Читать книгу Das Phantom der Kate Summer - Josephine Katharina Groß - Страница 14
ОглавлениеFaye Summer
Die ganze Nacht wurde Luke von seinen Gedanken an die kleine Kate wachgehalten. Er hatte sogar überlegt, seine Mutter Miranda Brooks nach einer neuen Schülerin zu fragen, doch das schien ihm dann doch etwas zu auffällig. Sie hatte sich sowieso schon gewundert, warum er sich freiwillig dazu bereit erklärt hatte, heute wieder den Putzdienst zu übernehmen.
Gespannt wartete er nun, den Mopp als emotionale Stütze in der Hand, auf die gestern noch verhassten, angehenden Ballerinen. Und da kamen auch schon die ersten um die Ecke gebogen. Ganz vorne führte Georgiana Fitzgerald eine Truppe von Mädchen an, welche Luke keines Blickes würdigten. Diese eingebildeten Kühe waren ihm sowieso egal. Für ihn zählte nur eine. Kate Summer.
»Ich habe keine Lust auf so eine Schule«, klagte Faye, während ihr roter Oldtimer am Covent Garden, nahe der Royal Ballet School hielt. »Nie werde ich hier Freunde finden, wie ich sie in Aldbury hatte«, fuhr sie schmollend fort und weigerte sich – die Arme vor der Brust verschränkt – auszusteigen.
»Faye, mein Schatz. Du wirst sicher wieder gute Freunde finden und dann auch noch welche, mit denen du deine Leidenschaft teilen kannst. Bitte versuche es und bemühe dich, nicht so trotzig zu sein. Du willst doch nicht, dass gleich an deinem ersten Tag auffliegt, dass du gar nicht dasselbe hübsche Mädchen bist, das gestern bereits hier die Schule besucht hat«, antwortete Katherine Summer mit geduldiger Stimme.
»Wieso muss immer ich es sein, die sich verstellen muss? Warum muss ich immer so wie Lizzy sein? So brav und ordentlich. Warum kann sie sich nicht ausnahmsweise mal mir anpassen?«, murmelte Faye vor sich hin, doch sie kannte bereits die Antwort und musste somit widerwillig nachgeben. Während ihre Mutter mit der Erklärung ansetzte, öffnete sie die Tür des alten roten Wagens und stieg aus.
»Du weißt genau, dass es für Lizzy viel schwieriger ist, sich zu verstellen. Nicht jeder kommt mit so einem schauspielerischen Talent auf die Welt wie du, mein Schatz. Tu mir bitte den Gefallen, dich zu beherrschen, ja, Liebling?« Hoffnungsvoll blickte Katherine ihrer Tochter in ihre – bis vor wenigen Sekunden noch mit einem gewissen Zorn durchtränkten – blauen Augen. Diesen Blick kannte sie ausschließlich von ihrer störrischen Tochter Faye, doch schien diese sich allmählich beruhigt zu haben, denn ihre Augen näherten sich, wenn auch nur sehr langsam, wieder denen ihrer stets ruhigen Zwillingsschwester an.
»Ich werde mein Bestes tun.«
Die anderen Mädchen waren bereits seit einigen Minuten im Saal und die Tür fest verschlossen. Und keine Kate Summer war an Luke vorbeigekommen. Voller Enttäuschung schrubbte er den Boden, obwohl er längst so sauber war, dass er sich darin spiegeln konnte.
»Tschuldigung?«
Luke erschrak. Er hatte gar nicht bemerkt, dass jemand vor ihm stand. Jemand mit einer Stimme, die klang, als würden kleine Glöckchen läuten. Vor Schreck kippte er den Wassereimer um, dessen Inhalt sich gleich darauf über ein Paar rote Lackschühchen ergoss.
»Hey, pass doch auf!«, schrie die Stimme, welche nun deutlich gereizter klang. Vorsichtig sah Luke an dem Mädchen empor, das mit wütender Miene vor ihm stand. Oh nein, dachte er sich. Was hatte er nur wieder für ein Pech. Natürlich war das Mädchen keine andere als Kate Summer. Und er hatte ihr gerade höchstpersönlich Putzwasser über die Schuhe gekippt.
»Es tut mir wahnsinnig …«, setzte er an, doch das Mädchen unterbrach ihn:
»Wo ist der Ballettsaal für Mädchen des fünften Jahrgangs?«, fragte sie genervt.
Luke hatte es die Sprache verschlagen. So etwas Doofes. Alle Gefühle, die er bis vor zwei Minuten noch für Kate empfunden hatte, waren schlagartig verflogen.
Was war nur mit dem kleinen, schüchternen Mädchen von gestern geschehen? Sie schien sich über Nacht in eine Furie verwandelt zu haben. Oder, wie Luke im nächsten Moment schmerzlich bewusst wurde, schlicht und einfach in eine weitere zickige Primaballerina.
»Gleich da vorne«, antwortete er mit erschrockener Miene und deutete auf die Tür am Ende des Ganges.
Ohne auch nur noch ein einziges Wort zu sagen, drehte sich das Mädchen um und ging mit quietschenden Schuhen auf die Tür zu. Luke saß, immer noch zutiefst erschüttert, auf seinen Knien und betrachtete sein Spiegelbild in der Pfütze, welche sich vor ihm ausgebreitet hatte.
Das war es dann wohl, dachte er sich und konnte nicht verhindern, dass ihm eine kleine Träne über die Wange lief.
»Technisch scheint sie ja recht sicher zu sein, doch so schüchtern wie die ist, wird sie es wohl nie zu etwas bringen, geschweige denn eine Gefahr für uns darstellen.« Georgiana Fitzgerald und ihre sogenannte beste Freundin Lucinda Backford waren gerade dabei, sich über die neue Schülerin ihrer Klasse auszutauschen.
»Da hast du vollkommen recht, Georgiana.
Außerdem scheint es mir, als hätte das kleine Mäuschen sowieso schon aufgegeben, oder siehst du sie hier etwa irgendwo?«, fragte Lucinda triumphierend und gab ein süffisantes Kichern von sich, in welches Georgiana gleich mit einstimmte.
Doch genau im selben Moment öffnete sich die große Eingangstür und ein kleines, blondes Mädchen in einem roten Trikot trat ein.
Ms Brooks drehte sich abrupt um und musterte das Mädchen mit einem strengen Blick.
»Pünktlichkeit ist wohl keine deiner Stärken, Kate«, stellte sie fest.
»Es gab da ein kleines Missgeschick, welches mich aufgehalten hat, aber jetzt bin ich ja da, Ms Brooks«, antwortete Faye in einem gleichgültigen Tonfall.
Lucinda blickte erschrocken zu Georgiana und stupste sie mit dem Ellenbogen in ihr dürres Gerippe. Doch Georgiana ließ sich nichts anmerken und starrte nur in Richtung Kate.
»Nun gut. Wollen wir an deinem zweiten Tag mal nicht so sein«, fuhr Ms Brooks mit einem leichten Lächeln fort. »Stell dich an die Stange hinter Lucy Anderson.«
Mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht winkte der nun etwas verwirrt dreinschauenden Faye ein zierliches Mädchen mit hellbraunem Haar in einem hellblauen Trikot zu.
»Ich hatte gehofft, du hättest heute wieder dasselbe Trikot an wie gestern. Dann wären wir farblich abgestimmt gewesen, aber rot steht dir auch wirklich sehr gut«, sagte Lucy freudig. Sie hatte sich am vorigen Tag anscheinend ein bisschen mit Lizzy angefreundet.
»Danke. Aber morgen trage ich dann wieder hellblau«, entgegnete Faye und lächelte zurück.