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3. Seefahrer um Alexander Memnon von Rhodos (ca. 380–333 v. Chr.) & Nearchos (ca. 360–ca. 300 v. Chr.)

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Wo immer der Eroberungszug Alexanders des Großen beschrieben, erzählt oder analysiert wird, ist von maritimen Dingen relativ wenig die Rede. Zu dominierend scheinen die zahlreichen Landschlachten, schließlich der gewaltige Zug über Land von Kleinasien bis in das Industal. Doch übersieht diese naheliegende Sichtweise einen entscheidenden Aspekt der gesamten alexandrinischen Strategie: die gewaltige Abhängigkeit von der Sicherheit der Seerouten – dies sowohl im Hinblick auf den Nachschub als auch auf eventuelle Rückzugs- beziehungsweise Verbindungslinien. Beide Aspekte sollten für das gesamte Unternehmen an zwei bedeutsamen Wendepunkten schlagartig ins Bewusstsein treten; bis heute blieben sie mit zwei Namen verknüpft, Memnon von Rhodos und Nearchos. Nur der Tod des Ersten sowie die Präsenz und der Erfolg des Zweiten garantierten letztlich den Erfolg des mehr denn hasardeurhaften makedonischen Feldzugs.

Es sollte nicht erstaunen, dass beide Namen – jener des persischen und des makedonischen Admirals – wiederum griechischen Ursprungs waren. Die persische Logistik und Militärplanung lebte, wie bei Salamis gesehen, von Allianzen mit den Hellenen nicht nur im Hinblick auf Söldnerkontingente wie etwa die Hopliten der schweren Infanterie. Auch das hohe Offizierscorps setzte sich zu einem guten Teil aus griechischstämmigen Elementen zusammen, mit all den damit verbundenen Risiken. Dafür bezeichnend ist der Aufstieg Memnons: Als sein wie er auf Rhodos geborener Bruder Mentor (385–340 v. Chr.) 358 v. Chr. zum Oberbefehlshaber der persischen Streitkräfte in der Troas ernannt wird, begleitet ihn Memnon nicht nur hierbei, sondern schließt sich auch dem darauffolgenden Aufstand Mentors gegen die persische Oberherrschaft im Dienste des Satrapen der Provinz Phrygia Hellespontina, Artabazus (ca. 389–325 v. Chr.), an. Als die Revolte schließlich kläglich scheitert, erhalten die beiden dennoch einen Generalpardon, wohl in Anerkennung ihrer militärischen Unersetzbarkeit. Als der Bruder stirbt, kann Memnon nicht nur dessen Frau Barsine (363–309 v. Chr.), die Tochter Artabazus’ und spätere Geliebte Alexanders, ehelichen, sondern erhält wieder ein hohes Kommando, nicht aber den Oberbefehl im Westen – dies wohl im Hinblick auf seine früheren Loyalitätsbrüche.

Seine Stunde kommt mit dem Erscheinen der Makedonen 336 v. Chr. Memnon schlägt Parmenion, den General Philipps II. von Makedonien wiederholt, so bei Magnesia (336 v. Chr.). Als Alexander 334 v. Chr. auf den Plan tritt, ist Memnon die Bedeutung des Augenblicks bewusst: Die Perser würden nur dann eine langfristige Chance haben, wenn es gelänge, den Krieg zurück nach Makedonien und Griechenland zu tragen, die kleinasiatische Erde vor Alexander zu verwüsten, dessen Nachschublinien zu trennen und diesen entweder in Kleinasien auszuhungern oder aber zum Rückzug zu zwingen. Das persische Oberkommando entschließt sich trotz genereller Einsicht in die strategische Plausibilität nur zu einer halbherzigen Reaktion: Zwar wird Memnon, „ein Mann von ausgezeichneter Tapferkeit und Feldherrnklugheit“ (Diodor, 17.7.2), zum Oberkommandierenden der Flotte ernannt, dennoch aber entschließt man sich zur Annahme der fatalen Schlacht am Granicos (334 v. Chr.), in der Memnon auf Weisung des Großkönigs einen Kampf kämpfen muss, von dessen Aussichtslosigkeit er überzeugt ist – dem ersten Fiasko im Westen, das Alexander den Weg nach (Süd-)Osten öffnet. Memnon hingegen erfüllt die in ihn gesetzten Erwartungen zur See. Er sammelt die gesamten persischen Seestreitkräfte – über dreihundert Einheiten – im Mittelmeer aus den ägyptischen, phönizisch-levantinischen und zyprischen Basen und kann damit zwar Milet nicht mehr retten, wohl aber Halikarnassos halten. Dies war vor allem im Hinblick auf den fatalen Fehler Alexanders, seine eigene Flotte aus Geldknappheit zurückzusenden, von kapitaler Bedeutung. Man sollte hierbei nicht vergessen, dass der Persienfeldzug nicht zuletzt aufgrund des offenbaren Staatsbankrotts Makedoniens mit all den damit verbundenen politischen, dynastischen und somit für Alexander persönlichen Folgen begonnen worden war. Memnons Plan ist klar: Wenn die Ägäis dauerhaft maritim in persischer Hand bliebe, würden die oben beschriebenen Konsequenzen und wiederum deren absehbaren immanenten Folgen (Aufstände in Griechenland, Zusammenbruch des Hellenischen Bundes) ein schnelles Ende des Eindringlings bewirken. Nach der Eroberung von Chios und Lesbos begann Demosthenes in Athen bereits mit den Planungen zu einem Aufstand gegen Alexander, auch Sparta rüstete zum Krieg. In diesem Moment hing das Schicksal des vermeintlich größten militärischen Genies der Antike an einem seidenen Faden, doch kam ihm das Fatum auch hier zu Hilfe. Während der Belagerung Mytilenes 333 v. Chr. starb Memnon; sein Nachfolger und Schwager Pharnabazus (ca. 370–ca. 320) konnte das Projekt zwar mit spektakulären Siegen (Eroberung und Besetzung der Inseln Samothraki, Sifnos and Andros sowie der Stadt Milet) fortsetzen, versäumte es aber nach der Eroberung von Tenedos am Hellespont von hieraus die Lebensmittelversorgung Zentralgriechenlands zu unterbrechen, was unweigerlich zu Aufständen, unter anderem in dem ohnehin makedonenfeindlichen Athen, geführt hätte. Zu diesem Zeitpunkt hatte er aber bereits den Großteil seiner Kampfbesatzungen an das persische Landheer abstellen müssen, welches 333 v. Chr. mit seiner Niederlage bei Issos den Weg in den Untergang weiter ebnete. Mit dem Tode Memnons „war auch die Sache des Dareios ins Mark getroffen“ (Diodor, 17.29.4).

Der Erfolg bei Halikarnassos, das Memnon gegen eine makedonische Übermacht lange hatte halten können, hatte die Verwundbarkeit der makedonischen Strategie ebenso sprechend belegt wie das Lauern der maritimen Gefahr im Rücken. Letztlich dachten aber der Großkönig und sein Generalstab – wie übrigens auch Alexander! – eben nicht maritim, das heißt geostrategisch, sondern optierten für die klassische Feldschlacht und damit für das Desaster.

Von diesem war aber Alexander selbst auch nach der Einnahme Persiens und der daraus resultierenden Sanierung seines Haushalts mittels Einverleibung des Staatsschatzes der Achämeniden nicht gefeit. Sein Anspruch als Nachfolger der Großkönige und der damit einhergehenden Unterdrückung aller Konkurrenz führte ihn über Afghanistan bis hinein nach Indien – so lange, bis seine erprobten und bewährten Truppen aus Gründen, deren Erläuterung hier zu weit führen würde, schließlich meuterten. Hier sollte sich nun Nearchos von Kreta bewähren, ein Jugendfreund Alexanders. Sie hatten gemeinsam die schulische Ausbildung durchlebt, was auf eine hohe Stellung von Nearchos’ Vater Androtimos schließen lässt, der zuvor nach Makedonien übergesiedelt war. Wie Memnon war auch Nearchos aufgrund einer Verwicklung in Aufstände gegen Philipp II. kurzzeitig verbannt gewesen, dann aber 336 v. Chr. mit dem Regierungsantritt Alexanders zurückgerufen worden. Als Satrap für Lykien und Pamphylien war er ab 334 v. Chr. für die Verwaltung der eroberten persisch-kleinasiatischen Seedistrikte verantwortlich, die er gegen die versickernden Attacken Pharnabazus’ verteidigte. 329 v. Chr. organisierte er den Marsch griechischer Söldner gen Osten als Nachschubarmee für Alexanders asiatische Pläne, danach diente er – nicht ungewöhnlich – als Infanteriekommandant. Mit der Weigerung der Truppen weiterzuziehen stand Nearchos vor der Aufgabe seines Lebens: Er musste den Rückmarsch eines Teils der Einheiten auf dem Wasserwege sicherstellen, zuerst auf dem Indus, wozu eine Flotte gebaut wurde, dann von Patala (heute: Bahmanabad) aus über das Meer. Ein Viertel der Armee, ca. 20.000 Mann, galt es zu transportieren, dies in unbekannten Wassern. Nearchos hat über diese Reise einen heute im Original verlorenen, in Auszügen aber gut überlieferten Bericht, die Indikê, verfasst, deren Angaben sich aber nicht immer geographisch verifizieren lassen. Sicher scheint nur, dass es gelang, trotz anhaltender witterungsbedingter Widrigkeiten (man hatte Zeit, Kraft und Richtung der Monsunstürme offenbar falsch berechnet beziehungsweise diese unterschätzt) unter zahlreichen Landgängen langsam nach Westen zu gelangen. Dies muss nicht überraschen – die Schiffe waren aufgrund der Notwendigkeit einer Verteidigung gegen Überfälle (von Land und See) sicher als Kampfeinheiten konzipiert und konnten von daher nicht dauerhaft in See bleiben; außerdem galt es das Versorgungsproblem zu lösen, vor allem die großen Mengen an Trinkwasser für eine derartige Anzahl von Menschen zu beschaffen. Wiewohl sich Nearchos sicher auf Vorgängererlebnisse stützen konnte, darunter ein ähnliches Unterfangen, das von Skylax von Karyanda um 515 v. Chr. im Auftrag des persischen Großkönigs Dareios I., des Großen, durchgeführt worden war, und wohl auch persische Ortskundige, eventuell sogar Seeleute an Bord hatte, schmälert dies nicht seine Verdienste. Nearchos gelang sogar unterwegs ein Treffen mit dem Hauptheer unter Alexander in Harmozeia (heute: Mînâb), wobei unklar bleibt, ob dies geplant oder ein glücklicher Umstand war. Jedenfalls brachte der Kreter die ihm anvertrauten Männer zurück nach Persien, eine Leistung, für die er ein goldenes Diadem und das zweifelhafte Vorrecht erhielt, bei einer der von Alexander aus ethnisch-politischen Motiven veranlassten Großhochzeiten mit einheimischen Aristokratinnen sich eine Braut zu erwählen. Seine Wahl fiel just auf eine Tochter jener Barsine, welche zuvor die Frau Memnons und dann die Geliebte Alexanders gewesen war. Nach dem Tode des Makedonenkönigs 323 v. Chr. nahm er Herakles, dessen Sohn aus der Verbindung mit Barsine, zu sich und versuchte dessen Thronansprüche durchzusetzen. Beide, Mutter und Sohn, wurden schließlich ermordet und die Berichte über Nearchos verlieren sich in den Wirrnissen der Diadochenkämpfe.

Im Lebensschicksal der geheimnisvollen Barsine vereinen sich die Viten der beiden bedeutendsten maritimen Gestalten der Epoche – zwei Männer, deren Erfolge in Überblicks- und Gesamtdarstellungen allenfalls einen Abschnitt oder eine Fußnote erhalten. Zu Unrecht, da auch Alexanders Taten nicht ohne das Meer gesehen werden sollten.

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