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GESCHÄFTE MIT DEM VATER

Der „Anschluss“ im März 1938 bringt endlich die ersehnte Wende: Göth kehrt nach Wien zurück. Am 15. Juni 1938 füllt er den „Personal-Fragebogen zum Antragschein auf Ausstellung einer vorläufigen Mitgliedskarte und zur Feststellung der Mitgliedschaft im Lande Österreich“ aus. Darin gibt er an, dass sein Parteimitgliedsbuch bei der Ortsgruppe Thalkirchen-München „erliege“; sowohl an die Ortsgruppe in Thalkirchen als auch an die Ortsgruppe Mariahilf habe er regelmäßig die Parteibeiträge bezahlt. Und immerhin kann er darauf verweisen, wegen „illegaler nationalsozialistischer Betätigung“ bestraft worden zu sein: mit „Untersuchungshaft, die nach ergebnislosem Verfahren als Haft verlängert wurde (Staatspolizei & Sicherheitsbüro)“.

Am 13. Oktober 1938 probiert es Mony, begünstigt durch das nun geltende deutsche Eherecht, noch einmal. Er schließt vor der Bezirkshauptmannschaft Mariahilf mit Anna (Anny) Geiger die Ehe. Anny ist Tirolerin, geboren am 19. September 1913 in Innsbruck, und eine Frau so ganz nach dem Geschmack Göths: keine langweilige Stubenhockerin, sondern eine echte Sportskanone, die im Sattel eines Motorrads ebenso zu Hause ist wie am Volant eines BMWs. Mony hat sie bei einem Motorradrennen kennen gelernt; glaubt man den Angaben Göths in einem Fragebogen der SS, so erfolgte die Verlobung bereits am 7. März 1936 – also noch vor der Scheidung von Olga Janauschek und zwei Tage nach dem Tod der Mutter. Anny Geiger erfüllt ohne Zweifel die strengen Normen, die die SS den Frauen ihrer auserwählten Recken vorschreibt – ein perfektes Paar der nun angebrochenen „neuen Zeit“.

Wie es von einem Angehörigen der SS erwartet wird, tritt Göth im Herbst 1939 aus der römisch-katholischen Kirche aus und bezeichnet sich von nun an mit der im Kameradenkreis gängigen Worthülse als „gottgläubig“.

Gleich nach der Hochzeit ist die Familie darum bemüht, auch die wirtschaftlichen Grundlagen für das junge Paar neu zu ordnen. Am 2. Juli 1937 hat Franz Amon Göth seinen Verlag als Einzelunternehmen in das Handelsregister eingetragen; nun wandelt man den Verlag in eine Offene Handelsgesellschaft um, in die Mony am 1. Jänner 1939 als Gesellschafter eintritt. „Betriebsgegenstand“ ist zu diesem Zeitpunkt erstaunlicherweise noch immer der Buch- und Kunsthandel, der sich „auf den Versand von Büchern religiösen Inhaltes und von solchen, die patriotische Themata behandeln, ferner von Heiligenbildern (…), sowie von patriotischen Bildern unter Ausschluss des Ladengeschäftes“ konzentriert.

Die Ereignisse des Jahres 1939, vor allem der Ausbruch des Krieges, führen rasch zu einem Umdenken: Religion ist in den Tagen des Blitzkriegs nicht mehr opportun; jetzt haben Jubelschriften über die glorreichen Siege der Wehrmacht Konjunktur. Vater und Sohn Göth entschließen sich daher zu einer Auflösung des Handels mit religiösen Produkten und konzentrieren sich nun wieder auf die Verlagstätigkeit und den Verkauf von aktuellen Militaria, wobei man auf das altbewährte Vertriebsmodell setzt: Direktverkauf durch Vertreter gegen Ratenzahlung. Im Herbst 1941 sind es bereits an die 100 Vertreter, die für die Göths tätig sind: 25 in der „Ostmark“, 23 in den Sudetengebieten und 55 im „Altreich“, wobei letztere der „Verkaufsorganisation“ des in Berlin-Charlottenburg ansässigen „Generalvertreters“ Paul Gerhard Engelbert angehören.

Der Gesellschaftsvertrag sieht vor, dass Mony zwar nicht an den Vermögenswerten, dafür aber an Gewinn und Verlust zu je 50 Prozent beteiligt sein soll; Vater Göth legt die alte Konzession zurück und erwirbt eine neue für die Verlagstätigkeit und den Vertrieb ohne Ladengeschäft; das Unternehmen firmiert nun als „Verlag für Militär- und Fachliteratur A. Franz Göth & Sohn“. Als Mitgesellschafter in der väterlichen Firma kann sich Mony mit einem gewissen Recht nun tatsächlich als „Verleger“ bezeichnen. Mit dem noch schnell für das Weihnachtsgeschäft 1939 produzierten Prachtband Der große deutsche Feldzug gegen Polen. Eine Chronik des Krieges in Wort und Bild, herausgegeben „im Einvernehmen“ mit Heinrich Hoffmann, dem Reichsbildberichterstatter der NSDAP, und einem Geleitwort von Generaloberst von Reichenau landet man gleich einen ersten „Bestseller“; 1940 druckt man eine zweite Auflage. Zu einem Erfolg wird auch Konrad Leppas „Heldenbuch“ Die Sudetendeutschen im Weltkriege 1914 – 18, das 1940 erschien und ebenfalls zwei Auflagen erlebt.

Die Neuausrichtung des Verlags macht sich also bezahlt, die Göths verdienen gut: Der durchschnittliche Jahresumsatz bewegt sich bei beachtlichen 1,5 Millionen Reichsmark und kann bis 1944 in dieser Höhe gehalten werden. Bereits 1941 steht man daher vor der Frage, wie die Gewinne aus dem Verlagsgeschäft sinnvoll investiert werden könnten, und da verfällt Amon Franz Göth, wohl auch von Mony dazu gedrängt, auf die Idee, sich an einer Druckerei zu beteiligen – ein nahe liegender Gedanke, kann man so doch die Produktionskosten der Bücher entsprechend regulieren; gleichzeitig soll die Druckerei von den Aufträgen des Verlags profitieren.


Glückliche Tage: Hochzeit mit Anny Geiger im Oktober 1938

Amon Franz Göth entscheidet sich schließlich für eine Teilübernahme der Hermes Druck- und Verlagsanstalt AG. Dieses Unternehmen ist 1921 als Druck- und Verlagsanstalt Melantrich AG gegündet worden, der Firmensitz befindet sich im neunten Bezirk in der Pramergasse 6; leitendes Vorstandsmitglied ist ein gewisser Franz Opatril. Man ist sich schnell handelseinig: Vater und Sohn Göth übernehmen nicht nur ein beträchtliches Aktienpaket, sondern kaufen auch gleich die Druckmaschinen, das Setzmaterial und die Lagerbestände der Hermes AG. Der SS-Offizier Amon Göth ist damit, wenn man so will, auch zum Druckereibesitzer avanciert.

Die Geschäftspraxis der Göth-Vertreter, das aggressive „Hineinverkaufen“, ruft allerdings bald auch Kritik und Beschwerden hervor; die Wellen schlagen hoch in der Branche. Gutachten werden eingeholt, die Betriebsräume in der Mariahilfer Straße 105 einer Prüfung unterzogen. Von einem „Geschwür“ ist in einem Schreiben der Reichsschrifttumskammer an die Wiener Landesleitung der RSK die Rede, das „mit Stumpf und Stiel, ohne Rücksicht auf Firma oder Namen des Betreffenden, ausgebrannt werden muss“. Hugo Heineke, der Leiter der Fachgruppe Reise- und Versandbuchhandel in der Reichsschrifttumskammer, zitiert Vater Göth am 26. Oktober 1942 zu sich nach München. In dem mehrstündigen Gespräch mit Heineke muss er eingestehen, dass ihm „die Dinge über den Kopf gewachsen sind“, nicht zuletzt, wie er betont, durch den „Druck“, den sein Sohn auf ihn ausübe, um eine „Erweiterung der Firma nach jeder Richtung durchzuführen“. Amon Franz Göth gelobt eine entsprechende Besserung, vor allem eine genaue Kontrolle seiner Vertreter. Wie diese arbeiten, schildert anschaulich ein Beitrag vom September 1942 im SS-Organ Das schwarze Korps. Unter dem Titel „Gangstermethoden“ heißt es da über den Vertrieb des Feldzuges gegen Polen, eines Buches, das immerhin 24 Reichsmark kostet: „Die Kolonne überfällt also beispielsweise die Gemeindesiedlung Wienerfeld und sucht dort die Wohnungen heim. Ist der Mann zu Hause, so räumt sie mit einigen leeren Redewendungen das Feld. Ist der Mann aber als Soldat an der Front – und das sind dort die meisten –, so wird die alleinstehende Soldatenfrau einer zünftigen Seelenmassage unterzogen. Die, Herren‘ legen sich eine amtliche Miene zu, mimen militärische Haltung, lassen den, Vorgesetzten‘ durchschimmern und legen also los: Das Buch müsse gekauft werden, erklärt der Inquisitor Karl Kaiser, es sei ein, aufklärendes Militärbuch‘. Die Soldatenfrau erwidert etwas zaghaft, sie könne die 24 RM nicht aufwenden, sie lebe von der Familienunterstützung. Darauf wird Kaiser, Karl, spitzig: Wie, Sie wollen doch nicht etwa behaupten, dass die Unterstützung zu gering sei? Der Führer gibt Ihnen genug Unterstützung, dass Sie das Buch kaufen können! Worauf die Soldatenfrau einen Ratenzahlungsvertrag unterschreibt, denn wenn ihr, der Führer‘ die Unterstützung gibt, damit sie aufklärende Militärbücher kaufen könne, muss sie wohl in den sauren Apfel beißen. Der Mann erfährt es dann aus dem nächsten Feldpostbrief und macht sich seine Gedanken über, die Heimat‘, die mit der einen Hand nimmt, was sie mit der anderen gegeben hat.“


Der Gewerbeschein vom 21. April 1941 schreibt es fest: Amon Göth ist Geschäftsführer im Verlag des Vaters.


Selbst das SS-Magazin „Das Schwarze Korps“ widmet den Vertriebsmethoden des Göth-Verlages einen kritischen Beitrag.

Vater Göth, der für Mony den Kopf hinhalten muss, zieht die Konsequenzen: Er verzichtet auf die bereits bei der Reichsschrifttumskammer beantragte Aufstockung seiner Vertretermannschaft auf 300 Mann und sorgt in der Folge für eine rigorose Überprüfung seiner Vertreter – der schlechte Ruf bleibt dem Göth’schen Unternehmen allerdings erhalten.

Der Henker

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