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Waldeinsamkeit.
ОглавлениеDie Sehnsuchtswälder Ludwig Tiecks
Die Heilige Genoveva von Brabant in der Waldeinsamkeit.
Gemälde von Ludwig Richter, 1839/1841, Hamburger Kunsthalle.
„O könnt’ ich schlafen und träumen
In Waldeseinsamkeit,
Und dort mit den alten Bäumen
Nichts hören von unserer Zeit!
Nichts hören von Ehren und Schanden,
Von Ordnung und rettender That,
Von Kerkern, Ketten und Banden,
Von Standrecht und Hochverrrath!“
(August Heinrich Hoffmann von Fallersleben 1851)1
Ludwig Tieck (1773–1853) war zeitweise so literarisch einflussreich wie viel gelesen.2 Seine Werke entfalteten eine „weitreichende Wirkung auf die Literatur und Kunst der deutschen Romantik und des 19. Jahrhunderts“3. Als der Frühromantik zugerechneter Autor war Tieck mit seinen Gedichten, Märchen und Novellen zeitlebens einer der „meistgelesenen Autoren“, seine schriftstellerische Wirkung wurde „höchstens von der Goethes, Schillers und Jean Pauls übertroffen“.4 Im Vergleich zu dieser zeitgenössischen Popularität bei Leser- und Autorenschaft zeigte die Literaturwissenschaft in den vergangenen knapp zwei Jahrhunderten nicht durchgängig Interesse an den Schriften Tiecks.5 Weil er aufgrund seiner ökonomisch prekären Existenz als freier Schriftsteller zum Vielschreiben angehalten war, finden sich in seinem umfangreichen Gesamtwerk Texte höchst unterschiedlicher thematischer Dichte und literarischer Qualität.
Tieck ist für die vorliegende Studie insofern von großer Bedeutung, als er älteren Stimmen der Forschung in bisweilen emphatischen Formulierungen als Begründer der „ersten eigentlichsten Waldlyrik“ und „Schöpfer des romantischen Waldes“ gilt.6 Die folgenden Ausführungen untersuchen daher seinen Beitrag zur umfänglichen Poetisierung und partiellen Politisierung der deutschen Baumnatur. Nach einer Skizze seines politischen und nationalen Denkens als Werkkontext gilt es zunächst, Tiecks grundlegendes Verständnis von Natur und Landschaft darzustellen. Daran anknüpfend, wendet sich das Interesse seiner später oft zitierten und missverstandenen Wortprägung der Waldeinsamkeit zu, auf die er wiederholt in abgewandelter Form zur Charakterisierung von Naturkonstellationen zurückgriff. Hiernach wird das naturnahe Frühwerk Franz Sternbald’s Wanderungen diskutiert, in dem überwiegend positive Facetten der literarischen Waldgestaltung zu beobachten sind. Es folgt die Analyse der vielfältigen tieckschen Silvapoesie in ausgewählten Gedichten und Stücken, bevor abschließend spezifisch politische und patriotische Aspekte des Waldes herausgestellt werden.