Читать книгу The Plateau - Aufstieg in den Tod - John Mobray - Страница 11

Kletterversuche

Оглавление

Seine Eltern hatten einen breit gestreuten Freundeskreis und waren im Regelfall jedes zweite Wochenende nicht zu Hause. Er hätte dann das großzügig gebaute Haus für sich allein gehabt und die Zeit nach seinem Gusto verbringen können. Im Jahr 2003 war er 15 Jahre alt und auf dem Schreibtisch seines Zimmers stand ein Power Mac, welcher mit dem 64-Bit-Prozessor G5 von Intel bestückt war. Es war ein sündhaft teures Modell, aber seine Eltern waren mehr als vermögend und wollten ihm nur Gutes tun. Schon im Herbst 1997 war Google an den Start gegangen und der Junge hatte schnell begriffen, dass er Zeitzeuge eines gewaltigen Veränderungsprozesses war. Seit der Mitte der Neunziger Jahre war das Internet aus seiner reinen militärischen Nutzung herausgetreten und nunmehr auch dem normalen Bürger zugänglich. Er verbrachte viel Zeit mit dem Computer und beschäftigte sich auch recht erfolgreich mit den damals üblichen Programmiersprachen. Allerdings musste er konstatieren, dass ihm zu einer möglichen Professionalität vieles an Wissen und Kenntnissen fehlte, und er sagte sich, dass es momentan ausreichen würde, sich kontinuierlich mehr Fähigkeiten anzueignen. Wo seine berufliche Reise hingehen würde stand noch lange nicht fest. Aber in dieser Zeit hatte er für sich wichtige Grundlagen für das Verstehen der Computerlogik gelegt. Immer wieder in gewissen zeitlichen Abständen würde er seine Kenntnisse auffrischen und so einigermaßen auf Stand bleiben können.

Da er durchaus unter seiner schwachen Konstitution litt und etwas dagegen tun wollte, hatte er für sich ein Trainingsprogramm aufgelegt. Er besaß eine Honda CY 50, ein Moped, mit 50 Kubikzentimetern Hubraum und einer Leistung von 3 PS. Mit diesem Vehikel knatterte er dann am Sonntag zu der ungefähr 15 Kilometer entfernten Höhenkette. Diese Berge waren keine alpinistische Herausforderung, sondern reine Wandergebiete, die jedermann mit etwas Ausdauer besteigen konnte. Es ging ihm darum, erst einmal Kondition aufzubauen, um sich später an andere Herausforderungen heranwagen zu können. Nach drei Besuchen in dem Gebiet fühlte er sich unterfordert. Da es seine Eltern auch nicht ungern sahen, dass er sich körperlich ertüchtigte, bezahlten sie ihm eine Kletter-Erstausstattung. Etwas südlich der von ihm zuerst erkundeten Höhenkette, gut 10 Kilometer davon entfernt, hatte die Natur eine bis zu 300 Metern hohe Gebirgskette aus dem Boden gepresst. Deren Höhe war sicher nicht sehr beeindruckend, aber ihre Ausformung schon. Nahezu übergangslos wuchsen die Felsen fast senkrecht in die Höhe und bildeten im Mittelstück eine zirka 300 Meter breite auch noch fast glatte Wand ohne Absätze oder Vorsprünge. In ungefähr 40 Metern Höhe endete diese glatte Felsstruktur, und das Gestein darüber war deutlich zerklüfteter und wies auch nicht mehr diesen extremen senkrechten Anstieg auf, sondern flachte sich ab. Der Junge wusste, dass er diesen Bereich nicht bewältigen konnte. Er war auch klug genug gewesen sich aus dem Info-Board der Schule eine Nachricht abzupflücken, in der ein Schüler einen Kletterpartner suchte. Der Kontakt war für beide angenehm und positiv gewesen und sie beschlossen, sich rechts neben der unzugänglichen Wand einen einfacheren Trainingsbereich zu suchen.

Louis hatte indianische Wurzeln und war wie der Junge kleingewachsen und drahtig.

"Was man unbedingt haben muss" hatte er gesagt "ist Respekt. Du kannst an einem Berg nichts gegen ihn erzwingen, er diktiert die Regeln. Schau mal, er steht seit tausenden Jahren so da, und er verändert sich kaum. Natürlich bricht Gestein weg, aber seiner Gewalt kann das ja nicht viel anhaben. Er wird ewig da sein."

"Und du bist der große Philosoph, der den Berg versteht" hatte der Junge gespottet.

"Das liegt in meiner Herkunft" war die Antwort gewesen "ihr Weißen wollt die Natur beherrschen, wir aber wollen mit ihr leben. Mit ihr, nicht gegen sie."

"Da bin ich auf deiner Seite Louis, wir sind nicht achtsam genug mit unserer Erde. Aber ich bin kein Weißer, ich bin Mulatte."

"Ist doch egal, aber hör auf mit diesem Gute-Menschen-Sprech. Ich sage dir, in ein paar Jahren wird es Bewegungen geben die erklären, dass wir die Erde mit unserem Lebensstil vernichten werden.

"Das sagst du als, ähm, als .."

"Na sag es doch schon. Als Rothaut, als Vertreter einer untergehenden Spezies. Meine Vorfahren hatten irgendwann erkannt, dass sie gegen die Weißen keine Chance hatten. Viele sind daran kaputtgegangen, am Alkohol, an Drogen. Und mal Klartext: die Indianer waren ungebildet. Von ihrem Wissen und Können her standen sie weit unter den Fähigkeiten der Weißen. So wie die Afrikaner schon heute. Drüber redet aber heute noch keiner. Und es wird das große Problem der Welt werden, der bevölkerungsreichste Kontinent. Es gibt kein vernünftiges Bildungssystem, wenig Industrie, keine Forschung, keine Innovationen, die von dort kommen. Was soll also von Afrika zu erwarten sein?"

"Aber so kannst du doch nicht reden gerade du als .."

"Gerade deswegen" erwiderte Louis "weil ich den Niedergang meiner Familie miterlebt habe. Mam und Dad haben noch die Kurve gekriegt, die anderen sind alle Wracks. Total im Arsch, vegetieren nur noch so dahin. Man muss den Tatsachen ins Auge sehen, Wunschvorstellungen über die Zukunft machen alles nur noch schlimmer."

Sie waren eine von unten her einfach anzusehende Stelle gemeinsam angegangen. Beide hatten sich versprochen, zunächst ihre Fähigkeiten langsam auszubauen. Ihre Ausrüstung war in Ordnung, die Seile von guter Qualität, die Haken kein billiger Schrott. Und sie waren sich absolut einig gewesen, dass die Sicherheit an erster Stelle stand. Es hatte etliche Versuche gebraucht, bis sie ein richtiges Gefühl für das Steigen entwickeln konnten. Sie hatten gelernt Sicherungshaken richtig einzuschlagen, sie konnten sich am Seil gegenseitig sichern. Keiner von ihnen war übermütig geworden, sie waren zwei rational handelnde Typen.

Wenn der Junge Louis dann auf dem Heimweg mit dem Moped bei dessen Eltern abgesetzt hatte, fehlte ihm der andere bald. Manchmal fragte er sich, ob er vielleicht schwul sein könnte aber er wusste ziemlich gut, dass dies nicht der Fall war. Es war vermutlich mehr ein Gleichdenken auf verschiedenen Gebieten.

The Plateau - Aufstieg in den Tod

Подняться наверх