Читать книгу Adrien English: In Teufels Küche - Josh Lanyon - Страница 6
Kapitel Zwei
ОглавлениеIn der Stille, die ihren Worten folgte, hörte ich, wie Weihnachtsschmuck von den Ästen der über drei Meter hohen Edeltanne, die über ein Viertel des Esszimmers einnahm, zu Boden fiel.
„Wie bitte?“
„Ich denke darüber nach, wieder zu heiraten.“ Entzückendes Erröten.
„Jemanden, den ich kenne?“
„Ratsherr Dauten.“
Meine Gabel klirrte gegen den Unterteller aus Messing.
„Ratsherr? So nennst du hin? Hat er keinen Vornamen?“
„Du klingst ziemlich angriffslustig, Adrien“, beobachtete meine Mutter. „Gefällt dir die Idee nicht?“
„Von Ratsherr Dauten? Ich bin nicht sicher. Habe ich den schon mal getroffen?“
Lisas Augen verengten sich. Klar und deutlich fragte sie: „Hast du ein Problem mit meiner Idee einer Wiederheirat?“
Hatte ich? Was auch immer ich empfand – in meinem Kopf schrillte ein Gemisch aus quietschenden Bremsen, zersplitterndem Glas und Sirenen –, es war nicht logisch. Lisas Heirat dagegen schon. Sie war immer noch jung – wenn man die Tatsache betrachtete, dass sie meine Mum war; und wunderschön, auch das, wenn man die Tatsache betrachtete, dass sie meine Mum war.
„Nein, natürlich nicht“, sagte ich. Wie hörten beide meinem Tonfall nach. Mit mehr Nachdruck fügte ich hinzu: „Nein, ich meine, wenn du glücklich bist. Es ist … es kommt ein bisschen plötzlich, oder?“
„Das tut es!“, zwitscherte sie, als ob es das umso schöner machen würde.
* * * * *
Ein riesiger Schatten, der sich über mich beugte, weckte mich auf. Im Halbschlaf rappelte ich mich hoch.
„Ruhig, ruhig. Ich bin’s“, sagte Jake und glitt neben mir unter die Decke. Seine Hände und Füße waren eiskalt, als er mich in seine Arme zog.
Mit immer noch rasendem Herzen ließ ich mich wieder aufs Bett sinken. „Ich dachte, du kannst heute Abend nicht?“
„Ja, na ja.“ Er schwieg.
Die Straßenlampen warfen durch die Spitzengardinen Schneekristallschatten auf die gegenüberliegende Wand. Ich hörte leises Trommeln an den Scheiben.
„Regnet es?“ Ich hob den Kopf an und legte ihn auf seine Brust.
„Gerade angefangen.“ Er streichelte mir mit seiner kalten Hand über den Rücken, und als ich erschauerte, kniff er mir geistesabwesend in den Po. „Sie haben noch eine gefunden.“
Noch nicht ganz wach, dauerte es einen Moment, bis seine Worte ganz bei mir ankamen. „Noch eine was?“
„Noch eine Leiche.“
Da Jake bei der Mordkommission arbeitete, wusste ich, dass mehr daran sein musste als nur eine einfache Leiche. Schließlich fiel mir unser Gespräch von vor ein paar Tagen wieder ein. „Du meinst wie bei dem Ritualmord?“
Er nickte. „Vielleicht. Diese war älter. Vielleicht ein Jahr alt. Stark verwest. Aber an dem Baum, unter dem sie vergraben war, gab es Markierungen.“
„Markierungen?“
„Symbole. Unsere Leute arbeiten daran.“ Er strich mir wieder über den Rücken, seine Finger glitten träge über Knochen und Gelenke. „Es ist ja nicht so, dass ich noch nie irgendwelchen verrückten Mist gesehen habe. Geköpfte Ziegen, ausgeweidete Katzen. Ich habe schon mal eine an einen Baum genagelte Kuhzunge gesehen.“
„Diese schrulligen Baptisten.“
Jake schnaubte. „Du bist ein lustiger Kerl.“
„Lustiger Junge – daran erinnere ich mich.“
Ich spürte mehr als dass ich es sah, wie er bei der Erinnerung an unseren letzten Urlaub in dem Hauptgebiet des Goldrausches, einem Land, in dem die Zeit stehen geblieben war, lächelte.
„Es wird geschätzt, dass es ungefähr fünfzigtausend Santeria-Anhänger im Gebiet von Los Angeles gibt. Aber das hier ist … anders.“ Er schwieg. Ich hasste es, mir vorzustellen, woran er sich erinnerte. „Adrien, weißt du ehrlich nicht, wohin Angus gegangen ist?“
Ich rollte mich auf die Seite, stützte mich auf den Ellenbogen und versuchte, in der Dunkelheit in seinem Gesicht zu lesen. „Du machst Witze. Angus?“
„Ich möchte nur mit ihm reden.“
„Jake, auf gar keinen Fall ist er in so eine Geschichte verwickelt. So gut kenne ich ihn.“
„Ich sage nicht, dass er darin verwickelt ist. Aber wenn er am Rand dieser Szene mitmischt, hat er vielleicht etwas gehört.“ Bemüht neutral fragte er: „Hast du ihn hoch zur Ranch geschickt?“
„Nein!“ Tatsächlich war es mir überhaupt nicht in den Sinn gekommen, Angus nach Pine Shadow zu verfrachten – zu der Ranch, die ich vor vielen Jahren von meiner Großmutter geerbt hatte. Ich fragte mich, warum ich nicht selbst auf diese einfache Lösung gekommen war.
Endlich sagte ich: „Ich weiß nicht, wo er ist. Ich habe ihm die Kohle gegeben und ihm gesagt, dass er die Stadt verlassen soll.“
„Und wenn du raten würdest?“
Ich schüttelte den Kopf. Der Regen trommelte jetzt stärker. Wir hörten ihm schweigend zu. Er zog mich wieder an sich. Ich legte meine Wange auf seine Brust und lauschte dem Schlag seines Herzens.
Ich sagte: „Wenn er mich anruft – was soll ich ihm sagen?“
„Was auch immer ihn nach Hause bringt.“
So lagen wir eine Weile. Ich begann mich zu entspannen und wurde schläfrig, eingelullt durch Jakes träge Liebkosungen.
„Wie müde bist du?“, fragte er und unterbrach damit die Stille.
Ich lachte leise.
Die schwere Wärme unserer Körper, die sich in dem Durcheinander der Laken bewegten ... die wunderbare Reibung von bartstoppeligen Wangen und beharrten Beinen und Armen; leicht pelzige Oberkörper, die sich aneinander pressten. Die Weichheit von Mündern und Wimpern und seidigem Haar …
Er drehte mich auf den Bauch und ich spreizte die Beine; ich erschauerte, als Jake das warme Gel in der Spalte zwischen meinen Pobacken verteilte. Er benutzte seine Fingerspitze, presste sie gegen diesen ersten, instinktiven Widerstand; immer vorsichtig, sich immer viel Zeit nehmend, obwohl das in diesen Tagen absolut nicht nötig war, die ich stets in Erwartung und bereit für das Eindringen seines Schwanzes zu verbringen schien.
Ich seufzte, erwiderte den Druck, und sein Finger glitt in die dunkle Hitze meines Körpers. Ich murmelte meine Zustimmung. „Mehr, Jake.“
Vorsichtig bewegte er den zweiten Finger hinein und spielte ein bisschen, und ich hielt den Atem an.
„Gut?“
„Du weißt, dass es das ist.“ Ich zog meine Knie an und hob meinen Hintern einladend an. „Bitte, Jake ...“
Stattdessen bekam ich einen aufreizend langsamen dritten Finger, der mich mit unerträglicher, köstlicher Bedächtigkeit bearbeitete. Ich stöhnte. „Kannst du es nicht einfach tun?“
„Was tun?“
„Fick mich.“
Ich spürte seinen Atem an meinem nackten Rücken. Er murmelte: „Glaube nicht, dass ich das verstanden habe.“
„Jake“, flehte ich und buckelte gegen seine Hand. „Fick mich. Bitte.“
Ah, das magische Wort.
Wir bewegten uns, die Sprungfedern quietschten. Ich richtete mich leicht auf und stützte mich auf den Händen ab und er kniete sich hinter mich, seine Hand glitt über die Wölbung meiner Pobacken, er zögerte. Dann war es, als ob die Spitze seines Schwanzes das Passwort geflüstert hätte, und mein sorgfältig massierter Schließmuskel gewährte ihm Zutritt.
Mit steif aufgestützten Armen und seinem tief in mir vergrabenen Schwanz wiegte ich mich nach hinten gegen Jakes Hüften. Er bewegte sich nach vorn und schnell fanden wir uns in unserem ganz eigenen Rhythmus wieder. Die Finger seiner Hand krallten sich in meine Hüfte und hielten mich, während er kräftig in mich stieß. Seine andere Hand hatte er um meinen Schwanz gelegt und pumpte auf und ab, wobei er dann und wann aus dem Takt geriet. Ich verlagerte mein Gewicht auf eine Hand, legte die andere, freie, auf Jakes und bewegte sie zusammen.
Mittlerweile kannten wir uns gut, wussten, was uns gefiel und wann es uns gefiel. Es war bequem, und es war vertraut – und es erschütterte mich immer noch bis ins Mark, wenn ich es am wenigsten erwartete.
Wie jetzt.
Blut pulsierte in meinen Schläfen und hämmerte in meinen Adern, so dass ich unsere schnellen abgehackten Atemzüge, das laute Klatschen von Fleisch auf Fleisch und die Musik der Matratze kaum hören konnte. Ich spürte Jakes heißen Atem zwischen meinen Schulterblättern, köstliche kleine Schauer liefen meine Wirbelsäule hinab. Und ganze Zeit über das lustvolle Hineinzwängen und Gleiten, sanfter Rückzug und steifes Eindringen, wieder und wieder und wieder.
Ich grub meine Finger ins Bettlaken, gab die Kontrolle ab und ließ mich von ihm weiter und schneller nehmen.
„Oh Baby ...“, stieß er hervor, und ich spürte, wie ein unwillkürliches Grinsen die Spannung in meinem Gesicht brach, sogar noch, während ich mich verkrampfte und auf den langsam anschwellenden Sog der flüssigen Hitze konzentrierte, die mein Becken überflutete.
Mein ganzer Körper wurde davon ergriffen, spannte sich an wie die um meinen Schwanz gelegte Faust. Die elektrische Intensität des Orgasmus‘ hielt mich an Ort und Stelle, während eine Erleichterung meine Nerven, Muskeln und Knochen erschütterte, die an Glückseligkeit grenzte. Ich spritzte über unsere ineinander verschränkten Finger und seine Hand rutschte über die klebrige Feuchtigkeit.
Jake erstarrte, stöhnte auf, als sei er tödlich verwundet und ich spürte, wie feuchte Wärme in mir pulsierte und sein Sperma sich in mir ergoss.
Ich fiel zu einem schlaffen Bündel zusammen, Jake bedeckte mich mit seinem Körper. Feuchtigkeit unter mir, Feuchtigkeit, die aus mir hinauslief. Verschwitzt und erhitzt in Jakes kraftvollen Armen wollte ich mich am liebsten nie wieder rühren, während Lust immer noch in mir widerhallte wie ein langsam schwächer werdendes Echo.
„Ich konnte den ganzen Tag über an nichts anders denken.“ Das Eingeständnis ließ seine Stimme rau klingen. „Fühlt sich einfach so verdammt gut an mit dir.“
Ich nickte und brachte „Es ist gut“ heraus. Um ehrlich zu sein, überraschte es mich, wie gut es mit Jake war – wenn man seine vielen Komplexe und außerplanmäßigen Interessen in Betracht zog.
Er küsste meinen Nacken und ich spürte, wie mein Herz einen Salto schlug. Der Sex war großartig, aber es waren diese Momente stiller Zärtlichkeit ...
„Lisa überlegt, wieder zu heiraten“, sagte ich später, nachdem wir beide wieder zu Atem gekommen waren.
Er schnaubte unverbindlich und drehte den Kopf auf dem Kissen, um mich anzusehen.
„Es ist irgendwie seltsam, das ist alles“, antwortete ich auf seine unausgesprochene Frage. „Sie hat oft die Gelegenheit dazu gehabt. Hätte sie wahrscheinlich auch schon vor Jahren tun sollen, aber sie hat immer eine große Sache daraus gemacht, dass sie niemals jemand anderen als meinen Vater lieben kann.“
„Kennst du den Typ?“
Ich schüttelte den Kopf. „Ratsherr Dauten. Ich habe den Namen schon mal gehört, ihn aber nie kennengelernt.“
„Willst du, dass ich ihn mal gründlich durchleuchte?“ Er hörte sich amüsiert an.
„Vergiss es“, sagte ich unterdrückte ein Gähnen. „Das da draußen ist ein Dschungel.“
„Nö, nur Pasadena. Alles wird gut, Baby.“
* * * * *
Angus war nicht gerade ein Plappermaul. Vielleicht erinnerte ich mich deswegen so genau an die seltenen Informationsschnipsel, die er hier und da fallen gelassen hatte. Ich wusste noch, dass er mir gesagt hatte, dass er wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Professor Snowden war.
Ich machte ein paar Anrufe und fand ohne große Schwierigkeiten heraus, dass Dr. G. Snowden am Montagmorgen in Bunche Hall eine Vorlesung über Das Okkulte in populären Filmen und Fiktion halten würde.
Die University of California, Los Angeles (kurz UCLA) ist wie ein kleines Dorf mit eigenem Polizeirevier, Feuerwehr, Radio- und Fernsehstation, Restaurants und Geschäften. Es gibt sogar ein LGBT Campus Ressourcenzentrum. Ich weiß nicht, ob es dieses Angebot auch schon damals gegeben hat. Mein Vater hat seinen Abschluss an der Standford University gemacht, also erwartete Lisa, dass ich den ehrwürdigen Hallen seiner alten Alma Mater ebenfalls die Ehre erweisen würde. Das passte mir gut, denn die Nähe der Universität zu San Francisco und dessen Gay-Community lockte mich.
Aber weil ich viele Freunde an der UCLA gehabt hatte und schon viele kulturelle Veranstaltungen dort besucht hatte, kannte ich den Campus dort trotzdem einigermaßen. Ich wusste, dass Bunche Hall in der Nähe des Skulpturengartens lag, der aus fast fünf Morgen mit Gras und Bäumen bestand und unter anderem mit Arbeiten von Rodin und Matisse übersät war. Er war besonders schön im Frühling, wenn die Palisanderbäume in voller Blüte standen.
An diesem grauen Herbsttag blühten sie nicht. Kahle Bäume und nackte Skulpturen bildeten die passende Kulisse für Bunche Hall, das eines der hässlichsten Gebäude auf dem ganzen Campus sein musste. Es sah aus wie eine Scheibe Knäckebrot – nur aus Beton.
Ich fand Raum Nr. 1209B problemlos. Leise glitt ich in das dunkle Klassenzimmer und setzte mich in die letzte Reihe. Es war einer der letzten freien Plätze in dem Raum, der ungefähr zweihundert Personen fasste – ein Anzeichen dafür, dass Professor Snowden entweder sehr populär war oder dass seine Kurse Scheingaranten waren. In diesem Moment zeigte er ein Video eines Yu-Gi-Oh Cartoons.
Gelegentlich ragte Professor Snowdens große Silhouette drohend vor Yugi und seiner Gang auf der Leinwand auf, wenn er die Auffassung erläuterte, dass die okkulten Elemente in dem beliebten Kinder-Cartoon gefährlich waren. Er hatte eine angenehme Stimme mit einem Hauch von britischem Akzent.
„Christliche Fundamentalisten nehmen den Standpunkt ein, dass trotz der offenkundigen Themen von Freundschaft, Loyalität und Mut Filme wie Yu-Gi-Oh, Pokemon und Harry Potter vom Teufel benutzt werden, um unschuldige Kinder beziehungsweise ihren Geist für okkulte Ideen und dämonische Einflüsse zu öffnen. Ihnen wäre es lieber, wenn eure Gören ihre Gehirnwäsche von Pat Robertson, dem Fernsehprediger, bekommen.“
Das Plenum lachte.
Im Video sagte ein Cartoonmädchen: „Es ist ein Symbol unserer Freundschaft. Wenn Yugi sich duelliert, wird er wissen, dass er nicht allein ist. Ganz egal wie schwer es wird!“
Snowden sagte gedehnt: „Nicht, dass Yugi jemals allein ist, denn er ist besessen vom Geist des Yami Yugi, dem antiken ägyptischen Pharaoh.“
Noch mehr Gelächter. Es geht doch nichts über ein gebanntes Publikum.
Es gab noch eine kleine Diskussion, bevor Snowden das Video ausstellte. Jemand neben mir schaltete das Licht an.
Die Vorlesung war zu Ende, Studenten erhoben sich, redeten, packten ihre Bücher und Unterlagen zusammen und machten sich auf zur nächsten Zirkusvorstellung.
Snowden stand vorn, umgeben von einer Herde seiner treuesten, überwiegend weiblichen Anhänger, die um die letzten Krümel seiner Aufmerksamkeit wetteiferten. Ich ging durch den Gang auf ihn zu und beobachtete ihn dabei, wie er sie mit müheloser Leichtigkeit abfertigte.
Er war mittelgroß, schlank, mit langem, offenem leicht silbrigem Haar und einem hochmütigen, lebensüberdrüssigen Gesicht. Vage erinnerte er mich an Alan Rickman als Professor Snape, nur dass er Levis, Birkenstocksandalen und ein T-Shirt mit der Aufschrift Ich bin nicht Satan, ich bin nur einer seiner hochrangigen Diener trug.
Wenn er lächelte – was eher selten zu geschehen schien – veränderte das sein Gesicht vollkommen, und ich bekam eine Ahnung davon, worin seine Anziehungskraft lag. Ich blieb außerhalb der kleinen Gruppe stehen, bis das letzte Vögelchen, eine kleine Meise mit einem schwarzen Irokesenschnitt, pinker herzförmiger Brille und einem auf dem Kopf hängenden Kruzifix um den Hals mit einem letzten neugierigen Blick auf mich abflog.
Der Professor holte die Videokassette aus dem Gerät, als ich mich näherte. Er sah auf, seine Augen leuchteten in dem künstlichen Licht in einem prächtigen, brillanten Grün. Kontaktlinsen, dachte ich. Kein Mensch hatte so eine Augenfarbe.
„Ich habe Ihre Vorlesung genossen“, sagte ich. „Sind Sie also der Meinung, dass die Medien keinen besonderen Einfluss auf die Jungen und Beeinflussbaren haben?“
„Das wäre eine unhaltbare Position“, antwortete Snowden in diesem trägen Privatschul-Akzent. Er neigte den Kopf zur Seite. „Sie kamen am Ende meiner Vorlesung. Ich bevorzuge es, wenn Gasthörer um Erlaubnis fragen, bevor sie sich dazu setzen.“
„Bekommen Sie viel Gegenwind für Ihren Lehrplan?“
„Das hier ist die UCLA“, erwiderte er. „Man erwartet von mir, dass ich kontrovers bin. Und Sie sind –?“
„Neugierig.“
Er hob fragend eine Augenbraue.
Ich stellte mich vor, erläuterte meine Beziehung zu Angus. Ich erzählte ihm das Übliche: dass ich hoffte, ihn nicht zu einem ungünstigen Zeitpunkt erwischt zu haben und ob er einen Moment Zeit für mich hätte.
Er war sehr braun gebrannt und sehr muskulös, wie poliertes Teakholz. Dennoch strahlte er eine Energie und eine Männlichkeit aus, die alles andere als hölzern war. „So, Sie sind also Adrien English“, murmelte er. „Sieh mal einer an.“ Er musterte mich mit einem gewissen taxierenden Funkeln in den Augen, das man von Hetero-Männern normalerweise nicht bekommt. „Angus hat von Ihnen erzählt.“
Das bezweifelte ich nicht, denn ich hatte Angus schon mehr als einmal die Leviten lesen müssen, wenn er Snowden und die Inanspruchnahme durch die akademische Welt dafür verantwortlich gemacht hatte, dass er seine Arbeit nicht geschafft hatte. Da brauchte man seine Phantasie nicht besonders anzustrengen, um sich vorzustellen, dass er mich und den Buchladen als Sündenbock in umgekehrten Situationen benutzt hatte.
„Haben Sie Angus in der letzten Zeit gesehen?“
Er sah … alarmiert aus. Vielleicht las ich auch nur meine eigenen Bedenken in seinem von Natur aus reservierten Wesen. Schließlich sagte er: „Er hat die Vorlesungen am Freitag und heute verpasst. Ohne irgendeine Erklärung.“
„Vielleicht liegen mildernde Umstände vor“, sagte ich. „War Ihnen bewusst, dass er von ehemaligen Kommilitonen belästigt wird?“
Wieder hob Snowden auf eine extrem arrogante Art die Augenbraue, als sei er ein Mitglied der königlichen Familie. „Nein, war es nicht“, sagte er nach einer kleinen Pause.
„Anscheinend haben Angus und ein paar der anderen Kids an einem Kurs von Ihnen teilgenommen, den Sie ‚Praktische Magie‘ genannt haben. Hexerei in der modernen Gesellschaft. Wie auch immer, die unternehmungslustigen kleinen Lümmel sind einfach losgezogen und haben ihren eigenen Hexenzirkel gegründet – aber ich denke, das wissen Sie bereits.“
„Lächerlich“, sagte er scharf.
„Was ist lächerlich?“
„Warum …? Die Idee, dass ein Student – meine Studenten – das in die Tat umsetzen …“ Er hielt inne.
Ich zuckte mit den Schultern. Er roch ein bisschen nach Pfeifentabak – was ich gern mag – und nach Masculine, das ich selbst gelegentlich benutze. Das wiederum fand ich ein bisschen verwirrend.
„Sie glauben, diese … Kommilitonen belästigen Angus? Was genau meinen Sie mit belästigen?“
„Flüche – ich meine kein fluchen, ich meine Drohungen – ich habe selbst ein paar davon zufällig am Telefon gehört. Alexander Graham Bell würde das nicht gefallen.“
Die grünen Augen verengten sich. Ich muss gestehen, dass mir dieser Ausdruck nicht so angenehm war, wie der Blick, mit dem er mich zu Beginn angesehen hatte.
Als ich daraufhin nicht zu einem Häufchen Asche zerfiel, fragte er: „Was gedenken Sie dagegen zu tun?“
„Nun ja – ich kann mit einem Gespräch mit Ihnen anfangen. Wenn Sie irgendeinen Einfluss auf diese kleinen Scheißer haben, können Sie sie warnen. Vielleicht wissen die nicht, dass es sowohl das staatliche als auch das bundesstaatliche Gesetz verletzt, Leute am Telefon zu bedrohen.“
„Und wenn ich das nicht … wenn ich es nicht schaffe, sie zu beeinflussen?“
„Dann werde ich mit ihnen sprechen.“
Er prustete. „Mit wem sprechen? Wieso denken Sie, dass ich weiß, wer diese … diese jugendlichen Delinquenten sind?“
Ich machte mir klar, dass das hier wahrscheinlich reine Zeitverschwendung war. Wenn Angus Snowden vertraute oder glaubte, dass er ihm helfen konnte, wäre er selbst zu ihm gegangen. Aber ich war auf ihn angewiesen. Snowden war die einzige Spur, die ich hatte. Ich sagte: „Wenn Sie es nicht wüssten, dann hätten Sie es wahrscheinlich sofort gesagt, davon gehe ich jedenfalls aus.“
Seine Augen flackerten und bestätigen das als Wahrheit. Entweder wusste er, wer diese Arschlöcher waren, oder er hatte zumindest eine starke Vermutung. „Was qualifiziert Sie dazu, sich da einzumischen? Wieso denken Sie, dass Sie es nicht noch schlimmer machen, wenn Sie dazwischenfunken?“
„Meiner Erfahrung nach lebt so eine Geschichte von der Geheimhaltung. Wenn Sie es ans Licht bringen und an die Öffentlichkeit, schrumpelt es ein und wird vom Winde verweht.“
„Sie haben wohl schon Ihre Erfahrungen mit Kulten gemacht, was?“, fragte er höhnisch.
Ich erwiderte leichthin: „Wir haben alle Erfahrungen mit Tyrannen gemacht. Man kann sie schwarz anziehen und ihnen beibringen, schlechte Gedichte zu rezitieren, sie bleiben doch die gleichen Tiere.“
Er schaltete das Gerät aus. Mit dem Rücken zu mir sagte er: „Ich habe keinen Beweis, aber ich habe so meine Vermutungen. Werden Sie mir zugestehen, dass ich mich auf meine Art darum kümmere?“
„Wenn Sie es wirklich tun.“
Er warf einen Blick über die Schulter. Mit einem schiefen Grinsen sagte er: „Ehrenwort“, und hielt mir eine wohlgeformte, kräftige Hand hin.
Ich schlug ein. Sein Griff war warm – mit genau dem richtigen Druck. Ich fragte mich, wie weit ich dem Ehrenwort von Satans hochrangigem Diener trauen konnte.
* * * * *
Vor dem Cloak and Dagger wartete Bob Friedlander auf mich.
„Wir wollten nur kurz vorbeischauen und uns für Freitagabend bedanken.“
Wir, Eure Majestät? Vielleicht meinte er den Verlag, denn von Gabriel Savant selbst war weit und breit nichts zu sehen.
„Es war uns ein Vergnügen“, antwortete ich. „So viel Publikum hatten wir schon lange nicht mehr.“ Angus war ein Fan. Er hatte auf die Lesung gedrängt – und er hatte Recht behalten. Es war ein voller Erfolg gewesen. Schade, dass er nicht dabei gewesen war und es nicht genossen hatte.
„Ich hoffe, Sie haben viele Bücher verkauft?“
„Das haben wir in der Tat.“
Es schien, als würde Friedlander die Regale hinter dem Tisch, an dem Gabriel seine Bücher signiert hatte, genau unter die Lupe nehmen.
Neugierig fragte ich nach: „War die Ankündigung am Ende ernst gemeint? Ist eine Arbeit über geheime Kulte hier bei uns in Arbeit?“
Er warf mir einen gequälten Blick zu. „Nein. Ich kann mir nicht vorstellen, was Gabe sich dabei gedacht hat.“ Er stellte sich auf die Zehenspitzen, um das Regal oberhalb seines Kopfes zu untersuchen.
„Also ist kein Buch geplant?“
„Absolut nicht. Es war ein reiner PR-Gag. Eine dummer PR-Gag.“ Er nahm ein paar Bücher aus dem Regal.
„Was haben Sie verloren?“, fragte ich.
Sein Kopf zuckte zu mir herum. „Häh? Nichts. Na ja … um ehrlich zu sein, doch. Sie haben wohl nicht zufällig eine … eine Diskette gefunden, oder?“
„Was für eine Diskette?“ Ich dachte an irgendeine Lieblings-CD.
Friedlander sah nervös aus. „Eine Floppy Disk. Mit Recherchenotizen drauf.“
„Sie glauben, Sie haben sie hier verloren?“
„Ich habe sie nicht verloren“, sagte er irritiert. „Gabe denkt, er hat sie verloren. Er hat Freitagabend ziemlich viel getrunken, falls Sie es nicht bemerkt haben sollten.“
Und er lief durch die Gegend mit einer Floppy Disk in der Hosentasche seiner hautengen Lederjeans?
„Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich eine verlorene Diskette mittlerweile gefunden hätte“, sagte ich. „Aber ich kann gern die Augen offen halten.“
Sie musste ziemlich wertvoll sein, wenn Savant Angst hatte, ohne sie irgendwo hinzugehen – wie hatte er es dann nur geschafft, sie zu verlieren?
Widerstrebend drehte sich Friedlander zu mir um. „Das wäre großartig“, sagte er ohne Begeisterung.
„Diese Recherchen“, sagte ich, „könnten die irgendetwas mit dem Buch zu tun haben, das Savant nicht schreibt?“
Seine Brillengläser blendeten mich. „Es gibt kein Buch.“
„Aber vielleicht sollte es eins geben?“
„Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen. Sie haben keine Ahnung, was Sie da reden.“
„Und Savant hatte anscheinend keine Ahnung, wovon er redete, also fällt das wohl einstimmig aus. Nichtsdestotrotz ist das meinerseits nicht nur schnöde Neugier. Ich habe Gerüchte über eine Gruppe hier in L.A. gehört.“
Friedlander starrte mich an. „Mein Rat an Sie“, sagte er, „wenn Sie das nächste Mal Gerüchte hören – halten Sie sich die Ohren zu.“