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Kapitel 02: Die Männer melden sich zur Fahne

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"Oh, siehst du ihn auf der Straße in der Uniform so blau;

Von den Trommeln und Trompeten tönt martialischer Radau,

So viel mächtiger als all die lauen Lüftchen der Rebellen,

Die des Nordens Fahn' zerreißen sollen, doch nur an ihr zerschellen."

– Lucy Larcom, 'Erneut verpflichtet'


Die "Dreimonatsmänner" hatten kaum die Front erreicht, als sich bereits herausstellte, dass es ein Fehler gewesen war, nicht mehr Männer (und diese für einen längeren Zeitraum) zu den Waffen zu rufen. Es dauerte eine lange Zeit, bis wir uns des schieren Ausmaßes dieser Rebellion, der wir uns gegenüber sahen, vollends bewusst wurden. Am 3. Mai erließ Präsident Lincoln also einen Aufruf an weitere Freiwillige, sich für drei Jahre zu verpflichten, sofern nicht bereits früher Anlass zu ihrer Entlassung bestehen sollte. Sogleich eilten tausende loyaler Männer zu den Waffen, ja tatsächlich waren es so viele, dass viele Einheiten in vollständiger Regimentsstärke nicht gleich in Dienst gestellt werden konnten.

Die Vorgehensweisen, nach denen diese Regimenter aufgestellt wurden, waren mannigfach. Im Jahre 1861 war es üblich, dass ein Soldat, der bereits in der regulären Armee gedient oder zumindest einen hohen Posten bei der Miliz innegehabt hatte, selbst die Initiative ergriff und eine Rekrutierungsliste kursieren ließ, in welche sich Freiwillige eintragen konnten. Kam auf diese Weise eine Kompanie zustande, so konnte er sich berechtigte Hoffnungen machen, für seine Mühen zu ihrem Captain ernannt zu werden. Hatten ihn einige Männer bei seiner Initiative unterstützt und sich dabei ausreichend beliebt gemacht, so waren diesen die Positionen der Lieutenants nahezu sicher. Als die "Dreimonatstruppen" aus dem Felde zurückkehrten, verpflichteten sich etliche der Kompanien sofort geschlossen für drei Jahre, manchmal sogar unter denselben Offizieren, unter denen sie bereits gedient hatten. Eine große Zahl dieser "Kurzzeitveteranen" machten ihren Einfluss in den Hauptstädten ihrer Heimatstaaten geltend, um sich Offiziersposten in den neu aufgestellten Regimentern zu sichern. War ihr Wohnort zu klein, um seine eigene Kompanie aufbieten zu können, so gingen die Männer in ein Nachbarstädtchen und schrieben sich dort ein.

Im Jahre 1862 wurden Männer, die bereits ein Jahr Erfahrung im Felde gesammelt hatten, ausgewählt, um einige der zu vergebenden Offizierspatente für neue Einheiten zu erhalten. Gerechterweise hätten die Gouverneure alles in ihrer Macht Stehende tun müssen, um ausschließlich diese Männer zu befördern. Das Wesen der Rekrutierungen wandelte sich jedoch bald dahingehend, dass nun entweder Einzelpersonen aus eigenem Antriebe in den Rekrutierungsbüros erschienen oder ganze Gruppen sich wie folgt meldeten: Zwanzig, dreißig, fünfzig oder gar mehr Männer tauchten zugleich in einem der Büros auf und bekundeten ihre Bereitschaft zum Dienst in einem bestimmten Regiment unter der Bedingung, dass einer von ihnen (den sie bereits ausgewählt hatten) zu ihrem Captain ernannt wurde. Manchmal, wenn die Werber nicht kompromissbereit schienen, ließen sie mit sich reden und gaben sich mit dem Posten eines Lieutenants zufrieden, aber häufig konnten sie ihre Forderungen durchsetzen, da man auf ihre Dienste nicht verzichten wollte. Dieser Wettbewerb um die Führungspositionen förderte so manchen überraschend fähigen Offizier zu Tage, aber viele erwiesen sich als vollkommene Bauerntölpel, die sich bereits nach kurzer Dienstzeit an der Front nicht mehr außerhalb der sicheren Etappe blicken ließen.

Im selben Jahr arbeitete das Kriegsministerium eine systematischere Verfahrensweise aus und sobald nun ein neuer Aufruf an die Freiwilligen erging, wurde jedem Staat eine Quote zugemessen. Einer jeden Stadt wurde von der Regierung ihres Bundesstaates unverzüglich mitgeteilt, wie viele Männer sie zu stellen hatte. Die Kriegsbegeisterung war 1862 im Vergleich zum Vorjahr bereits merklich abgekühlt und so schossen in den Städten und größeren Gemeinden unzählige neue Rekrutierungsbüros aus dem Boden. Es gab zwei Arten von Büros: jene, welche frische Rekruten für die bereits im Felde stehenden Regimenter und Batterien beschaffen sollten und jene, welche um Rekruten für neu aufzustellende Einheiten warben. Letztere waren ohne jeden Zweifel bei den Männern weitaus populärer.

Der erstgenannten Art von Büro stand jeweils ein aktiver Frontoffizier vor, dem einige Männer zur Seite standen, welche ebenfalls "bereits das Pulver gerochen" hatten. Die letztgenannte Art von Büro wurde in der Regel von einem erfahrenen Soldaten geleitet, der erst kürzlich sein Offizierspatent empfangen hatte oder aber darauf spekulierte, bald ein solches zu erhalten.

Die flammenden Aufrufe, welche die Zeitungen in jenen Tagen füllten und die an allen öffentlichen Orten angeschlagenen Plakate waren die Köder, mit denen die Menschenfischer ihren Fang einbrachten. Hier ist ein Beispiel aus dem "Boston Journal" vom 12. September 1861:



[Es werden noch Freiwillige aus Massachusetts akzeptiert ! ! !

Die unverzügliche Aufstellung von drei Regimentern ist vorgesehen !

GEN. WILSONS REGIMENT,

Dem CAPT. FOLLETTS BATTERIE angegliedert ist;

COL. JONES' TAPFERES 6TH REGIMENT,

Das bereits "durch Baltimore marschiert" ist;

DAS N. E. GUARDS REGIMENT, befehligt von jenem

ausgezeichneten Offizier, MAJOR J. T. STEVENSON.

Der Unterzeichner ist am heutigen Tage damit beauftragt und dazu befugt worden, die Reihen obiger Regimenter umgehend zu füllen. Es bietet sich wahren Patrioten eine glänzende Gelegenheit, sich in den Dienst ihres Landes zu stellen und dies unter dem Kommando von Offizieren, wie sie diese Nation bisher fähiger noch nicht hervorgebracht hat. Sold und Verpflegung werden ab dem Zeitpunkt der Einschreibung unverzüglich gewährt.

UNIFORMEN WERDEN EBENFALLS GESTELLT !

Den Bürgern von Massachusetts sollte der Stolz gebieten, sich Regimentern ihres Heimatstaates anzuschließen, um jene herausragende Stellung zu bewahren, welche unser altehrwürdiger Staat beim Kampfe für die Union und die Verfassung innehat. Die Einwohner zahlreicher Städte und Gemeinden unseres Commonwealth haben reichliche Vorkehrungen für jene getroffen, die sich dem Heere anschließen möchten. Falls sich irgendjemand einer Kompanie oder einem Regiment außerhalb des Commonwealth anschließen sollte, so kann ihm keine der überreichlich vorhandenen Prämien gewährt werden. Jede Gemeinde und Stadt, die sich die ehrenvolle Pflicht auferlegt hat, die Familien der im Felde stehenden Freiwilligen zu unterstützen, wird vom Commonwealth mit bis zu 12 $ monatlich pro dreiköpfiger Familie bezuschusst.

Patrioten, die ihrem Lande dienen wollen, sollten Folgendes im Gedächtnis bewahren:

DAS ALLGEMEINE REKRUTIERUNGSBÜRO

Befindet sich in der

NR. 14 PITTS STREET, BOSTON !

William W. Bullock

Leitender Rekrutierungsoffizier, Massachusetts-Freiwillige.]


Hier ist ein Aufruf zu einer Kriegsversammlung unter freiem Himmel aus dem "Boston Journal" vom 30. Juli 1862:



[ZU DEN WAFFEN ! ZU DEN WAFFEN ! !

GROSSE KRIEGSVERSAMMLUNG

IN ROXBURY.

Eine weitere Versammlung der Bürger von Roxbury, um ihre Brüder im Felde im Geiste zu stärken, wird stattfinden auf dem

ELIOT SQUARE, ROXBURY,

HEUTE ABEND UM 20.00 UHR.

Ansprachen halten werden

Paul Willard, Rev. J. O. Means, Richter Russell,

Sowie weitere eloquente Redner.

Die Brigade-Kapelle wird bereits vor Beginn musizieren. Jeder Interessierte ist herzlich eingeladen !

Gott und Vaterland rufen ! !

Im Auftrage.]


Die folgenden zwei Beispiele schlagen einen geschäftlicheren Tonfall an. Zuerst ein Plakat:



[GENERAL POPES ARMEE.

"Lynchjustiz für Guerillas und kein Schutz für das Eigentum von Rebellen!"

Dies ist das Motto des

SECOND MASSACHUSETTS REGIMENT.

578,50 $ für 21 Monate Dienstzeit.

252,00 $ staatliche Unterstützung für vierköpfige Familien.

830,50 $ insgesamt und kurze Dienstzeit.

125,00 $ bar auf die Hand.

Obgleich dieses Regiment der Nummerierung nach das zweite ist, so ist es doch hinsichtlich Disziplin und Kampfkraft das erste und versieht seinen Dienst in einem angenehmen und malerischen Teile des Landes.

Rekrutierungsbüro im Coolidge House, Bowdoin Square.

Capt. C. R. Mudge.

Lieut. A. D. Sawyer.]


Zuletzt ein Beispiel aus dem "Boston Journal" vom 17. September 1862:



[100 $ PRÄMIE!

Kadetten-Regiment,

Kompanie D,

NEUN MONATE DIENSTZEIT.

O. W. PEABODY . . . . Rekrutierungsoffizier.

Hauptquartier, 113 Washington Street, Boston.]


Kriegsversammlungen wie jene in Roxbury wurden veranstaltet, um nachlassenden Enthusiasmus wieder zu befeuern. Blaskapellen und Redner strengten sich redlich an, bis sie rot im Gesicht waren und beide produzierten eine Menge heißer Luft. Für den Anlass zusammengewürfelte Chöre schmetterten "Red, White, and Blue" und "Rallied 'Round the Flag" bis sie zu heiser für weitere Sangeskünste waren. Der obligatorische alte Veteran des Krieges von 1812 wurde hervorgeholt und bearbeitete das Publikum nach Kräften. Hie und da rang sich ein Veteran des Mexikokrieges in Anbetracht der bluttriefenden Realität der Schlachtfelder einen betont gelassenen Gesichtsausdruck ab. Die Einschreibungsliste wurde für neue Unterschriften herumgereicht, sooft es möglich war, ohne den Eindruck der Aufdringlichkeit zu erwecken. In der Regel fand sich irgendwo in der Menge ein alter Bursche, der bei der geringsten Veranlassung wie eine Hyäne zu heulen begann und verkündete, wie gerne er doch wieder seine Muskete schultern würde, wenn er nur noch nicht so alt wäre, während seine blasse und beunruhigte Begleitung ihm kräftig an den Rockschößen zerrte, um ihn aus seiner unschicklichen Ereiferung zu reißen, bevor womöglich noch seine Gesundheit Schaden nahm. Dann hatte die patriotische holde Jungfrau ihren Auftritt, die unermüdlich eine Fahne oder ein Taschentuch schwenkte und natürlich ebenfalls "ohne zu zögern ins Feld ziehen würde, wenn sie nur ein Mann wäre". Auch fand sich für gewöhnlich ein Bursche, der sich lauthals bereiterklärte, sich zu verpflichten, wenn sich 50 weitere Männer (oder eine ähnlich absurd hohe Anzahl) aus der Menge ebenfalls einschrieben, obwohl er genau wusste, dass das niemals geschehen würde. Schließlich konnte man sich noch auf die Anwesenheit eines Kerls verlassen, der auf die Aufforderung, sich zu melden, entgegnete, er sei durchaus dazu bereit, sofern sich auch die Herren A und B (beide wohlhabende Bürger) melden würden.


Eine Kriegsversammlung


Ich selbst habe bei einer solchen Kriegsversammlung einen Mann mit bombastischem Pomp geloben hören, dass er sich einschreiben würde, wenn es ihm eine gewisse Anzahl an Männern (die exakte Zahl ist mir entfallen) gleichtäte. Tatsächlich fand sich die geforderte Anzahl bereit und nun schlich unser Westentaschenpatriot (der sogar die Angehörigen seiner eigenen Gattin zum Kriegsdienste beschwatzt hatte) unter dem Spotte seiner Mitbürger von dannen.

Gelegentlich gerieten die patriotischen Gefühle bei einer solchen Versammlung durch die wehenden Banner, die martialische Musik und die glühenden Reden dermaßen in Wallung, dass die Rekrutierungsquote eines Städtchens binnen einer einzigen Stunde erfüllt war. Sobald der erste Bursche vortrat, seine Unterschrift auf die Liste setzte, unter enthusiastischem Schulterklopfen auf die Bühne geführt wurde und dort als Held der Stunde bejubelt wurde, folgten auch schon der zweite, dritte und vierte und schließlich erfolgte ein regelrechter Ansturm auf die Rekrutierungsliste und die versammelte Menge verfiel in ungezügelte Begeisterung. Diese Ekstase konnte einen Mann ebenso betrunken machen wie Alkohol und am folgenden Morgen hatten einige der eifrigen Patrioten mit reuevollen Gedanken zu kämpfen, besonders wenn es sich um Familienväter handelte. Doch ihr Stolz, dieser tyrannischste Herr des Menschen, gestattete den meisten von ihnen keinen ehrlosen Ausweg.

Als nächster Schritt folgte die medizinische Untersuchung, um über die körperliche Tauglichkeit zu befinden. Jede Gemeinde hatte ihren eigenen Arzt für diese Aufgabe. Der angehende Rekrut musste sich zuerst all seiner Kleidung entledigen, bevor seine Tauglichkeit oder Untauglichkeit festgestellt wurde, indem der Arzt ihn springen, sich vornüber beugen und Tritte ausführen ließ, seinem Brustkorb und Rücken kräftige Stupser versetzte und generell alle Stellen abtastete, die er für wichtig erachtete. Auch die Zähne mussten begutachtet werden und das Sehvermögen wurde getestet. Bestand der Rekrut die Untersuchung, wurde ihm ein entsprechendes Attest ausgehändigt.

Nun ging es zu einem der Rekrutierungsbüros. Der Rekrut betrat den Raum, nannte den Grund seines Kommens, schrieb sich in die Stammrolle der Kompanie oder des Regiments ein, in dem er dienen würde, machte einige Angaben über Körpergröße, Teint und Beruf und wurde von einem Soldaten zum untersuchenden Heeresarzt gebracht, wo er einer weiteren gründlichen Untersuchung unterzogen wurde.

Jene Männer, die beschlossen, "in den Krieg zu ziehen" und aus eigenem Antriebe direkt das Rekrutierungsbüro aufsuchten, um sich einzuschreiben, mussten nur diese zweite Untersuchung über sich ergehen lassen. Die erste war vollkommen unnötig. An dieser Stelle soll die interessante Tatsache angemerkt werden, dass die Männer in den Jahren 1861 und 1862 bei diesen Untersuchungen bemüht waren, ihre Tauglichkeit zu beweisen, während sie in den Jahren 1863 und 1864 bemüht waren, ihre Untauglichkeit zu beweisen. Der Wind hatte sich gedreht.

Nachdem der Zivilist nun also ein Soldat geworden war, wurde er in der Regel sogleich in ein Heerlager oder direkt an die Front geschickt, doch wenn er sich einen kurzen Heimaturlaub erbat, wurde dieser meist gewährt. War er einem neu aufzustellenden Regiment beigetreten, mochte es noch Wochen dauern, bis er an die Front zog, schloss er sich hingegen einer altgedienten Einheit an, konnte er sich bereits kurze Zeit später in seiner ersten Schlacht wiederfinden. Hunderte von den Männern, die sich nach Präsident Lincolns Aufruf vom 2. Juli 1862 zur Fahne meldeten, wurden getötet oder verwundet, bevor sie auch nur eine Woche an der Front verbracht hatten.

Kein Mensch, der diese aufregenden frühen Kriegstage durchlebt hat, wird sie jemals vergessen. Die patriotische Gesinnung war auf dem Siedepunkt und ergriff Männer wie Frauen, Kinder wie Greise. Niemals zuvor hatte man in der Öffentlichkeit dermaßen viele Sternenbanner gesehen. Vor Wohnhäusern wie Amtsgebäuden wurden täglich mit großer Feierlichkeit die Flaggen gehisst. Wohin man auch schaute, wogte ein Meer aus Rot, Weiß und Blau. Ladenbesitzer hängten die Farben in ihre Fenster und an ihre Theken. Männer trugen entsprechende Krawatten, hefteten sich Kokarden an die Brust oder trugen farbige Bänder im Knopfloch. Auch die Damen trugen die Nationalfarben zur Schau. Die Musikkapellen spielten nur noch patriotische Lieder und würden sich Melodien bei häufigem Gebrauch abnutzen, so wären der "Yankee Doodle", "Red, White, and Blue" und "The Star-Spangled Banner" bald nicht mehr zu gebrauchen gewesen. Neue Lieder und Märsche wurden komponiert, von denen viele sich nur äußerst kurzer Beliebtheit erfreuten und all die Gedichte jener Zeit, unter denen sich auch einige ausgezeichnete Werke befanden, würden kaum zwischen zwei Buchdeckeln Platz finden.


Hartkeks & Kaffee

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