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GEGEN EINE WELT VOLL TEUFEL UND JUDEN

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Mony war kein Musterschüler“, wird später sein Vater über ihn sagen. Eine vornehme Formulierung für den Ärger, den seine schulischen Leistungen bereiten. Dabei ist Mony, daran besteht kein Zweifel, ein intelligenter, vielseitig begabter Junge; was fehlt, ist die nötige Einstellung zum Lernen. Er will nur eines: ausbrechen aus der engen Welt dieses katholisch-bürgerlichen Haushalts. Die Eltern fühlen sich jedenfalls überfordert und wählen eine Lösung, die als letzter Ausweg für Wiener Familien dieser Zeit nicht unpopulär ist: Sie schicken ihn nach fünf Klassen Volksschule aufs Land – ins Konvikt nach Waidhofen an der Thaya. Hier, in der stillen Waldviertler Kleinstadt, abseits aller Verführungen durch das „Sündenbabel“ Wien, soll er die Oberrealschule besuchen und mit der Matura den Grundstein für ein erfolgreiches Berufsleben legen. Das Waidhofener Konvikt ist bekannt als refugium peccatorum, den Widerspruchsgeist Monys vermögen jedoch auch die strengen Erzieher des Heims nicht zu brechen; ja, vielmehr scheint hier sein Charakter weitere negative Prägungen erfahren zu haben – so könnte sein Hang zu seltsamen sadistischen Scherzen aus den Erfahrungen dieser Zeit resultieren. Die großen Hoffnungen der Eltern erfüllen sich nicht: In der 6. Klasse ist für ihn Schluss mit der „Quälerei“, es helfen keine Drohungen und keine Versprechungen mehr; die Matura bleibt ein unerfüllter Wunschtraum. Was bleibt, ist eine ebenso unspektakuläre wie vernünftige Entscheidung: Bertha und Amon Franz Göth holen ihren Sohn in die Firma, er soll Verlagsbuchhändler lernen und so zumindest für das familieneigene Geschäft gerüstet sein. Der Zeitpunkt ist günstig, denn am 1. Juli 1925 kann Amon Franz Göth seine Konzession betreffend den Buch-, Kunst- und Musikalienhandel auf den „Verlag und Vertrieb unter Ausschluss des offenen Ladengeschäftes“ ausdehnen.

Da, bevor Mony noch nach Wien zurückkehren muss, nimmt ihn ein Freund mit zu einer Veranstaltung der jungen Hakenkreuzler, die seit kurzem im Waldviertel ihr Unwesen treiben. Und es eröffnet sich ihm eine andere Welt, eine Welt des Hasses und des Kampfes, in der der Feind einen Namen hat: die Judenseuche. 1925 tritt der 17-jährige Mony der Ortsgruppe der „Vereinigung der nationalsozialistischen deutschen Arbeiterjugend Deutsch-Österreichs“ in Waidhofen an der Thaya bei; die wahnwitzigen, unablässig getrommelten Parolen dieser antisemitischen Fanatiker werden nun auch zu den seinen. Die Kameraden schätzen seine Körperkraft und seine sportlichen Fähigkeiten; einen „Kerl“ wie ihn können sie gut gebrauchen. Ja, und er möchte auch dabei sein, wenn man dereinst „Schulter an Schulter gegen die große Judenseuche“ kämpfen und Deutschland von ihr befreien wird, ja, auch er ist nun einer von jenen, die berufen sind, „unser Volk und den deutschen Arbeitsmenschen aus Knechtschaft zur Freiheit“ zu führen. Mony setzt mit dem Beitritt ein Zeichen; er hat erkannt, was er sein möchte: ein Kämpfer und Soldat gegen eine „Welt voll Teufel und Juden“. Und er bekennt sich zu den Grundsätzen seiner neuen Genossen: „Deutsch bis ins Mark, Sozialist bis zur glühenden Leidenschaft und Judengegner zum Heile deines Volkes, so sollst du’s halten dein Leben lang!“ – eine Losung, der Mony bis zu seinem Tod treu sein wird.

Mit der vorzeitigen Entlassung Hitlers aus der Festungshaft in Landsberg am 20. Dezember 1924 bekommen auch seine Anhänger in Österreich neuen Auftrieb. Nun, da der „Meister und Führer“ das Banner wieder ergriffen hat, reißen sein „Schaffenswille und Kampfesmut“, sein „hoher Seelenschwung“ und seine „Vaterlandsliebe“ mit fort zur Arbeit für das große Ziel, den „Sieg über Judentum und Marxismus“. Schritt für Schritt rückt sich auch Mony, der von diesem entschlossenen „Willen zur Tat“ beeindruckt ist, sein Weltbild endgültig zurecht; er akzeptiert die Rassenlehre der Völkischen als Richtschnur seines Handelns und stimmt in der Diagnose des politischen Ist-Zustandes seinen neuen Freunden bei den Hakenkreuzlern zu, wenn etwa Adolf Bauer, der Schriftleiter des „Kampfblatts“ Der jugendliche Nationalsozialist, das einige Zeit hindurch bei August Buschek in Waidhofen an der Thaya gedruckt wird, schreibt: „Wirtschaftlich versklavt, unser Blut geschändet, alles was deutsch ist von jüdischem Geifer besudelt, in Klassen gespalten und die Jugend im jüdischen Sinne irregeleitet, so rennt unser Volk dem Abgrund entgegen.“

Dennoch verlässt Göth 1927, er wird neunzehn, die Jungnazis und tritt der 5. Kompanie des „Steirischen Heimatschutz Verbandes Wien“ bei; vermutlich glaubt er hier für sein Anliegen einen stärkeren Rückhalt zu finden als bei den sektiererischen Hitleranhängern, die zu diesem Zeitpunkt kaum wirklich ernst genommen werden und nur über die Macht des Wortes verfügen – bei der Nationalratswahl Anfang 1927 erhalten sie kaum 30.000 Stimmen. Da können die Heimwehrfaschisten, deren Erkennungszeichen der Hahnenschwanz ist, schon anderes bieten: Hervorgegangen aus den steirischen Wehrverbänden des Nachkriegs, die sich der Bedrohung durch Jugoslawien entgegenstellten, haben sich die „Heimatschützer“ noch aus den Arsenalen der k. u. k. Armee mit Waffen versehen und Anton Rintelen, der steirische Landeshauptmann, sorgt geschickt dafür, dass der Nachschub nicht abreißt. Es sind bestens ausgerüstete paramilitärische Verbände, die Sonntag für Sonntag in den österreichischen Städten provokativ ihre Stärke demonstrieren; Mony lernt hier erstmals den Zauber von Uniformen und Waffen kennen, erliegt der Faszination des Männerbündischen, Soldatischen, das ihn von nun an nie mehr ganz loslassen wird.


In der 6. Klasse ist Schluss mit der „Quälerei“: die Oberrealschule in Waidhofen an der Thaya.

Neben den Abenteuern, die er in den Reihen der marschierenden Kameraden findet, sucht der junge Göth vermutlich zu diesem Zeitpunkt noch nach Alternativen zur Arbeit im Verlag. So halten sich hartnäckig Gerüchte, dass er zwei Semester an der Wiener Hochschule für Bodenkultur „Landwirtschaft“ studiert habe – eine Behauptung, für die es keine Belege gibt; allerdings ist es möglich, dass Mony als außerordentlicher Hörer Vorlesungen besuchte. In seinem 1941 für das SS-Personalhauptamt handschriftlich verfassten Lebenslauf erwähnt er davon allerdings nichts – Indiz dafür, dass eventuelle Anläufe in diese Richtung erfolglos bleiben.

Inzwischen hat die Verlagsbuchhandlung Franz Amon Göths auch verlegerisch Fuß gefasst; 1926 gelingt mit dem von J. Viktor Kowalewski herausgegebenen Band Vergewaltigte Menschen. Blätter aus dem Felde und der Kriegsgefangenschaft ein erster großer Erfolg. Der heroisierende Blick zurück auf die Opferjahre des Ersten Weltkrieges hat nun Konjunktur und wird zu einem Haupttema des kleinen Programms.

Was Göth bei den „Hahnenschwänzlern“ fehlen mag, ist die Radikalität antisemitischer Äußerungen, wie er sie von den Jungnazis her gewohnt ist, dazu kommt die Zerstrittenheit der Heimwehrführer untereinander – im Vergleich zu Männern wie Walter Pfrimer oder Ernst Rüdiger Starhemberg mag Adolf Hitler tatsächlich als Lichtgestalt erscheinen. Mony erinnert sich wieder an seine alten Freunde von den Hakenkreuzlern und beginnt sich allmählich neu zu orientieren: Wohl schon 1929 ist er wieder im Umfeld der Nazis zu finden, noch allerdings nur als Sympathisant. Möglicherweise hängt auch sein Aufenthalt in der Marktgemeinde St. Andrä-Wördern im April und Mai 1930 mit dieser politischen „Neuorientierung“ zusammen. Im Meldebuch des kleinen Ortes an der Donau trägt sich der 21-Jährige, der bis dahin immer beim Vater in der Mollardgasse gemeldet gewesen ist, als „Privatbeamter“ ein, als Wohnadresse gibt er die Sackgasse 5 an – der Verdacht liegt nahe, dass Göth diese Tarnung benutzt, um ungestört seine Kontakte in die Szene pflegen zu können. Indiz dafür ist nicht zuletzt die Tatsache, dass er sich auch in späteren Jahren, etwa 1935, wiederholt in St. Andrä-Wördern aufhält.

Das Thema Steirischer Heimatschutz erledigt sich schließlich von selbst. Im Sommer 1930 steuert die Führungskrise der Heimwehren einem neuen Höhepunkt zu. Am 2. September 1930 wird Starhemberg auf einer Tagung aller Landesleiter in Schladming zum „Bundesführer“ der Heimwehren gewählt, gleichzeitig schafft die NSDAP bei den Reichstagswahlen vom 14. September 1930 den Sprung zur zweitstärksten Partei Deutschlands. Für zahlreiche Angehörige des Heimatschutzes ein klares Signal, das Lager zu wechseln und zu den Nazis zu gehen – sie trauen Starhemberg nicht mehr, der ihre Überzeugungen „verraten“ hat: den Kampf für den „Anschluss“ und den Sturz der Bundesregierung. Auch für Mony ist das Maß jetzt voll – am 13. Mai 1931 tritt er der Ortsgruppe Margareten der NSDAP bei; er erhält die Mitgliedsnummer 510.764. Da er im 6. Bezirk gemeldet ist, überweisen ihn die überkorrekten Parteigenossen aus Margareten bald darauf an die Ortsgruppe Mariahilf, wo er als „politischer Leiter und als SA-Mann“ erste Funktionen im Kreis der braunen Kämpfer übernehmen darf – Mony bekommt das wichtige Gefühl vermittelt, dass er hier tatsächlich gebraucht wird.

Von der SA ist der Weg zur SS für ihn nicht mehr weit: Auf einer Versammlung beeindruckt ihn das forsche Auftreten der SS-Recken so sehr, dass er sich sofort zur Mitgliedschaft in Himmlers Totenkopf-Truppe entschließt; auf seinem SS-Ausweis prangt von nun an die Nummer 43.673. Seinen „Dienst“ versieht er beim Trupp „Deimel“, einer Teilformation des SS-Sturms „Libardi“; offensichtlich zur Zufriedenheit seiner Vorgesetzten, denn im Jänner 1933 wird er zum Stab der 52. SS-Standarte versetzt. Hier überträgt man ihm die „Geschäfte“ eines Adjutanten des Stabsführers und betraut ihn zusätzlich noch mit den Agenden eines „Motorstaffelführers“. Als Inhaber der Kraftfahrzeugführerscheine 1, 2, 3 und 4 und begeisterter Automobilist ist Göth für diesen Posten die ideale Besetzung.

Ein „Dienstleistungszeugnis“ von 1941 bescheinigt ihm, dem „vorbildlichen SS-Kamerad“, sicherlich zu Recht „große Verdienste“ um die Partei.

Der Henker

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