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IM INNEREN KREIS DER MÖRDER
ОглавлениеIm Juli 1939 wird dem Ehepaar Göth Sohn Peter geboren, das Glück der jungen Familie scheint vollkommen. Dann folgt am Abend des 9. Februars 1940 der tiefe Fall: Anny und Mony sind an diesem verhängnisvollen Tag für einige Stunden weg, als sie zurückkommen, ist Peter bereits tot – hilflos erstickt an den Folgen einer Diphtherie-Infektion.
Am 5. März 1940, knapp einen Monat nach dem tragischen Tod seines Sohnes, meldet sich Göth, der seit 1938 der in Wien stationierten 11. SS-Standarte „Planetta“ angehört, bei der Wiener Ergänzungsstelle der Waffen-SS zum Dienst; wenige Tage später, am 9. März 1940, verlässt Göth seine Familie und geht ins oberschlesische Industriegebiet, das die Nazis nach der Eroberung Polens dem „Reich“ eingegliedert haben. Er rückt ein zu einem Sonderkommando des Reichsführer-SS, und zwar wird er Verwaltungsführer in Kattowitz bei der „Einsatzführung Ost Oberschlesien“; in der Friedrichstraße 20 bezieht er privat ein Zimmer. Sein erster Dienstort ist jedoch Teschen (Ciezsyń) an der polnisch-tschechischen Grenze, eine Stadt, in der 22 Jahre nach dem Untergang der Habsburgermonarchie die Welt des Doppeladlers noch immer gegenwärtig ist. Sein Vorgesetzter in Teschen ist SS-Obersturmbannführer Franz Weilguny; die Aufgaben sind vorerst wenig spektakulär – so stellt es Göth zumindest in seiner Aussage vor dem Krakauer Untersuchungsrichter dar: Er sei mit der „Registrierung“ von Pferden und anderen Tieren beschäftigt gewesen.
Amon Leopold Göth ist nunmehr ein Auserkorener in der schwarzen Uniform mit dem Totenkopf, ein Gefolgsmann des Rassenmystikers Heinrich Himmler, in dessen Auftrag er an der Errichtung der „Neuen Ordnung“ Europas mitwirkt. „Volkstumsarbeit“ nennen die Nazis ihren wahnwitzigen Bestrebungen, Menschen kreuz und quer durch Europa zu verschieben, und die Umsiedlung der „Volksdeutschen“ ist sein erstes Arbeitsgebiet, seine Anlaufstelle das Büro der „Volksdeutschen Mittelstelle“ in Kattowitz. Diese Parteidienststelle der NSDAP, gegründet 1935, wird von Himmlers SS systematisch unterwandert; der Reichsführer-SS will seine Hände im Spiel haben, wenn es um das Schicksal der so genannten „Volksdeutschen“ geht. Geleitet wird die kurz „Vomi“ genannte Institution seit 1937 von SS-Obergruppenführer Werner Lorenz, dem Sohn eines pommerschen Gutsbesitzers, der dafür Sorge trägt, dass auch Wiener SS-Männer in den „Sonderkommandos“ arbeiten.
Mony bringt die besten Voraussetzungen für eine steile, erfolgreiche Karriere in der SS mit: Er verkörpert den Typus des jungen, intelligenten, sportlichen „Machers“, er ist ehrgeizig bis zur Selbstaufgabe, aggressiv und skrupellos, wenn es um die Erreichung eines Ziels geht. Er ist ein hervorragender Organisator, bereit, die alte Welt zu zerstören, um eine neue zu erschaffen. Er fühlt sich als „Revolutionär“ und Auserwählter vor der Geschichte, dem es beschieden ist, mitzuwirken an der Errichtung dieser neuen Ordnung. Und er ist bereit die alten Werte seiner katholischen Kindheit dafür hinzuwerfen. Er ist bereit zu töten. Nicht, weil er die Juden, Polen oder „Zigeuner“ so abgrundtief hasst, sondern weil das Töten in der Welt der SS-Männerelite an sich zu einem neuen Wert geworden ist: Wer nicht „hart“ genug ist, um zu töten, kann im Kreis der Kameraden keine Führungsaufgaben übernehmen. Mony zeigt es allen: Auch ein Wiener Gentleman hat diese Härte, ja, er übertrumpft alle!
Am 10. September 1940 kommt Göth aus Teschen für einige Tage nach Wien; der SS-Scharführer zieht es merkwürdigerweise vor, nicht bei der Familie zu wohnen, und steigt im Palace Hotel in der Mariahilfer Straße 99, unweit des Verlages, ab. Bereits am 15. September verlässt er das Palace wieder und kehrt zurück nach Teschen; wenig später wird er der Grenzstadt für immer den Rücken kehren und nach Kattowitz in die Zentrale der Vomi gehen. Das SS-Personalhauptamt würdigt seine Verdienste: Im Jänner 1941 avanciert er zum SS-Oberscharführer.
Bereits bei seinem Wien-Aufenthalt im September muss er es gewusst haben: Seine Frau ist wieder schwanger; am 30. März 1941 wird Tochter Ingeborg geboren. Als ihm Anny telegrafiert: „Es ist ein Mädchen geworden“, telegrafiert Göth, der sich einen Sohn gewünscht hat, zurück: „Bitte telegrafiere, was es wirklich geworden ist.“ Anny antwortet: „Es ist wirklich ein Mädchen geworden!“ Später, als er Ingeborg bei einem Aufenthalt in Wien das erste Mal sieht, verliebt er sich in sie und bringt ein lebensgroßes Foto von ihr nach Płaszów.
Im „Umsiedlungskommando“ der „Volksdeutschen Mittelstelle“ in Kattowitz ist Göth Kassenverwalter; sein Arbeitsbereich ist die Eingliederung von Russlanddeutschen. Eines Tages trifft er einen alten Bekannten aus der illegalen Zeit wieder: den ehemaligen Ringer Franz Grün, von dessen sportlichen Fähigkeiten er sich bald am eigenen Leib überzeugen kann. Als er dem breitschultrigen, athletischen Grün eines Tages am Korridor zum Spaß das „Haxel stellt“, revanchiert sich dieser mit einem gekonnt ausgeführten Schulterwurf, der Göth prompt unsanft zu Boden streckt. Das werde er ihm, Grün, nie vergessen, erklärt er danach wütend, er werde dafür sorgen, dass er diese Aktion büßen müsse – noch ahnt er nicht, dass er dazu tatsächlich bald Gelegenheit haben wird.
Ein Blick auf die nicht untypische NS-„Karriere“ Franz Grüns lohnt sich: Geboren in Wien am 5. Oktober 1902 als Sohn eines Metallgießermeisters in der Gumpendorfer Straße 104, arbeitet er bis 1933 in Wien als Bäckergehilfe und ist dann bis 1937 ständig arbeitslos. 1929/30 ist er Mitglied des Steirischen Heimatschutzes Wien, am 24. März 1931 tritt er der Ortsgruppe Wien-Mariahilf der NSDAP als Mitglied (Mitgliedsnummer 442.388) und im August 1931 dem SS-Sturm 2/II/11 bei. Er erhält die SS-Nr. 14863. Bis zum Verbot der NSDAP beschäftigt er sich nach eigener Darstellung „legal in der Propaganda“, danach „im Rahmen der Schutzstaffel mit Werben von Mitgliedern und überhaupt im Sinne der NSDAP“. Den Höhepunkt seiner Karriere als Sportringer erlebt er 1927/28 im pfälzischen Pirmasens beim Athleten-Klub Herkules; beschäftigt ist er in dieser Zeit bei der örtlichen Konsumbäckerei und hier in Pirmasens lernte er auch seine spätere Frau Anna Maria, geborene Selbig, kennen, die er 1932 heiratet.
Der handgeschriebene Lebenslauf Göths für das SS-Personalhauptamt:
Von einem Studium der „Landwirtschaft“ ist keine Rede mehr.
Für das Ehepaar Grün, das zusammen mit dem 1933 geborenen Sohn Franz ein Leben am Rande des Existenzminimums fristet, werden die Nazis zur einzigen Hoffnung. In Wien müssen sie bei den Eltern von Franz leben, da das Wohnungsamt alle Anträge auf eine eigene Wohnung abweist. Es gibt keine Verdienstmöglichkeiten, dazu kommt, dass die politische Gesinnung Franz Grüns inzwischen polizeibekannt ist und immer wieder Hausdurchsuchungen stattfinden. Schließlich richtet die verzweifelte Anna Maria Grün ohne Wissen ihres Mannes ein Schreiben direkt an Hitler, in dem sie den „Führer“ um die Erlaubnis zur Übersiedlung nach Pirmasens bittet. Und die Beamten des Reichskanzlers enttäuschen sie nicht: Im Februar 1937 wird die Einreisegenehmigumg ausgesprochen; das NSDAP-Flüchtlingshilfswerk nimmt sich der Familie, die zunächst im Hilfswerklager Kreuz-Pullenbach untergebracht wird, großzügig an: Man gewährt ein Einrichtungsdarlehen in der Höhe von 600,– Reichsmark, anlässlich der Geburt von Tochter Anna Beatrix 1938 erlässt man ihm die Restschuld. Grün selbst kommt in das SS-Lager Ranis. Da gibt es bald auch die erste obligate „Beurteilung“ Grüns durch den Lagerleiter: Dieser sei „zwar im Wesen etwas schwerfälllig und nicht mit großen Geistesgaben gesegnet, dafür aber nicht minder zuverlässig und willig. Benehmen und Führung einwandfrei.“
Dann kommt der „Anschluss“ und da will auch Franz Grün nicht fehlen, wenn es darum geht, als „alter Kämpfer“ für die Entbehrungen der „Systemzeit“ entschädigt zu werden: Im Juli übersiedeln die Grüns zurück nach Wien, man findet eine Wohnung in der Gumpendorfer Straße 87; das NSDAP-Flüchtlingshilfswerk zeigt sich ein letztes Mal spendabel und übernimmt die Speditionskosten. Franz Grüns Leben bekommt nun Sinn und Richtung und er ist entschlossen, diese einzige Chance zu nützen. Ein Fragebogen der Wiener Gauleitung zur politischen Beurteilung Grüns vom 26. Jänner 1939 nennt bereits jenen „Beruf“, der sein Schicksal werden wird: „SS Wache“.
Ein Mann wie SS-Scharführer Franz Grün, mit Oberlippenbart und Bürstenhaarschnitt seinem Idol Hitler nicht unähnlich, ist als Handlanger gut zu gebrauchen – Göth wird sich an ihn bald wieder erinnern.
Am 14. Juli 1941 stellt SS-Sturmbannführer Otto Winter, der „Führer“ der 11. SS-Standarte, für Göth ein „Dienstleistungszeugnis“ aus, die „Beurteilung“ lässt nichts zu wünschen übrig: „Der genannte ist charakterlich und weltanschaulich gefestigt, frei von jeder konfessionellen Bindung. In der Verbotszeit war Göth als Adjutant der 52. SS-Standarte tätig und hat sich dort große Verdienste erworben. Göth ist ein vorbildlicher SS-Kamerad und steht seit 1925 in der Bewegung und zwar von 1925 – 1926 in der HJ und 1929 bis 1930 in der SA. Seit 1930 in der Schutzstaffel.“ Und in einem „Personal-Bericht“ vom 10. Oktober 1941, unterzeichnet von Ernst Kaltenbrunner, damals noch „Führer des SS-Oberabschnittes Donau“, attestiert ihm derselbe Otto Winter, dass er ein „aufrechter Nationalsozialist & opferfreudiger & einsatzbereiter SS-Mann“ sei, „zum SS-Führer“ geeignet. Ein SS-Mann also, wie man ihn sich wünscht – auch das „rassische Gesamtbild“ stimmt: „fälisch-ostisch“ steht da, gepaart mit „mutiger, bestimmter Haltung“ und „umfassendem“ Wissen; es gebe keine besonderen Mängel und Schwächen. Das ist eine neuerliche Beförderung wert: Am 9. November 1941 avanciert Göth zum SS-Untersturmführer in der 11. SS-Standarte.
Die Personalakten Göths aus seinen beiden ersten Jahren im Dienste der SS zeigen das Bild eines ehrgeizigen, loyalen und ambitionierten Mannes. All dies ist jedoch nur Präludium zum großen Karrieresprung, der nun bevorsteht und dessen Hintergründe im Dunkeln liegen: Wer hat ihm den Weg nach Osten ins Generalgouvernement geebnet, ihn als Mitarbeiter angefordert? Haben hier persönliche Kontakte zu Männern aus dem Stab Odilo Globocniks oder seine Reputation als hervorragender „Organisator“ den Ausschlag gegeben?
Wie dem auch sei: Wohl schon im Frühjahr 1942 – der offizielle „Einstellungsvorgang“ erfolgt erst am 11. August 1942 – trifft Göth in Lublin ein, dem „weit nach Osten vorgeschobenen Posten der abendländischen Kultur“. Hier wohnt und arbeitet er in der Julius-Schreck-Kaserne, dem ehemaligen Stefan-Batory-Kolleg in der Pieradzkiegostraße 17, die als Hauptquartier für die Drahtzieher der Aktion Reinhardt dient. Er ist nun Mitglied im Stab von SS-Brigadeführer Globocnik, den die Männer nur „Globus“ nennen. Im Kreis dieser SS-Offiziere wird der Massenmord an den Juden im Generalgouvernement minutiös geplant und mit gnadenloser Härte „umgesetzt“.
Seine erste Aufgabe: der Ausbau des seit 1940 bestehenden Arbeitslagers in Budzyń, etwa 40 Kilometer südwestlich von Lublin bei Krasnik gelegen. Baracken für 2.000 Arbeiter sollen errichtet werden; gleich daneben baut man an einer Flugzeugfabrik der Heinkel-Werke. Im Oktober 1942 treffen nach und nach jüdische Arbeiter aus dem Ghetto in Końskowola ein; obwohl die Flugzeugfabrik noch nicht fertig ist, müssen sie dort Tragflächen reparieren bzw. neu produzieren.
Flugzeugpionier Ernst Heinkel, später als genialer Erfinder und Konstrukteur verklärt, nützt wie kein anderer deutscher Unternehmer die Möglichkeiten, die das System der Zwangsarbeiterlager ihm bietet. So betont er im Juni 1942 in einem Brief an Generalluftzeugmeister Erhard Milch, den Verantwortlichen für die Luftrüstung, die Vorteile eines Einsatzes von jüdischen Zwangsarbeitern: „Neue Arbeitskräfte sind im Generalgouvernement leichter zu beschaffen als an jedem anderen Ort im Altreich. Außer Polen können vor allem gute Arbeitskräfte aus der reichlich vorhandenen jüdischen Bevölkerung gewonnen werden.“
Wenig kümmert den Visionär Heinkel, wie die Rekrutierung dieser „leicht zu beschaffenden“ jüdischen Arbeiter tatsächlich erfolgt: Im Ghetto Końskowola, unweit von Puławy gelegen, wird trotz einer Ruhrepidemie, die hier wütet, gnadenlos „ausselektiert“: Jene, die zu schwach und zu krank sind, um am Marktplatz zur Selektion anzutreten, werden sofort erschossen, dann sucht man am Marktplatz die kräftigsten Männer aus, vor allem Facharbeiter. Frauen und Kinder sowie ältere Männer, etwa 800 bis 1000 Menschen, werden von Angehörigen des Polizeibataillons 101 in einen nahe gelegenen Wald geführt und dort ermordet. Auch von den zur Zwangsarbeit „ausselektierten“ Männern sind viele durch den Typhus extrem geschwächt, insgesamt etwa 100 Häftlinge brechen auf dem fünf Kilometer langen Weg zur Bahnstation zusammen und werden ebenfalls erschossen. 800 bis 900 Juden aus dem Ghetto von Końskowola erreichen das neue Lager in Budzyń. Im Distrikt Lublin haben Globocniks Männer bereits in der Nacht vom 16. zum 17. März 1942 mit der Räumung der kleineren Ghettos begonnen. Es sind blutige Menschenjagden, die nach erprobtem Schema ablaufen: Das Ghetto wird von SS, Schutzpolizei und ukrainischen, litauischen oder lettischen Hilfseinheiten umstellt, dann durchkämmen kleine Einsatztrupps die Häuser und treiben die Bewohner auf den Sammelplatz, alte und kranke Menschen sowie Kleinkinder werden meist sofort erschossen. Wer bei der folgenden „Selektion“ auf dem Sammelplatz eine gültige, gestempelte Arbeitskarte vorweisen kann, darf meist wieder gehen, die anderen werden in Güterwaggons verladen und in die Vernichtungslager transportiert. Mittendrin Amon Göth, dem bald leitende Funktionen übertragen werden. So organisiert er die „Selektionen“ im Ghetto Bełżyce, südwestlich von Lublin. Seit dem 16. Jahrhundert leben hier Juden; von 1795 bis 1809 war das Städtchen Bełżyce Teil des Habsburgerreichs; nun ist es ein Österreicher, der für die Juden des Orts zum Schicksal wird. An die 700 Juden sollen nach Majdanek deportiert werden. Etwa 500 Juden bestechen ihn und werden nicht in den sofortigen Tod geschickt, sondern „dürfen“ ins Zwangsarbeitslager Budzyń. Wie Mietek Pemper 1946 vor dem Untersuchungsrichter aussagt, soll die „Beute“ der SS in Bełżyce gewaltig gewesen sein: Mit Pelzen, gegerbten Fellen, Juwelen und anderen kostbaren Wertgegenständen habe sich Göth den Verzicht auf den „Transport“ nach Majdanek abkaufen lassen, irgendetwas sei dann aber „schiefgelaufen“, seine Unterschlagung ans Licht gekommen. Noch 1943 sei in der Angelegenheit korrespondiert worden. Die „Aktion“ in Bełżyce begründet jedenfalls seinen Ruf als korrupten SS-Offizier; spätestens jetzt muss er erkannt haben, welche „Geschäftsmöglichkeiten“ der Judenmord in sich birgt.
Wahnwitzige „Volkstumsarbeit“: Himmler begrüßt an der deutschen Grenze eine Kolonne von Rückwanderern.
Dieses „Mitarbeiterverzeichnis“ dokumentiert es: Göth ist im Stab Globocniks für den „Arbeitseinsatz“ zuständig.
Irgendwann in diesen Tagen macht Göth die Bekanntschaft mit SS-Oberscharführer Reinhold Feix, einem der grausamsten SS-Mörder, die im „Gangster-Gau“ ihr Unwesen treiben. 1942 ist Feix, ein Sudetendeutscher aus Neudorf in der Nähe von Gablonz und von Beruf Friseur, im Vernichtungslager Bełżec tätig; von Dezember 1942 bis August 1943 ist er Kommandant des Zwangsarbeiterlagers Budzyń; wie Mietek Pemper später bezeugt, unterhält Göth mit ihm auch in Płaszów noch eine intensive Korrespondenz. Vieles deutet darauf hin, dass er in der Umgebung von Feix auch das Töten „gelernt“ hat – es ist die gemeinsame Erfahrung des Judenmordes, die sie verbindet.
Jedenfalls muss Göths Talent als „Organisator“ von seinem Chef Globocnik bald anerkennend registriert worden sein, denn im Frühsommer 1942 stellt er seinem „Referenten ohne Verwendung“, wie wieder Pemper bezeugt hat, eine Bevollmächtigung zum Einkauf von Materialien in Ostrau und anderen mährischen Städten aus; der Hintergrund für diese Vollmacht sind nicht näher ausgeführte „Geheime Baumaßnahmen des Reiches“. Schon Pemper hat dazu den Verdacht geäußert, dass es sich hier nur um „Materialien“ für den Bau der Krematorien in den polnischen Vernichtungslagern handeln konnte. Dazu passt auch der ebenfalls von Pemper erwähnte Brief Globocniks vom Juni oder Juli 1942 an die Kommandanten von Bełżec, Sobibór und Treblinka, in dem diese angewiesen werden, Göth den Zutritt auf das Lagergelände zu erlauben. Mietek Pemper vermutete, dass diese Zutrittserlaubnis noch einen anderen Grund gehabt haben könnte: Göth sei vielleicht mit der Kontrolle bzw. Erfassung der Wertgegenstände der Ermordeten betraut gewesen – da hätte natürlich Globocnik den Bock zum Gärtner gemacht; andererseits würde das auch die wachsende Spannung zwischen Göth und Globocniks Stabschef SS-Sturmbannführer Hermann Höfle im Herbst 1942 erklären. Der Österreicher Höfle, 1911 in Salzburg geboren und von seiner Ausbildung her Automechaniker, ist seit 1933 Mitglied der NSDAP und der SS und auf eine Empfehlung Adolf Eichmanns hin seit Oktober 1941 der „Referent für Judenangelegenheiten“ im Stab Globocniks. Er koordiniert die Deportationen aus Lublin, Mielec, Rzeszów, Białystok und Warschau in die Vernichtungslager. Auch der Schützling Eichmanns verdankt also der Aktion Reinhardt einen massiven Karrieresprung. Gut denkbar, dass sich die beiden „Ostmärker“ in der Frage des „Umgangs“ mit jüdischen Vermögenswerten in die Quere gekommen sind, denn seit Sommer 1942 leitet Höfle eine Art „Lagerhaus“ für die bewegliche Habe der Juden, das in der Lubliner Chopinstraße 27, dem alten Flughafen der Stadt, eingerichtet worden ist. In einer eigenen Zentralkartei werden hier von Höfle Kleidungsstücke, Schuhe und Ähnliches registriert; für die Erfassung von Edelsteinen und Devisen ist allerdings SS-Sturmbannführer Georg Wippern zuständig. Er und Höfle wissen um die Bestechlichkeit Göths und versuchen ihn loszuwerden.