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Staunen über den »Zauber der Dinge«

Viel zitiert ist das Wort von Hermann Hesse: »Allem Anfang wohnt ein Zauber inne.« Das beste Zeugnis für die Wahrheit dieses Wortes kann wohl der Blick auf Kinder schenken, für die sozusagen zunächst alles neu, anfänglich, überraschend ist. Ich denke an die Begegnung mit einer jungen Mutter, die ein etwa zweijähriges Kind an der Hand mit sich führte. Plötzlich blieb das kleine Mädchen auf seinen wackeligen Beinen stehen, war nicht mehr zu bewegen, weiterzugehen. Wie gebannt schaute es auf zwei kleine Kätzchen, die sich auf der Erde balgten. Es war fasziniert und konnte den Blick nicht abwenden. Es sprach dabei kein Wort, sondern schaute und schaute …

Was das Kind sah, war offensichtlich etwas Neues, etwas für Kinderaugen Wunderbares. Es gibt Großes und Bewundernswertes, das uns und unseren Blick faszinieren kann, etwas, das sich nur schwer oder gar nicht in Worte fassen und andern einfach vermitteln lässt. Wir schauen es an, weil es schön ist, in sich schön, so scheint es uns; es ist geheimnisvoll und voller Zauber. Es gibt große Dinge um uns, vor denen wir uns ganz klein fühlen. In ihrer Nähe stellt es sich wie von selbst ein und legt sich nahe: still zu sein, Stille innerlich wahrzunehmen, zu schweigen. Staunen und Stille sind Geschwister. Staunen kann Stille schaffen und Stille kann Raum für Staunen geben. Stillwerden kann auch Heilendes bergen. Der Lebens-Denker Sören Kierkegaard schreibt einmal, wenn ein Arzt ihn fragen würde, was er für die Gesundung von Menschen tun könne, würde er als Erstes sagen: »Schaffe Schweigen!«

Sosehr wir um die Wirkmächtigkeit von Schweigen und Stille wissen, so versuchen wir doch auch nach der ersten Überraschung, das so plötzlich Erlebte zu reflektieren, einzuordnen, und gehen oft rasch zu weiteren Dingen über. Kinder können vielleicht noch etwas länger und tiefer staunen. Ihre Entdeckungsfreude macht sie glücklich, auch wenn sie das Neue nicht sofort einordnen können. Freilich kennen sie ja auch das unaufhörliche Fragen nach dem »Warum?«. Im ersten Heft 2018 erschien im »Philosophie Magazin« ein Artikel mit der Überschrift »Im Anfang ist das Staunen«. Dort wird berichtet über ein erstaunliches Projekt in Lustenau im österreichischen Vorarlberg. Dort gibt es Philosophieunterricht für Kinder, in dem diese ausführlich zu Wort kommen. Beim Besuch zeigte sich bei den 14 kleinen Philosophen, was für kindliches Denken kennzeichnend ist: »Eine Mischung aus wahrhaftigem Staunen, blitzartiger Erkenntnis und dem Fehlen von Selbstverständlichkeiten.«

Vielleicht sind auch Heilige in gewissem Sinn Kinder. Jene, die dem Unendlich-Heiligen einmal begegnet sind, konnten nur zitternd und in großer Ehrfurcht darüber berichten, was die Erfahrung des Staunens über das göttliche Geheimnis in ihrem Innern bewirkt hatte. In der Liturgie der Eucharistie feiern wir Gott als den einzig wahrhaft Heiligen: »Quoniam Tu solus Sanctus, Tu solus Dominus, Tu solus Altissimus …«, so heißt es im Gloria der Eucharistie: »Du allein bist der Heilige, Du allein der Herr, Du allein der Höchste …«

Staunen

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