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Fred Brown
ОглавлениеEr war von den Menschen in seiner Umwelt schon immer als Inbegriff der Durchschnittlichkeit wahrgenommen worden, und er wusste selbst, dass das stimmte. Sein ganzes Leben lang war er nur mit geringem Antrieb von einer Etappe zur anderen weitergestolpert, ohne jemals ernsthaft in Schwierigkeiten geraten zu sein. Irgendwie hatte er verinnerlicht, mit wenig Aufwand das erreichen zu können, was für ihn im Rahmen seiner selbstgewählten Möglichkeiten lag. Große Ansprüche an sich hatte er nie formuliert, und die Meinung anderer Leute über ihn war ihm ziemlich egal. Er wollte eigentlich nichts weiter, als sich ein vernünftiges bürgerliches Leben aufzubauen, in dem dann die Routine dominieren würde. Dazu zählte er die Gründung einer Familie und eine berufliche Karriere, deren Tempo er selbst bestimmen könnte. Da ihm großes Selbstvermarkungstheater fremd war, hatte er sich für ein Jurastudium entschieden. In diesem Metier würden Paragraphen und Fakten zählen, und das kam seiner beherrschten Art entgegen. So wie er organisiert war spulte er die zähen Inhalte beharrlich ab und empfand sogar so etwas wie Befriedigung, wenn er in Fallbeispielen genau auf der Linie der Lösung lag. Diese dröge Logik gab ihm die Gewissheit, dass man ein Leben zumindest in Bezug auf die Rechtsprechung doch in Regeln pressen konnte. Er schloss mit besten Noten ab, und seine Anstellung in einer Kanzlei zeigte ihm mit dem ersten Gehaltscheck, dass er nichts falsch gemacht hatte. Da er offenbar immer die Ruhe behielt und nie die Fassung verlor, wurde er zum Mann für die Fälle mit schwierigen Mandanten. Manchmal fragte er sich selbst, ob er tatsächlich so kalt und gefühllos wäre, und dann war er sich sicher, dass es so war. Er dachte aber kaum darüber nach und ging davon aus, dass jeder Mensch besonders wäre, eben auf seine ganz spezielle Art. Diese Distanziertheit beförderte ihn aber zu einem gefragten Partner vor Gericht, denn seine Verhandlungen waren gut vorbereitet, seine Ausführungen klar strukturiert, und seine Umgangsformen immer verbindlich.
Nach einem Jahr in einer Kanzlei in Detroit war ihm eine Partnerschaft angeboten worden, die er gern angenommen hatte. Sein bereits üppiges Salär könnte nunmehr im Jahr je nach Auftragslage bis zu 1,7 Millionen Dollar betragen. Fred Brown kam aufgrund seiner gut organisierten Arbeitsweise auf ungefähr zehn Stunden Beschäftigung am Tag. Am Samstag setzte er sich mehr symbolisch zu Hause am Vormittag zwei Stunden vor den Laptop und erledigte Dinge, die auch ein Sachbearbeiter hätte tun können, die er aber selbst abhaken wollte um den jeweiligen Fall komplett zu kennen. Meistens ging er dann in der Nähe eine Kleinigkeit essen und legte sich dann zwei Stunden auf die Couch. Danach zockte er an seinem Computer noch eine Weile, ließ Druck beim Ansehen eines Pornos ab und schlief dann entspannt ein.
Über einen Fall kam er an eine recht attraktive Frau heran, mit der er dann ein längeres Verhältnis über knapp anderthalb Jahre hatte. Allerdings fühlte er sich zunehmend eingeengt in seiner Entscheidungsfreiheit und beschloss, zunächst nur seinem Beruf und seinen Neigungen nachzugehen. Das war vermutlich auch besser so gewesen, denn er spürte eine starke Affinität zu pornographischen Bildern von kleinen Kindern. Da er aus dem Fach kam wusste er ganz genau, dass er haarscharf am Rande der Legalität marschierte, aber er vertraute auf die Anonymität des Netzes. Sein Verstand sagte ihm, mit der Sache aufzuhören, aber seine innere Stimme war dagegen. Erst als ein Kinderpornoring öffentlichkeitswirksam aufgeflogen war hörte er damit auf, aber wusste, dass das Internet nichts vergaß, und er für alle Zeiten Leichen im Keller hatte.
Gegen seine grundsätzliche Meinung, allein besser zurecht zu kommen, trat er jedoch eine nicht als rational zu bezeichnende Flucht nach vorn an, um seinem Leben eine angemessene bürgerliche Tünche zu verpassen. Sie hieß Judith und war Lehrerin. Anfangs gefiel ihm ihre Interessiertheit und das gute Allgemeinwissen, wenig später war er von ihren ständigen Belehrungen und Korrekturen nur noch genervt. Aber es war bereits zu spät, sie hatten zwei Kinder: Beth und Nick. Er fand sich damit ab nur der Zweitredner zu sein und sehnte sich nach der Zeit zurück, als er tun konnte, was er wollte.
Doch sein Beharrungsvermögen in diesen Zuständen war deutlich größer als die Energie, seinem Leben noch einmal eine andere Richtung geben zu wollen.