde gesendet, aber nicht wie ein Diener oder Verwalter, sondern wie der eingeborne Sohn, der Gleiches wie der Vater will; vielmehr aber: er wurde nicht gesendet, denn er begab sich nicht von einem Orte zum andern, sondern er wurde Mensch. Die Engel aber wechseln die Plätze, verlassen ihren früheren Aufenthaltsort und gehen dorthin, wo sie vorher nicht waren. Auch hier ermuthigt er sie, indem er spricht: Was fürchtet ihr? Engel dienen uns ja.

Nachdem er nun gesprochen über den Sohn sowohl bezüglich der Erlösung als auch der Schöpfung und seiner Herrschaft, und nachdem er gezeigt hat, daß er gleich geehrt sei und als Herr gebiete nicht allein über die Menschen, sondern auch über die höheren Mächte: richtet er die Rede so ein, daß er ihnen eine Ermunterung ertheilt, das Gehörte treu zu befolgen, indem er sagt:

Kap. II.

1. Darum müssen wir auch um so mehr auf Das Acht haben, was wir gehört haben.

Indem er hier erklären will, daß das Gehörte sorgfältiger zu beachten sei als das Gesetz, sagt er Dies nicht gerade heraus, macht es aber klar in der Begründung, ohne einen Rath zu ertheilen oder eine Ermunterung zu geben; und so war es besser.

2.3. Denn wenn das durch die Engel verkündete Wort fest geworden ist und jede Übertretung und jeder Ungehorsam die gerechte Vergeltung empfangen hat: wie werden wir entfliehen, wenn wir ein so großes Heil ausser Acht lassen, welches Anfangs von dem Herrn kund gemacht, dann von Denen, die es gehört, in uns befestiget worden ist? Warum sollen wir das Gehörte mehr beachten? Ist nicht Jenes wie Dieses Gottes Wort? Entweder sagt er also, daß Dieses sorgfältiger als das Gesetz, oder daß es gar sehr beobachtet werden müsse. Keineswegs stellt er hier Beide gegen einander, Das sei ferne. Da sie nämlich vom alten Testamente wegen seines langen Bestandes eine hohe Meinung hatten, dieses aber als neu gering geachtet wurde, weist er aus seinem Werthe nach, daß sie sich vorzugsweise an dieses zu halten hätten. Wie denn? Weil beide, will er ungefähr sagen, von Gott herstammen, aber nicht auf gleiche Art und Weise. Das aber zeigt er uns später; bis dahin ist die Beweisführung mehr oberflächlich, später aber klarer, indem er sagt: „Denn wenn jener erste (Bund) nicht mangelhaft gewesen wäre;“ und wieder: „Denn was veraltet ist und hinfällig wird, ist seinem Ende nahe.“39 Allein er wagt es noch nicht, gleich Anfangs Dieses zu sagen, sondern wartet, bis er den Zuhörer durch mehr Gründe gewonnen hat und festhält. - Warum müssen wir also mehr Acht haben? „Damit wir nicht,“ sagt er, „etwa zerfließen,“ d. i. daß wir nicht zu Grunde gehen, nicht das Heil verlieren. Hier zeigt er, wie mißlich der Fall ist, weil es schwer hält, daß das einmal Entschwundene wieder zurückkehre, insoferne die Quelle des Übels Sorglosigkeit ist. Diesen Satz entlehnte er den Sprichwörtern, wo es heißt: „O Sohn, damit du nicht zerfließest,“40 wodurch er zeigt, wie leicht der Fall und wie schwer das Unglück, d. h. wie gefahrvoll für uns der Ungehorsam sei. Und durch Dasjenige, was er hier darthun will, zeigt er, daß die Strafe größer sein werde. In der Untersuchung schweigt er davon und zieht keinen Schluß. Denn das heißt der Rede das Lästige nehmen, wenn man nicht überall die Entscheidung von sich ausgehen läßt, sondern den Zuhörer zum Herrn macht, so daß er selbst das Urtheil fällt; Das gewinnt diesem auch eine größere Zuneigung ab. Dasselbe thut im alten Bunde der Prophet Nathan und bei Matthäus Christus, wo er spricht: „Was wird er wohl den Arbeitern des Weinberges thun?“41 und wo er sie nöthigt, das Urtheil selber zu sprechen. Das ist aber der größte Sieg. Den Worten: „Denn wenn das durch die Engel verkündigte Wort fest geworden ist“ fügt er nicht bei: um wie viel mehr das durch Christus; Dieß unterläßt er und schreibt die weniger besagenden Worte: „Wie werden wir entfliehen, wenn wir ein so großes Heil ausser Acht lassen?“ Siehe nun, wie er den Vergleich macht! „Denn wenn,“ sagt er, „das durch die Engel verkündigte Wort;“ - dort durch „Engel“, hier aber durch den „Herrn“, und dort nur das „Wort“, hier aber das „Heil“. Damit aber nun nicht Jemand frage: Wie so, ist Das, was du sagst, o Paulus, Christi Wort? kommt er zuvor und zeigt die Glaubwürdigkeit seiner Worte. Diese Zuverlässigkeit beweist er dadurch, daß er sie von Jenem gehört habe, und daß sie jetzt von Gott gesprochen wurden, nicht durch bloßen Wortklang, wie zu Moses geredet wurde, sondern durch Zeichen und Zeugniß gebende Thaten.


IV.

Was heißt aber Das: „Denn wenn das durch die Engel verkündigte Wort fest geworden ist“? Ähnlich schreibt er auch im Briefe an die Galater: „Angeordnet ist es worden durch Engel, durch die Hand eines Mittlers;“42 und wieder: „Ihr habt das Gesetz durch die Dienstleistung der Engel empfangen, aber nicht beobachtet.“43 Und überall sagt er, daß dasselbe durch Engel gegeben worden sei. Einige behaupten nun, hier werde auf Moses gedeutet; Das stimmt aber nicht; denn hier ist die Rede von vielen Engeln, und zwar von den Engeln im Himmel. Was soll man also sagen? Entweder meint er hier den Dekalog allein; denn dort redet Moses und Gott antwortet; daß also (als das Gesetz gegeben wurde) auf Gottes Geheiß Engel anwesend waren; oder er spricht diese Worte in Bezug auf Alles, was im alten Testamente unter Mitbetheiligung der Engel gesprochen und gethan wurde. Wie sagt er aber anderswo, daß das Gesetz durch Moses gegeben wurde,44 hier aber durch Engel? Denn es heißt: „Und Gott kam herab im Dunkel.“45

„Denn wenn das durch Engel verkündigte Wort fest geworden ist.“ Was heißt Das: „fest“? Wahr, wie man etwa sich ausdrücken könnte, und zuverlässig; denn das Gesagte ging zur bestimmten Zeit in Erfüllung. Er sagt also entweder Dieses, oder daß er die Herrschaft ausgeübt habe und die Drohungen verwirklicht wurden; oder „Wort“ soll soviel bedeuten als: Befehle. Denn neben dem Gesetze haben Engel viele Befehle im Auftrage Gottes ertheilt, wie zur Zeit des Weheklagens,46 zur Zeit der Richter, zur Zeit des Samson. Denn darum sagt er auch nicht Gesetz, sondern „Wort“. Mir scheint er nur darum so zu sprechen, um ganz besonders zu zeigen, was durch Engel ausgeführt worden. Was werden wir also sagen? Daß damals Engel anwesend waren, deren Schutz das Volk anvertraut worden, und daß diese die Trompeten geblasen und das Übrige, Feuer und Rauchdunkel, bewirkt haben. - „Und jede Übertretung,“ schreibt er, „und jeder Ungehorsam hat den gerechten Vergeltungslohn empfangen.“ Nicht diese, auch nicht jene, sondern jede. Nichts blieb ungeahndet, sondern empfing den gerechten Vergeltungslohn, d. h. Strafe. Warum aber drückt er sich so aus? Paulus pflegt keine große Sorgfalt auf die Wahl der Ausdrücke zu verwenden, sondern ohne Unterschied, auch um etwas Rühmliches zu bezeichnen, ein Wort von übler Bedeutung zu setzen, wie er auch anderswo sagt: „Und gefangen nehmen jeden Verstand zum Gehorsam Christi.“47 Und wieder an einer anderen Stelle setzt er Vergeltung für Strafe, und hier nennt er die Strafe Lohn: „Wenn es anders,“ sagt er, „gerecht bei Gott ist, daß er Denjenigen, welche euch in Trübsal versetzen, mit Trübsal vergelte und euch, die ihr Trübsal leidet, mit Ruhe,“48 d. h. die Gerechtigkeit ist nicht zu Grunde gegangen, sondern Gott hat sich erhoben und Strafe verhängt über die Sünder, wenn gleich nicht alle Sünden offenbar werden, falls nämlich reine Gesetze verletzt wurden. „Wie werden wir daher,“ sagt er, „entfliehen, wenn wir ein so großes Heil ausser Acht lassen?“ Dadurch zeigt er, daß jenes Heil kein großes gewesen. Schön ist der Ausdruck: „so großes“ gesetzt; denn nicht aus Kriegen, sagt er, wird er uns retten, noch auch die Erde und die Erdengüter uns schenken; der Tod soll seine Vernichtung, der Teufel seinen Untergang finden und das Himmelreich und das ewige Leben uns zu Theil werden; denn Dieß alles zeigt er kurz in den Worten: „Wenn wir ein so großes Heil ausser Acht lassen.“ Dann führt er noch den Überzeugungsgrund an: „welches Anfangs von dem Herrn kund gemacht (worden), d. h. welches von der Quelle selbst feinen Ursprung hatte: kein Mensch noch eine erschaffene Macht, sondern er selbst, der Eingeborne, hat dasselbe auf diese Erde gebracht. - „Dann von Denen, die es gehört, in uns befestiget worden ist.“ Was heißt Das: „Es ist befestiget worden“? Es ist anvertraut worden, oder es ist in Erfüllung gegangen. Denn wir haben, sagt er, das Unterpfand, d. h. das Heil ist nicht erloschen, es hat nicht aufgehört, sondern es herrscht und ist Sieger. Die Ursache aber ist die wirksame göttliche Kraft. - Was haben die Worte: „von Denen, die es gehört,“ für einen Sinn? Sie bedeuten: Diejenigen, welche es vom Herrn gehört, haben uns (im Glauben) befestigt. Das ist aber etwas Großes und Zuverlässiges. So schreibt auch Lukas im Anfange seines Evangeliums: „Wie uns Jene überliefert haben, die vom Anfange an selbst sahen und Diener des Wortes waren.“49 Wie ist es nun befestiget worden? Wie nun, wenn Diejenigen, die es gehört haben, Erdichtungen mittheilten? Um diesen Einwurf zu beseitigen und eine übermenschliche Gnade anzuzeigen, fügt er bei:

4. Indem es Gott mitbezeugte.

Denn Gott würde, hätten sie Erdichtungen vorgebracht, nicht für sie Zeugniß gegeben haben; Jene legen zwar Zeugniß ab, aber auch Gott ist Zeuge. Wie gibt er Zeugniß? Nicht durch das tönende Wort; denn auch Das wäre verlässig gewesen. Wie denn? „Durch Zeichen und Wunder und mancherlei Krafterweisungen.“ Schön setzt er die Worte hinzu: „Durch Zeichen und mancherlei Krafterweisungen,“ wodurch er die Fülle der Gnadengaben anzeigt, welche bei den Vorfahren nicht gewesen; denn diese hatten weder so große noch so mannigfache Zeichen; d. h. wir haben Jenen nicht ohne Weiteres geglaubt, sondern sind durch Zeichen und Wunder dazu gebracht worden, so daß wir also nicht Jenen, sondern Gott selbst glauben. „Und durch Gaben des heiligen Geistes nach seinem Willen.“ Wie kömmt es nun aber, daß auch die Zauberer Zeichen thun und die Juden sagten, daß er durch Beelzebub die Teufel austreibe?50 Aber solche Zeichen thun sie nicht; darum sagt er: „Durch mancherlei Kraftäusserungen;“ denn jene sind keine Krafterweise, sondern nur Ohnmacht und Einbildung und ganz hohles Zeug. Darum sagt er: „Durch Gaben des heiligen Geistes nach seinem Willen.“


V.

Hier scheint er mir noch auf etwas Anderes hinzudeuten; denn wahrscheinlich hatten nicht Viele die Gnadengaben, und diese schienen von ihnen gewichen zu sein, weil sie selbst im Eifer nachgelassen hatten. Um sie nun auch darüber zu trösten und nicht ganz fallen zu lassen, erklärt er das Ganze für ein Werk des göttlichen Willens. Gott weiß, will er sagen, was einem Jeden zuträglich ist, und demgemäß vertheilt er seine Gnade. Ebenso macht er es auch im Briefe an die Korinther, da er schreibt: „Nun aber hat Gott die Glieder gesetzt, jedes einzelne von ihnen am Leibe, wie er gewollt hat.“51 Und wieder: „Jedem aber wird gegeben die Offenbarung des Geistes zum Frommen.“52 Er zeigt, daß die Gnadengabe nach dem Willen des Vaters verliehen werde. Oft war auch ein unreines und träges Leben die Schuld, daß Viele keine Gnadengabe empfingen; manchmal wurde auch Denen keine zu Theil, welche ein schönes und reines Leben führten. Warum? Damit sie nicht stolz, nicht eingebildet, nicht lässiger würden, und damit die Aufgeblasenheit nicht die Oberhand gewänne. Denn wenn auch ohne Gnadengabe das alleinige Bewußtsein eines unbefleckten Lebens aufblähen kann, um wie viel mehr kann so Etwas stattfinden, wenn auch noch die Gnade dazu kommt. Daher wurde sie auch mehr den Demüthigen und Einfältigen gegeben, ja meistens den Einfältigen; denn „in Einfalt,“ heißt es, „und mit Freude des Herzens.“53 So empfingen sie von Paulus eine größere Anregung und, falls sie lässiger waren, einen heilsamen Schmerz. Denn der Demüthige, und der von sich selber keine hohe Einbildung hat, gewinnt größeren Eifer, sobald ihm eine Gnadengabe zu Theil wird, da er sie unverdient empfängt und nicht daran denkt, daß er derselben würdig sei. Wer aber etwas Erhebliches gethan zu haben vermeint, glaubt, die Sache gebühre ihm, und bläht sich auf. Darum übt Gott hierin eine heilsame Verwaltung. Dasselbe kann man auch in der Kirche wahrnehmen. Denn der Eine besitzt die Lehrgabe, der Andere ist nicht im Stande, auch nur den Mund aufzuthun. Niemand versinke darum in Trauer, denn „Jedem wird gegeben die Offenbarung des Geistes zum Frommen.“54 Denn wenn schon ein Hausherr weiß. wem er irgend Etwas anvertraut, um wie viel mehr Gott, der den Sinn der Menschen kennt und Alles anschaut, ehevor es geschieht. Nur Eines ist der Trauer werth, nämlich die Sünde, sonst aber Nichts. Sage nicht: Warum habe ich keine Reichthümer? Oder: Wenn ich solche hatte, würde ich sie unter die Armen vertheilen. Du weißt nicht, ob du, wenn du sie hättest, nicht noch habsüchtiger sein würdest. Jetzt zwar sprichst du so; solltest du aber die Probe bestehen, dürftest du anders gesinnt sein. Wenn wir gesättiget sind, glauben wir, leicht fasten zu können; aber nach Verlauf einer ganz kurzen Zeit beschleichen uns andere Gedanken. Wiederum, wenn wir frei sind von Trunkenheit, glauben wir diese Leidenschaft beherrschen zu können; wenn sie uns aber überwältiget hat, ist es anders. Sage nicht: Warum habe ich nicht die Lehrgabe empfangen? Oder: Wenn ich sie hätte, würde ich Unzählige erbauen. Du weißt nicht, wenn du sie hättest, ob sie dir nicht zum Gerichte sein würde, ob nicht Neid, ob nicht Trägheit dich dahin bringen würden, das Talent zu vergraben. Nun aber bist du von all Diesem frei und mußt, wenn du auch das Vollmaaß nicht beibringen kannst, darüber nicht Rechenschaft geben; widrigenfalls würde dich eine ungeheuere Schuldenlast drücken. Übrigens bist du auch jetzt nicht ohne Gnadengabe. Zeige im Kleinen, wie du dich verhalten würdest, wenn du jene besäßest. „Denn wenn ihr,“ heißt es, „im Kleinen nicht treu waret, wie wird euch Jemand Großes übergeben?“55 Erweise dich wie jene Wittwe; diese hatte nämlich nur zwei Obole, und Alles, was sie besaß, warf sie in den Opferkasten. - Du suchst Reichthümer? Zeige, daß du das Wenige verachtest, damit ich dir Vieles anvertrauen kann. Wenn du aber im Kleinen diese Verachtung nicht zeigst, so wirst du viel weniger im Großen es thun. Zeige ferner den pflichtgemäßen Gebrauch deiner Worte dadurch, daß du Aufmunterung und guten Rath ertheilest! Du kannst nicht als Redner öffentlich auftreten? Bist du nicht im Besitze reicher Kenntnisse? Nun, so weißt du doch, was die meisten Menschen wissen. Du hast einen Sohn, einen Nachbar, einen Freund, einen Bruder, du hast Hausgenossen: wenn du nun auch öffentlich in der Versammlung keinen großen Vortrag zu halten vermagst, so kannst du Diesen doch im Privatkreise manch heilsame Ermahnung ertheilen. Hier brauchst du keine Redekunst zu entfalten, auch dich nicht weit zu verbreiten; an Diesen beweise deine treue Sorgfalt, die du entwickeln würdest, wäre dir die Gabe der Rede verliehen. Bist du aber im Kleinen nicht eifrig, wie soll ich dir im Großen vertrauen? Weil Dieß aber ein Jeder vermag, so höre, wie Paulus auch den Laien Solches befiehlt! „Erbauet,“ sagt er, „Einer den Andern, so wie ihr auch thut;“56 und: „So tröstet denn einander mit diesen Worten!“57 Gott weiß, wie er einem Jeden zutheilt. Bist du besser als Moses? Höre, wie er zagend klagt: „Kann ich denn,“ sagt er, „sie tragen, daß du zu mir sagst: Trage sie, wie eine Amme ihre Kindlein zu tragen pflegt?“58 Was that aber Gott? Er nahm von seinem Geiste und gab den Andern, wodurch er zeigte, daß die Gnadengabe, als er sie selber trug, nicht aus ihm, sondern aus dem heiligen Geiste stammte. Hättest du die Gnadengabe gehabt, wärest du vielleicht oft hochmüthig geworden und oft auf böse Wege gerathen. Fragen wir nicht: Wozu Das? Warum Dieses? Wenn Gott waltet, dürfen wir ihn nicht zur Rechenschaft ziehen; Das wäre der größte Frevel, der schrecklichste Wahnsinn. Wir sind Knechte, und zwar Knechte, die weit unter dem Herrn stehen, und die wir nicht einmal begreifen, was uns zunächst liegt. Grübeln wir also nicht über Gottes Rathschluß, sondern wir sollen, was er uns verliehen, treu bewahren, und wäre es auch eine geringe, ja die allergeringste Gabe, und wir werden gewiß glücklich sein, um so mehr, da keine der göttlichen Gaben gering ist. Schmerzt es dich, daß du nicht im Besitze der Lehrgabe bist? Sage mir aber: Was scheint dir größer zu sein, die Lehrgabe oder die Gabe der Heilungen? Sicherlich diese. Ist aber in deinen Augen die Macht, Blinde sehend zu machen und Todte zu erwecken, nicht noch höher als die Kraft, Krankheiten zu vertreiben? Aber sage mir nun: Ist es nicht noch mehr, Dieß durch Schatten und Schweißtücher als durch den Gebrauch des Wortes zu thun? Willst du nun, sprich es nur aus, durch Schatten und Schweißtücher Todte erwecken oder die Lehrgabe besitzen? Ich möchte, wirst du sicherlich sagen, durch Schatten und Schweißtücher Todte erwecken.


VI.

Wenn ich dir nun zeige, daß es noch eine andere, größere Gnadengabe gibt, und daß es dir gegönnt ist, dieselbe zu empfangen, und wenn du derselben nicht theilhaftig wirst, du mit Recht ihrer beraubt bist, was wirst du dazu sagen? Zudem ist diese Gnadengabe nicht für den Einen oder den Andern, sondern Alle können dieselbe erlangen. Ich weiß, daß ihr staunt und die Fassung verliert, wenn ihr hören sollt, daß ihr eine noch größere Gnadengabe haben könnt, als Todte zu erwecken und Blinde sehend zu machen, und daß es euch möglich ist, jene Dinge zu vollbringen, die zur Zeit der Apostel geschahen. Und vielleicht kommt euch Das unglaublich vor. Was ist denn das für eine Gnadengabe? Die Liebe. Glaubet mir nur; denn es ist nicht mein, sondern Christi Wort, der durch Paulus spricht. Was sagt er denn? „Strebet an die besseren Gnadengaben; und einen noch vortrefflicheren Weg zeige ich euch.“59 Was heißt Das: „einen noch vortrefflicheren Weg“? Es will Dieß sagen: Die Korinther waren stolz auf die damaligen Gnadengaben, und welche die Sprachengabe, die doch die geringste ist, besaßen, sahen hochmüthig auf die Andern herab. Er sagt nun: Wollt ihr überhaupt Gnadengaben? Ich zeig’ euch den Weg zu denselben, nicht nur einen hervorragenden, sondern einen ganz vortrefflichen. Sodann sagt er: „Wenn ich in den Zungen der Engel rede, Liebe aber nicht habe, bin ich Nichts; und wenn ich einen Glauben habe, daß ich Berge versetze, Liebe aber nicht habe, bin ich Nichts.“60 Siehst du da eine Gnadengabe? Um diese bewirb dich; diese ist größer als die Auferweckung der Todten; diese ist weit vorzüglicher als alle anderen. Und daß sich Dieß also verhalte, höre, was Christus sagt, da er zu den Jüngern spricht: „Daran werden Alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr euch einander liebet.“61 Also nicht Wunder gibt er als Kennzeichen an, sondern was? Wenn ihr euch einander liebet. Und wieder spricht er zum Vater: „Hierin werden sie erkennen, daß du mich gesandt hast, wenn sie Eins sind.“62 Auch zu den Jüngern sprach er: „Ein neues Gebot gebe ich euch, daß ihr einander liebet.“63 Ein Solcher hat eine höhere Würde und einen größeren Glanz als Todtenerwecker, und mit Recht; denn Dieses ist ganz das Werk der göttlichen Gnade, Jenes aber eine Frucht des eigenen Eifers; Dieß ist in Wahrheit das Werk eines Christen; Dieß läßt den Jünger Christi erkennen, welcher der Welt gekreuziget ist und mit ihr Nichts gemein hat; ohne Dieses kann auch das Blutzeugniß Nichts nützen. Und damit du dich davon überzeugest, erwäge das Folgende wohl. Der heilige Paulus nimmt zwei oder vielmehr drei Tugendhöhen an, nämlich die der Wunderzeichen, die der Erkenntniß und die des Wandels, und erklärt, daß die ersteren ohne den letzteren keinen Werth haben. Wie diese aber ohne Werth sind, will ich sagen. „Wenn ich all meine Habe,“ heißt es, „zur Speise (der Armen) vertheile, die Liebe aber nicht habe, so frommt es mir Nichts.“64 Denn es kann ja sein, daß auch Jemand, der sein Vermögen zur Speisung (der Armen) vertheilt, der Liebe entbehrt und seine Güter verschwendet. Das ist hinlänglich besprochen worden, wo von der Liebe die Rede ging, und wir verweisen darauf zurück. Beeifern wir uns indeß, wie ich schon sagte, um diese Gnadengabe; lieben wir einander, und wir werden eines Weiteren gar nicht bedürfen, um in der Tugend voranzuschreiten, sondern Alles wird uns leicht, ohne Schweißverlust, von Statten gehen, und wir werden Alles mit vielem Eifer glücklich vollbringen. Aber siehe, heißt es, wir lieben uns ja schon einander; denn Dieser hat zwei oder drei Freunde, Jener aber vier. Das heißt aber nicht (Jemanden) wegen Gott lieben, sondern um Gegenliebe zu finden: die Liebe wegen Gott hat nicht diesen Ursprung; wer aber diese besitzt, liebt alle Glaubensgenossen wie wirkliche Brüder, die Irrgläubigen aber und die Heiden und die Juden wie natürliche Brüder, und insoferne dieselben böse und verkommen sind, wird er ihretwegen von Mitleid, von Schmerz und Thränen verzehrt. Dadurch werden wir Gott ähnlich werden, wenn wir Alle, auch die Feinde, lieben, nicht wenn wir Wunderzeichen vollbringen. Denn wir staunen zwar über Gott ob seiner Wunderwerke, aber vielmehr noch, weil er menschenfreundlich und langmüthig ist. Wenn also Das auch in Bezug auf Gott so staunenswerth ist, so leuchtet es in Bezug auf die Menschen noch mehr ein, daß Dieß uns der Bewunderung werth macht. Das sei also das Ziel unseres Eifers, und Petrus und Paulus und Jene, die zahllose Todte zum Leben erweckten, werden nicht größer sein als wir, wenn wir auch kein Fieber zu vertreiben vermögen; ohne jene Liebe aber, wenn wir größere Wunder als selbst die Apostel gewirkt, und wenn wir uns zahllosen Gefahren des Glaubens wegen ausgesetzt hätten, würden wir keinen Nutzen haben. Und Dieses sage nicht ich, sondern er selbst, der Spender der Liebe,65 weiß Dieses; ihm also wollen wir folgen. Auf diese Weise werden wir die verheissenen Güter erlangen, deren wir alle theilhaftig werden mögen durch die Gnade und Menschenfreundlichkeit unseres Herrn Jesus Christus, welchem mit dem Vater und dem heiligen Geiste sei Ruhm, Macht und Ehre jetzt und alle Zeit und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Homilien über den Brief an die Hebräer

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