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Kapitel Drei

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Gegen Ende des Samstagsbrunchs quetschte Lisa das Versprechen aus mir heraus, am Montag „unsere neue Familie“ bei einem gemeinsamen Abendessen kennenzulernen. Als ich wegen der Eile nachgefragt hatte, war sie rot geworden und hatte gesagt, dass der Ratsherr und sie eine Winterhochzeit in Erwägung zögen.

„Du meinst … diesen Winter?“

Sie nickte eifrig. „Wenn wir es durchziehen können.“

Da ich ganze Jahre damit verbracht hatte, Lisa dabei zu beobachten, wie sie alle möglichen Arten von Last-minute-Notfall-Spenden-Aktionen und Wohltätigkeits-Galas organisierte, ging ich davon aus, dass sie selbst eine komplette Militäroperation innerhalb kürzerer Zeit aufstellen könnte. Ich hatte keinen Zweifel daran, dass der Klang der „Hochzeitsglocken, der weichen, sangesreichen!“ die ganze Nacht über wallen und schallen würde oder wie auch immer zum Teufel es in diesem Gedicht „Die Glocken“ von Poe hieß.

„Wie groß wird denn unsere neue Familie?“ hatte ich vorsichtig gefragt.

„Bill hat drei bezaubernde Töchter.“ Sie seufzte ausgiebig und sentimental. „Nie hatte ich eine Tochter – jetzt werde ich drei haben.“

„Du magst Mädchen nicht mal.“

Entrüstet sagte sie: „Natürlich mag ich Mädchen!“

„Ich bin mir sehr sicher, dass du keines der Mädchen mochtest, das ich nach Hause mitgebracht habe.“

„Keines dieser Mädchen war die Richtige für dich, Adrien.“

Da hatte sie Recht.

Ich dachte mir, dass ich zumindest diese Abmachung einhalten müsste. Sobald ich es verantworten konnte, schloss ich den Laden, duschte, rasierte mich und holte in einer Art archäologischer Ausgrabung meinen dunkelgrauen Hugo-Boss-Anzug aus den Tiefen meines Schrankes. Das letzte Mal hatte ich ihn auf der Beerdigung von Robert Hersey getragen. Meine Stimmung war jetzt auch nicht unbedingt fröhlicher.

Die Fahrt mit dem Forester verbesserte meine Laune etwas. Es geht doch nichts über ein neues Spielzeug. Während ich auf die Autobahn abbog, führte ich eine Art innerlichen Fahrer-und-Auto-Monolog: bester Fahrkomfort mit ordentlicher Beschleunigung … leichte aber reaktionsstarke Lenkung … Die Gedanken an den Kampf gegen das Böse nahmen vorübergehend auf dem Rücksitz Platz.

Wir waren beim Pacific Dining Car an der West 6th Street in Los Angeles verabredet. Ursprünglich war dieses 1921 gegründete und legendäre, familiengeführte Restaurant ein auf einem gemieteten Parkplatz stehender Speisewagen gewesen. Hier brachen heute die hohen Tiere der Stadt, die Politiker, Juristen und Geschäftsleute von Los Angeles miteinander das Brot, hier schlossen sie ihre Geschäfte. Das Essen (und die Weinkarte) waren exzellent. Es war teuer, aber unprätentiös. Ich hielt es für ein gutes Zeichen, dass wir dort zu Abend essen würden und nicht in irgendeinem überteuerten, hippen Lokal.

Die anderen saßen schon am Tisch, als ich das Restaurant betrat, aber Lisa kam mir entgegen. Sie strahlte in einem Hauch von blau mit Perlen. Ihre Augen glänzten, sie hatte rote Wangen und sah nicht einen Tag älter als vierzig aus.

„Oh Liebling, du siehst so gut aus!“, flüsterte sie mir zu, bevor sie mich mit sich zog, um die Vierergang kennenzulernen.

Dauten erhob sich von seinem Platz am Kopf des Tisches, um mich zu begrüßen. Ich muss zugeben, dass er ganz anders war, als ich ihn mir vorgestellt hatte.

„Adrien.“ Er nickte mir kurz zu, aber sein Handschlag war durchaus herzlich. Er war groß, sogar noch größer als Jake, aber in der Mitte etwas schwammig. Groß und kahl. Seine Augen blitzten in einem jungenhaften Blau und leuchteten in seinem braun gebrannten Gesicht. Wahrscheinlich hatte er noch niemals wirklich gut ausgesehen, und ich hatte nicht den Eindruck, dass er viel Zeit darauf verschwendete, charmant zu sein. Aber ihn umgab Autorität. Die Aura von Macht. Es wäre schwer gewesen, jemanden zu finden, der meinem schlanken, kultivierten Vater weniger ähnelte.

„Sir.“ Ich versuchte, seinen Handschlag mit genau dem richtigen Gegendruck zu erwidern. Wussten diese Leute, dass ich schwul war? Würde das ein Problem sein? Nicht, dass es mich einen feuchten Dreck scherte, was sie davon hielten, aber wenn Lisa ihr Herz hieran gehängt hatte, wollte ich todsicher nicht das K.o.-Kriterium sein.

„Nenn mich Bill.“

Gott sei Dank, denn Pop würde ich diesen Typ niemals nennen.

„Und hier sind die Mädchen“, flötete Lisa, und klang dabei nervös.

Es schien eine ganze Horde zu sein. Lisa hatte Recht, sie waren reizend. Kurz war ich wie von einem Schmetterlingsschwarm umhüllt. Parfümierte Brüste und lange Beine und seidiges Haar überall, während die Mädchen sich um mich und sich selbst herum manövrierten, umarmten und Wangenküsse verteilten, sich bedeutungsvoll anlächelten und aus irgendeinem unerfindlichen Grund die Plätze tauschten.

Als wir endlich alle saßen, begriff ich, dass es nur drei waren. Die älteste, Lauren, war ungefähr so alt wie ich. Sie trug einen Ehering, obwohl weit und breit kein Ehemann zu sehen war. Die jüngste, Emma, war zwölf.

Ihre Getränke wurden gebracht. Meine Bestellung eines doppelten Drinks wurde von einem sympathisch aussehenden Kellner entgegengenommen. Dann redeten alle gleichzeitig los.

„Adrien schreibt Kriminalgeschichten und ist Inhaber einer Buchhandlung“, erklärte Lisa Dauten. Ich fragte mich, ob sie bis fünf Minuten vor dem Abendessen gewartet hatte, um die Neuigkeit zu verkünden, dass sie einen erwachsenen Sohn hatte. „Sie sind furchtbar clever und schrecklich bösartig, was sehr überraschend ist, denn er war immer der sanfteste kleine Junge.“

„Ihr Akzent ist so bezaubernd“, sagte Lauren über meine in England geborene Mutter und störte damit gnädigerweise meine Konzentration auf Lisas Monolog. „Ich liebe es einfach, sie reden zu hören.“

„Oh, ich auch“, sagte ich. „Besonders jetzt gerade.“

Das Kind zu meiner Rechten, Emma, kicherte. Ich grinste sie an.

Lauren und das mittlere Mädchen (wie zur Hölle war noch ihr Name?) waren große, gertenschlanke Blondinen, die auf eine typisch amerikanische Weise gut aussahen, wie lebendig gewordene Ralph-Lauren-Werbung. Die Kleine war dünn und schlaksig mit glänzendem schwarzem Haar und rosigen Wangen. Sie hatte die gleichen blauen Augen wie die anderen Familienmitglieder geerbt, die zusammen mit ihrem dunklen Haar sehr auffallend waren. Sie sah Lisa sehr ähnlich. Sie hätte als ihre Tochter durchgehen können – oder als meine Schwester.

„Wir lieben Lisa“, versicherte die Mittlere (Nancy? Natasha?) mir. „Sie ist so gut für Papa. Er vergöttert sie.“

Ich sah, wie Dauten Lisas Hand mit seiner gigantischen Pfote tätschelte, während sie weiter plapperte. Er trug einen goldenen Siegelring auf dem kleinen Finger. Schwarze Haare bedeckten seine Handrücken. Dankbar ergriff ich den doppelten Whisky, den der Kellner mir brachte und stürzte die Hälfte in einem Schluck hinunter.

„War der Verkehr sehr schlimm?“, fragte Lauren teilnahmsvoll.

„Wir werden alle zu deinem Buchladen kommen“, sagte die Mittlere. „Ich liebe Krimis! Ich lese sie nur. Wir werden es allen erzählen. Wir werden allen unseren Freunden sagen, dass sie auch kommen sollen. Weißt du, ich wollte schon immer in einem Buchladen arbeiten.“

Die Kleine, Emma, die mich nicht aus den Augen gelassen hatte, sagte plötzlich: „Du siehst aus wie jemand … ich weiß! Du siehst aus wie der Schauspieler aus dem Film. Red River.“

„John Wayne?“

Sie kicherte. Ja, sie war eine Süße.

Die Mittlere, Natalie – Natalie – sagte stolz: „Emma mag Schwarz-weiß-Filme“, als ob das junge Gemüse schon längst immatrikuliert wäre.

„Welche Filme gefallen dir?“, fragte ich Emma.

Ihre Antwort konnte ich nicht mehr hören, denn in dem Moment lehnte sich Lauren über den Tisch und flüsterte wie eine Geheimagentin im Dienst: „Also – was denkst du über ihren Plan, an Silvester zu heiraten, Adrien?“

„Äh …“

„Das lässt uns kaum Zeit!“ fiel Natalie ein, ebenso verschwörerisch. „Wir müssen sie hinhalten!“

„Wir müssen uns auch noch auf Weihnachten vorbereiten“, sagte Lauren zu mir. „Ach übrigens, du bist dieses Jahr Weihnachten bei uns, hat Lisa es dir schon gesagt?“

„Ich werde Brautjungfer!“, piepte Emma neben mir.

„Und du wirst die Braut zum Altar führen“, sagte Natalie zu mir.

Ich bestellte noch einen Drink.

* * * * *

Wir verabschiedeten uns auf dem Parkplatz, Lisa und die Mädchen quetschten sich in Dautens Jaguar, als es gerade anfing zu regnen. Der Jaguar schoss an mir vorbei, im Vorbeifahren sah ich verschwommen winkende Hände und lächelnde Gesichter. Ich nahm meine Krawatte ab und warf sie auf den Beifahrersitz.

Der Nieselregen wurde noch stärker, als ich auf die Autobahn fuhr. Ich legte eine CD in den neuen Spieler ein: Patty Griffins 1000 Kisses. Die ersten melancholischen Klänge erfüllten das stille Auto und schienen sich dem Takt der Scheibenwischer anzupassen.

Der krönende Abschluss dieses Abends wäre es natürlich, in eine Alkoholkontrolle zu geraten, also fuhr ich besonders vorsichtig nach Hause. Vorsichtig und deprimiert. Ich glaube, die aufgeregten Planungen der anstehenden Weihnachtsfeiertage hatten meine Gefühle in diese Abwärtsspirale trudeln lassen.

Ich mag Weihnachten. Nicht so sehr wie als Kind, aber ich habe wirklich Freude daran. Ja, ich weiß: es ist billig geworden, kitschig und kommerziell, aber das ändert nichts an der Grundlage dieses Festes. Und – natürlich – ist es die absolut beste Zeit des Jahres für die Cloak and Dagger Buchhandlung.

Das Problem, das ich mit Weihnachten habe, ist das gleiche, das die meisten Alleinstehenden damit haben – nämlich, dass es für Singles auch gleichzeitig die absolut einsamste Zeit des Jahres ist.

Es wären noch viel einsamere Aussichten gewesen, wenn ich nicht Lisa und eine Handvoll guter Freunde gehabt hätte. Und dieses Jahr hatte ich Jake. Irgendwie.

Natürlich wollte ich Weihnachten am liebsten mit Jake verbringen, aber mir war klar, dass das eher unwahrscheinlich war. Er würde bei seiner Familie sein, die anscheinend auch nach vierzig Jahren noch absolut keine Ahnung hatte, wie sehr James Patrick Riordan Männer mochte. Trotz der Tatsache, dass er wöchentlich mehrfach in meinem Bett und unter meinem Dach übernachtete, würde Jake sie auf gar keinen Fall aufklären (im wahrsten Sinne, sozusagen).

Ebenso unwahrscheinlich würde er Weihnachten in meinem Revier verbringen. Er war nicht gerade begeistert von der Tatsache, dass meine Mutter und Chan, sein Partner bei der Polizei, wussten, dass wir eine Beziehung hatten. Fügte man dieser Mischung vier weitere neue Unbekannte hinzu, würde ich ihn wahrscheinlich nie wiedersehen.

Bald hatte Jake Urlaub – er stand immer kurz vor dem Urlaub, denn er war ein Workaholic – und eine Zeitlang hatte ich mit dem Gedanken gespielt, zu versuchen, ihn zu einem Kurztrip zu überreden. Ich hatte gedacht, dass er sich auf neutralem Boden, wo niemand uns kannte, vielleicht wieder entspannen würde, und wir uns wieder so nah sein könnten wie im letzten Frühling. Aber ich war bis jetzt nicht dazu gekommen, ihn zu fragen, vermutlich auch, weil ich ziemlich sicher war, dass er nein sagen würde.

Ein paar verlorene Weihnachtslichter leuchteten entlang des Wegs, als ich den Colorado Boulevard entlangfuhr. Die Stechpalmenzweige an den Laternenpfählen sahen windzerrupft aus und passten in diese Geisterstadt. Ich bog in meine ruhige Seitenstraße ab. Die meisten Geschäfte waren dunkel und geschlossen.

Ich wohnte über der Buchhandlung. Das Haus war ursprünglich ein in den dreißiger Jahren errichtetes kleines Hotel gewesen. Ich hatte es gekauft, kurz nachdem ich einen ziemlichen Batzen Geld von meiner Großmutter väterlicherseits geerbt hatte. Ich hatte Stanford mit einem Abschluss in Literatur und der vagen Idee verlassen, dass das Betreiben eines Buchladens ein guter Nebenjob für einen Schriftsteller wäre. Zehn Jahre später hatte sich herausgestellt, dass Schreiben kein schlechter Nebenjob für einen Typen war, der einen Buchladen führte.

Nachts war in der Altstadt viel los, aber nicht in meiner Gegend. Hier leerte es sich gegen acht Uhr abends. Normalerweise mochte ich diese Zurückgezogenheit. An diesem Abend fühlte es sich einsam an.

Ich fragte mich, ob Jake eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen hatte, aber ich wusste, dass das unwahrscheinlich war. Ich würde ihn heute Abend nicht sehen, nicht an zwei Abenden nacheinander. Die CD begann von vorn. Ich lauschte kurz den süßen, traurigen Akkorden von „Rain“, dann schaltete ich den Player aus.

Als ich in die Gasse hinter dem Laden bog, glitten meine Scheinwerfer über die Steinmauer auf der Rückseite des Gebäudes. Ich nahm einen Schimmer wahr, wie von Augen, die in der Dunkelheit aufleuchteten. Verschwommen erhaschte ich ein Bild von etwas Beunruhigendem, von Absätzen, die gerade so eben aus dem Scheinwerferlicht meines Autos verschwanden. Ich trat auf die Bremse.

Hatte ich es mir nur eingebildet?

Ich wartete, den Motor im Leerlauf, den Fuß immer noch auf der Bremse, und die Scheibenwischer quietschten über die Frontscheibe.

Keine Bewegung im Schatten.

Eine Katze, dachte ich.

Eine wirklich große Katze.

Eine wirklich große Katze mit Turnschuhen.

Ich nahm den Fuß von der Bremse und rollte leise auf meinen Parkplatz. Ich zögerte kurz, dann machte ich den Motor aus.

Ein Windstoß wirbelte einen leeren Milchkarton über den Asphalt. Das war das einzige Geräusch, die einzige Bewegung in der Straße.

Ich stieg aus dem SUV und ging ins Haus.

* * * * *

Am nächsten Morgen sah alles nicht mehr so düster aus, aber das lag eher an dem Sonnenschein, der sich durch die bleierne Wolkendecke schob, als an irgendeiner emotionalen Erleuchtung meinerseits.

Ich hatte bei der Zeitarbeitsagentur nach einer Fachverkäuferin als Ersatz angefragt. Und sie hatten mir Mrs. Tum geschickt. Mrs. T war eine winzige, ältliche Dame, die praktisch kein Wort Englisch sprach, was mir einen Einblick darüber verschaffte, wie die Agentur meine Arbeit wahrnahm.

Mrs. Tum schien außerdem von leicht erregbarer Natur. Das stellte ich fest, als sie mir zu erklären versuchte, welches Graffiti sich auf der untersten Treppenstufe vor meiner Tür befand.

Als ich schließlich immer noch nicht „vere-stand“, packte mich Mrs. T mit ihrer puppenhaften Hand und zog mich mit sich nach draußen, so dass ich persönlich und aus allernächster Nähe einen Blick auf meine Schwelle und damit auf etwas werfen konnte, was wie ein mit Blut gezeichnetes Pentagramm aussah.

Adrien English: In Teufels Küche

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