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ОглавлениеDie Cheffitüde bei den Mongis
Ist vorbei
Drei Wochen »work ’n’ travel«
Wie junge Leute sagen
Fünfzehn Tage Workation
Ich habe viel am Steuer gesessen
Sehr viel
Habe an Le Conscrit des cent villages von Aragon gedacht
Das Defilee von Glockentürmen und klingenden Ortschaftsnamen
Von der Normandie über die Region Nord-Pas-de-Calais
Die ich wohl nie Hauts-de-France nennen werde
Bis nach Belgien
Habe mehr Käffer und Straßen gesehen
Als Leute
Dunkerque Saint-Valéry-en-Caux Fécamp Berck-sur-Mer
La Roche-Guyon Étampes Trouville Verviers Westrozebeke und
Ostende und bei den belgischen Vettern Vétheuil Vernon
Verneuil-sur-Avre Beuvron-en-Auge
Ein Frankreich der Unterpräfekturen
Der Marktplätze mit Kopfsteinpflaster und Fachwerkhäusern
Der flämischen Glockentürme
Und Erinnerungen an die Kriege
Dem von 1914
Passendale die Somme Péronne der Wettlauf zum Meer Ypern wo
ich das tägliche Gedenkläuten abends um acht für die Gefallenen
verpasst und die englischen kanadischen sogar indischen und
maorischen Friedhöfe nur aus der Ferne gesehen habe because ich
saß am Steuer
Dem von 1939 in der Normandie
Also eher von 1944
Am Steuer sitzen
Ist fast so eintönig
Wie Fische Kisten Garnelen sortieren
Aber natürlich anders
Chef sein von Leuten die Freizeitteilnehmer mit Behinderung
begleiten
Dagegen kann man nichts sagen
Man sitzt am Steuer
Sonst nichts
Die geplanten Besichtigungen
Waren schneller gemacht als ein Blitzkrieg
Étretat
Giverny
Honfleur
Postkartenidyllen von denen
Die Blumen in Monets Garten
Übrig bleiben
Und die Satiehäuser
Eines der schönsten Museen der Welt von dem man mir oft schon
vorgeschwärmt hat
Zu Recht
Eine fliegende Birne
Ein Zimmer in Montmartre
Ein elektrisches Klavier
Ein Tretkarussell das einen riesigen Regenschirm öffnet
Zurück auf der Straße
Auf der Autobahn
Streifte das Abendlicht in der Ferne den Mont-Saint-Michel
Ich fuhr an Villedieu-les-Poêles vorbei einem Dorf mit Messingwaren
und Gehörlosen von dem schon Rabelais im Gargantua spricht weil
von dort das Metall fürs Besteck seines Helden stammt
Dann quer durch die Bretagne und heim
Es war die Nacht der Sternschnuppen der Laurentiustränen
Zurück in Lorient die letzten Dudelsackklänge vom interkeltischen
Festival
In der Ferne ein Feuerwerk
Ich schaute zum Himmel und wünschte mir was
Heut Morgen
Habe ich in der Zeitarbeitsfirma meinen Scheck vom letzten Monat
und einen neuen Vertrag abgeholt
Bingo
Vier Wochen Nachtschicht in einer neuen Fabrik von zwanzig Uhr
dreißig bis fünf Uhr dreißig
Das wars mit den Fischen und Garnelen
Aber nicht mit Kisten Wannen und Maschinen
Ich freu mich auf die Arbeit auch wenn eine neue Fabrik Stress heißt
und ich meinen Fischen und Garnelen nachtrauere
Was werde ich wohl produzieren
Mit meinen behinderten Freizeitteilnehmern habe ich nichts
produziert
Sie hatten frei und produzieren den Rest des Jahres in
Behindertenwerkstätten
Für so wenig Geld wie Freizeit und sind dennoch zufrieden und stolz
Manche erzählen mir von Holzarbeiten und dem ständigen Hobeln
an Möbeln von Grünflächen wo sie je nach Jahreszeit Laub
einsammeln oder Blumen gießen von kleinen Schrauben die sie in
ich weiß nicht welche Teile stecken
Wenn ich das hör versteh ich sie genau aber trau mich nicht zu sagen
ich bin einer von euch
Chefposten ist Chefposten
Meine Freizeitteilnehmer mit Behinderung würden das sicher
verstehen
Meine untergeordneten Teamer und Begleiter verstehen es nicht
Montagabend um zwanzig Uhr dreißig
Stehe ich als Produktionsmitarbeiter wieder unter den Chefs am
Förderband am Fließband an der Produktionsstraße
Denke ich in der Fabrik bestimmt genauso an diese französischen
Städte und Dörfer wie ich auf der Straße an die Fabrik dachte
Bin ich wohl der Soldat Aragons
»Oh ihr Dämonen denn ihr seid Dämonen
Gebt mir Wörter über Wörter«