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1.2. Die Kloake Sao Paulo und der Saustall in Berlin

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Sao Paulo im Osten Brasiliens ist eine der größten Städte der Welt. 26 Millionen Menschen leben in dieser Stadt. Wie keine andere in der Region hat sie die verarmte Bevölkerung des Landes angezogen. Viele, sehr viele, haben in ihren überdimensionalen Fabriken Arbeit gefunden. Volkswagen, GM, Bosch und andere Weltkonzerne haben sich hier angesiedelt und produzieren für den Weltmarkt. Man sagt, in Sao Paulo gibt es mehr deutsche Firmenniederlassungen als in irgendeiner deutschen Stadt.

Sao Paulo ist riesig. Das Leben hier pulsiert Tag und Nacht. Die Straßen ersticken an dem niemals endenden Verkehr. Drei Stunden brauche er für die sieben Kilometer von seinem Haus bis zur Arbeitsstelle, berichtet mir ein Mitarbeiter der Brasilianischen Bibelgesellschaft. „Bei uns gibt es immer Stau“, fügt er traurig und müde hinzu. Sicher auch, weil es keinen vernünftigen öffentlichen Nahverkehr gibt. Die städtischen Verkehrsbetriebe scheinen den Kampf gegen das Wachstum dieser Metropole längst aufgegeben zu haben. Genauso, wie die Stadtväter den Kampf gegen die Luftverschmutzung aufgegeben haben. Überall stinkt es nach Abgasen und dem längst toten Wasser des einmal so stolzen Rio Tietê. Die Einheimischen nennen ihn fast schon liebevoll „unsere Kloake“. Das Wasser im Fluss ist dunkelgrau, an manchen Stellen fast schwarz. Was da alles mitschwimmt! Sowohl die Industrie als auch private Haushalte lassen ihre Kanalisation hier abfließen.

„Unsere Kloake“ wurde für mich, je länger ich in Sao Paulo blieb, zum Symbol der Stadt überhaupt. Ähnlich wie dem Wasser dieses Flusses, das ursprünglich aus einer sauberen Quelle in Salesópolis in der Serra do Mar stammt und das verschmutzt und ohne Leben ist, wenn es die Stadt durchfließt, ergeht es auch Millionen der Einwohner dieser Stadt. Sie kamen vom Land. Sie suchten Arbeit, Broterwerb, eine sichere Existenz. Gefunden haben viele von ihnen noch größere Armut, ärmliche Behausungen in den Favelas, den Armenvierteln, in denen das Leben gezeichnet ist von Krankheiten, Drogen und Kriminalität. „Du kommst aus diesem Zustand nur durch ein Wunder heraus“, erzählte mir Frederico, ein junger Mann, der seit Jahren auf der Straße lebt. „Auch wenn du es willst, da gibt es kaum ein Entrinnen. Diese Stadt lässt dich aus ihrem Rachen nicht mehr frei, wenn sie dich einmal hat.“

Leben gesucht – Tod gefunden. So kann man heute das Leben großer Massen von Menschen, die in die rapide wachsenden Städte der Welt geflohen sind, beschreiben. Sie ähneln sich alle. Ob Hanoi, Johannesburg, Moskau, Nairobi, Bangkok, Mexiko-City, New York oder eben Sao Paulo. Lebensflüsse, die durch sie fließen, werden erstickt und zu Kloaken. Sie sind Orte der Sehnsucht für Millionen und werden zu Orten der Verzweiflung für die meisten von ihnen.

Unsere deutschen Metropolen heißen Berlin, München, Hamburg, Düsseldorf, Köln oder auch das Ruhrgebiet mit Dortmund, Bochum, Essen, Oberhausen und Duisburg. Berlin ist unsere „Hauptstadt der Armut“, wie sie der Berliner Kurier genannt hat.13 Jeder fünfte Berliner lebt unter der Armutsgrenze.14 Entsprechend problematisch entwickeln sich bestimmte Bezirke der Stadt. Längst spricht man von Slums. Im Stadtteil Kreuzberg zum Beispiel. Ein Kurier-Reporter spricht gar vom „Saustall Kreuzberg“. Er schreibt:

„Zwischen Müll und Dreck, zwischen Spree und Schlesischer Straße: Hinter zuplakatierten Bauzäunen wächst ein wahrer Slum, in dem Lebensbedingungen wie in Armenvierteln von Bombay herrschen. Oder in Favelas brasilianischer Mega-Städte. Es sind etwa 30 Bretterbuden, Wellblechhütten und Zelte – zusammengeschustert zu einer kleinen Stadt. Mitten in Berlin. In Deutschland.“15


Foto: Sabeth Stickforth16

Wie in den meisten Städten dieser Welt ist auch das Berliner Problem verursacht von den in die Stadt strömenden Massen an Einwanderern. Auch hier suchen Menschen besseres Leben, Arbeit, sicheres Einkommen. Leider finden viele statt sozialem Aufstieg nur einen Platz in der Gosse.

Sicher, in Deutschland sind es noch nicht die Massen. Hier wachsen die Städte auch, weil Menschen der Faszination der Stadt mit ihrem bunten und breiten Angebot an Bildung, Kultur, Lebensfreude und Ähnlichem erliegen. Es ist eben „cool“, in der Stadt zu leben, sagen mir junge Leute. Und viele finden, was sie suchen. Aber die Schere zwischen denen, die sich in der Stadt finden, und denen, die von der Stadt „geschluckt“ werden, geht immer weiter auseinander.

Gottes Herz für deine Stadt

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