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„Blutopfer“, Illegalität und erste Ehe
ОглавлениеDie Machtergreifung Hitlers in Deutschland am 30. Jänner 1933 löst unter seinen Anhängern in Österreich enorme Euphorie aus. Ungeduldig drängen sie, die so ganz „deutsch“ fühlten, auf den „Anschluss“ und die sehnsüchtig erwartete „Heimkehr ins Reich“; entschlossen verstärken sie ihre Aktivitäten. Göth, jetzt 24 Jahre alt, ist mit ganzem Herzen bei der Sache. Im Mai 1933 wird er zum SS-Scharführer befördert. Kryptisch äußert er sich in seinem später verfassten „Lebenslauf“ über die damalige Tätigkeit: „Nach dem Parteiverbot erhielt ich vom damaligen Führer der 52 SS Stand. den Auftrag im Rahmen der 52 SS Stand. die notwendigen Maßnahmen zu organisieren. In Ausübung dieses Auftrags musste ich im Juli 1933, da ich von den öst. Behörden wegen Sprengstoff– verbrechens gesucht wurde, ins Reich flüchten.“
Während einer „Dienstfahrt“ mit der SS-Standarte 11 hat Göth bei Drosendorf im Waldviertel einen Unfall und wird schwer verletzt. In einem Fragebogen zur „Erhebung zwecks Vorprüfung der Anwartschaft für die Zuteilung eines Antragscheines zum Erwerb des Blutordens“, datiert mit 19. Februar 1939, gibt Göth die näheren Umstände dieses Unfalls an: „Absturz des Wagens, 2 Tote und 28 Schwerverletzte blieben unter dem Wagen. Bei den Bergungsarbeiten, obwohl schwer verletzt, stürzte ich nochmals und zog mir weitere schwere Verletzungen zu.“ Obwohl Verletzungen aus einem Unfall keine Anwartschaft auf Verleihung des Blutordens begründen, wird ihm daraufhin ein Antragschein zugeteilt – der Beginn eines bürokratischen Hürdenlaufes durch die Parteistellen, der letztlich erfolglos bleiben sollte.
Im Sommer 1933, wohl Ende Juli, Anfang August, nach den Sprengstoffanschlägen der Nazis in Krems und dem daraufhin ausgesprochenen Verbot der NSDAP und ihrer Organisationen, flüchtet Göth nach München. Die österreichischen Behörden haben ihn zur Fahndung ausgeschrieben: „Privatbeamter“ nennt ihn das Zentralpolizeiblatt vom 19. Juli 1933 und erwähnt als besondere Kennzeichen einen „kleinen englischen Schnurrbart“, eine Rissnarbe im Gesicht – wohl vom Unfall in Drosendorf – und seinen „lässigen Gang“. Nach Göth wird gesucht, weil man in ihm einen der Hintermänner der Sprengstoffattentate im Frühsommer 1933 vermutet. Man weiß, dass er Führer der „Motorstaffel der SS Niederösterreich“ ist und in der Mollardgasse 34 gemeldet war.
In München findet Göth Unterschlupf bei einem gewissen Josef Stehberger in Neubiberg, Wotanstraße 7. Stehberger ist Doggenzüchter und freundet sich mit dem jungen, aufgeweckten Nazi aus Österreich rasch an. Hier findet man für ihn eine neue Aufgabe: den Schmuggel von „Sende-Geräten“ nach Österreich, anschließend ist er als Kurier im Einsatz, wird aber bereits im Oktober 1933 von der österreichischen Polizei gestellt und in Haft genommen. Aus Mangel an Beweisen gegen ihn lässt man ihn zu Weihnachten 1933 wieder laufen.
Das gefährliche Treiben ihres Sohnes ist den Eltern inzwischen nicht mehr ganz geheuer. Um ihn auf andere Gedanken zu bringen, verfallen sie auf eine etwas unkonventionelle Idee. Sie präsentieren ihm eine junge Frau, die bereit ist ihn zu heiraten: Olga Janauschek, von Beruf Bankbeamtin, geboren am 17. Jänner 1905 in Wien, also beinahe vier Jahre älter als er. Mony nimmt diesen Vorschlag erstaunlich gelassen zur Kenntnis und willigt ein. So beginnen, als er im Dezember 1933 nach Hause kommt, die Hochzeitsvorbereitungen; die Eltern sorgen für ein großes Fest: Am 7. Jänner 1934 heiraten in der Karlskirche Mony und Olga Leopoldine Janauschek. Trauzeugen sind die Väter Amon Franz Göth und der 1878 in Graz geborene „Lohnfuhrwerker“ und Autobusunternehmer Rudolf Janauschek aus Waidhofen an der Thaya.
Göth hat seinen Eltern nachgegeben; rasch zeigt sich aber, dass er sich mit Olga nicht versteht. Dazu kommt, dass es ihn wieder zu seinen Kameraden bei der SS zieht – von einer harmonischen Partnerschaft kann also keine Rede sein; bald steht die Scheidung zur Diskussion. Das Frühjahr 1936 wird zur kritischen Phase, dies umso mehr, als am 5. März 1936 Mutter Bertha Göth an Brustkrebs stirbt. Für Vater und Sohn Göth ist das ein schwerer Schlag – beide sind nun gefordert: Es gilt den persönlichen Verlust zu verarbeiten und es gilt den Verlag und die Buchhandelsgeschäfte weiterhin wirtschaftlich erfolgreich zu führen. Mony zeigt Entschlossenheit und will dem Vater demonstrieren, wie man das Bücherverkaufen richtig anpackt: Mit den neu erschienenen Bücher unter dem Arm marschiert er in Cafés und Bars, wo er sie vom Tisch weg an Gäste verhökert. Eine kleine Anekdote aus diesen Tagen weiß Tochter Monika zu erzählen: Göth sitzt wieder einmal im Kaffeehaus und will Bücher verkaufen. Da kommt er mit einer attraktiven rothaarigen Dame ins Gespräch, beide unterhalten sich bestens – bis ihm ein Freund an die Schulter tippt und zuflüstert, dass die Frau Jüdin sei. Göth dreht sich sofort wortlos um und lässt die Frau einfach stehen – mit Juden darf er nicht verkehren.
Ein charmanter Wiener Gentleman mit besten Manieren: Amon Göth in den dreißiger Jahren
Am 6. Juli 1936 wird am Amtsgericht Margareten ein „Versöhnungsversuch“ unternommen. Der Versuch bleibt „fruchtlos“; beide Ehepartner akzeptieren, dass für 15. Juli neuerlich eine Tagsatzung im Bezirksgericht Margareten anberaumt wird, bei der die Scheidung ausgesprochen werden soll. Vor Ort ist auch ein zu diesem Zeitpunkt noch wenig bekannter Jurist namens Arthur Seyß-Inquart, er hat die Rechtsvertretung von Olga Göth übernommen. Interessant ein Vermerk im Protokoll zu diesem Versöhnungsversuch: In der Rubrik „Beruf“ hat man zu Göth „Autohändler“ vermerkt, bei Religion steht das vertraute „rk.“ Als Adresse wird die Schelleingasse 12 im IV. Bezirk genannt – unter dieser Adresse war Göth jedoch nie offiziell gemeldet; als Wohnsitz nennt das Wiener Melderegister für die Zeit vom 25. Jänner bis zum 3. Oktober 1936 die Kettenbrückengasse 18.
Am 15. Juli 1936 erfolgt die Scheidung von „Tisch und Bett“ von Olga Janauschek, die später einen Anton Wreßnig heiraten und 1943 nach Leoben in der Steiermark übersiedeln wird. Rechtskräftig wird der Beschluss des Amtsgerichts erst am 17. September 1938, also nach dem „Anschluss“. Wohl auf Drängen der Eltern hat Göth auch eine kirchliche Scheidung beantragt; nun macht er vermutlich geltend, keinen ausreichenden „Ehewillen“ besessen zu haben. Mit Urteil des Erzbischöflichen Diözesangerichtes vom 12. Dezember 1940, Zahl 2886/54, wird die Ehe „im Sinne des Can. 1086, § 2 CIC defectus consensus im kirchlichen Bereich für ungültig erklärt“; am 12. September 1941 bestätigt schließlich auch das Metropolitangericht Salzburg diesen Spruch mit der Begründung: „Can. 1987 kommt zur Anwendung.“
Das Verkaufen von Büchern bietet wenig Abenteuerliches und so macht sich Göth bald wieder auf den Weg nach Westen, auf in Richtung „Drittes Reich“. Am 3. Oktober 1936 meldet er sich von der Kettenbrückengasse 18 nach „Vorarlberg“ ab und bleibt unbekannten Aufenthalts. Im Sommer 1937 taucht er in München bei seinem alten Kameraden Stehberger auf, die Meldekarte im Stadtarchiv München, datiert vom 16. Juli 1937, nennt als Aufenthaltszweck „beruflich“; tatsächlich scheint er wieder als SS-Funktionär aktiv zu sein, denn erstmals bekommt er nun Probleme mit einem Vorgesetzten von der SS: SS-Oberführer Alfred Bigler, Chef des SS-Abschnitts VIII Linz, stellt ihn auf Grund „ernster Differenzen“, wie Göth in seinem „Lebenslauf“ einräumt, sogar außer Dienst. Bigler, um zehn Jahre alter als Göth, verlässt die SS auf eigenen Antrag mit Ende Oktober 1936; Göths Beschwerden, die er gegen seine Entlassung einbringt, sind damit gegenstandslos.