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Kapitel 3

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Es liegt was in der Luft …


Wir trafen uns in Helsinki. Leevi kam von Kalifornien angeflogen und ich von Deutschland. Natürlich wollte ich einen genauen Reisebericht hören.

„Breathtaking war unglaublich schön, aber Zeit war viel zu kurz. Irgendwann wir machen drei months timeout und dann fahren wir beide. Nur du und ich und wir nehmen viel Zeit für Grand Canyon.“ Er küsste mich ganz innig.

„Oh ja, das machen wir. Ich wollte schon mit zwanzig einen Motorradführerschein machen, das werde ich jetzt nachholen.“

„Wirklich?“ Er rückte ein Stück von mir ab, um mich besser anschauen zu können.

„Ja, ganz wirklich“, sagte ich lachend, da ich ihm seine Zweifel deutlich anmerkte.

Leevi schüttelte seinen Kopf, schnaufte laut und drückte mich wortlos an sich.

Er hatte alles perfekt organisiert. Einmal in der Woche kam seine Putzperle zu uns raus ins Sommerhaus, machte alles schön sauber und kochte auch für uns. Ansonsten mussten wir halt selber kochen. Leevi hatte extra ein Kochbuch gekauft! „Es wird Zeit, dass sich jemand kümmert um dich“, hatte er ernst und bestimmt gesagt. Er war so süß!

Wir fuhren mit dem Boot raus, gingen schwimmen, saßen bis weit nach Mitternacht draußen. Herrlich! Es war ein außergewöhnlich heißer Sommer für Finnland und so wuchteten wir die Matratze auf den Balkon und schliefen draußen, wenn kein Gewitter kam. Ich konnte einfach nicht genug von ihm bekommen. Nie! Woher in aller Welt wusste er immer ganz genau, was ich gerade brauchte? Einmal fragte ich ihn danach. Er hatte sein Pokerface aufgesetzt und gesagt: „I can read your thoughts, always.“ Das konnte er natürlich nicht, aber irgendwie konnte er sie erraten? Jedenfalls war es der schönste Sommer aller Zeiten! Wir genossen unsere Zweisamkeit so sehr.

Am Samstag rückte, wie versprochen, Mirja mit Familie an. Auch Ida, das Kindermädchen, brachten sie mit. Sie war wirklich ein Sonnenschein. Beschäftigte die Kinder den ganzen Tag, legte Helena zum Mittagsschlaf hin und kümmerte sich um Elias beim Essen. So hatten wir genug Zeit für Mirja und Daniel. Leevi ging mit Daniel Bootfahren und ich setzte mich mit Mirja an den Steg, wo wir unsere Beine baumeln ließen. Im Hintergrund hörten wir Ida mit Jaana singen.

„Eure Ida ist ja wirklich nicht mit Gold zu bezahlen“, sagte ich.

„Ja.“ Mirja blickte hinüber zu den beiden. „Wir überlegen, ob wir sie fest einstellen sollen, dann könnte ich halbtags wieder arbeiten gehen.“

„Möchtest du das denn?“

„Ja, ich glaube es würde mir guttun. Ich muss langsam mal wieder etwas Anderes sehen und neue Menschen kennenlernen.“

Ich sah sie an und nickte. „Das kann ich gut verstehen.“

„Wirklich?“

„Ja, absolut. Warum hinterfragst du das so nachdrücklich?“

„Mom ist nicht begeistert von meiner Idee. Sie sagt, bei ihr wäre das etwas anderes gewesen, weil sie arbeiten gehen musste, aber sie hätte niemals freiwillig ihre Kinder alleine gelassen.“

„Ach, Mirja, du lässt deine Kinder doch nicht alleine. Ein Halbtagsjob. Die Kinder sind in der Zeit doch sowieso in der Schule oder im Kindergarten. Lass dir bloß kein schlechtes Gewissen einreden. Wichtig ist, was du willst und was Daniel dazu sagt.“

„Er versteht das total.“

„Na also, dann ist die Sache doch schon geklärt.“

Sie lächelte mich an.

„Danke, Mona. Ich weiß schon, warum ich mir immer eine große Schwester gewünscht habe.“

Ich drückte sie, „und ich könnte mir nichts Schöneres vorstellen, eine Schwester wie dich zu haben.“

Den Rest des Tages nahm mich Jaana in Beschlag und als sie am Abend alle zusammen wieder abfuhren, winkten wir ihnen noch lange hinterher. Arm in Arm gingen Leevi und ich zurück zu unserem Lagerfeuer. Plötzlich schnappte er mich und trug mich die letzten paar Meter.

„Hey, was soll das? Ich bin weder schwach noch betrunken, ich hätte die paar Schritte selbst laufen können“, sagte ich lachend.

„No.“

„Und warum nicht?“

„Weil ich will tragen dich auf meine Hände, for the rest of my life“, sagte er mit diesem Unterton in seiner Stimme, den ich so unvergleichlich sexy fand. Aber ich antwortete auf solche Feststellungen von ihm grundsätzlich nicht, da ich mir geschworen hatte, ihn niemals irgendwie festzuhalten und solch weitreichende Aussagen zu treffen. Er setzte sich, uns, auf die Holzbank, die wir vor das Lagerfeuer geschafft hatten.

„Oh, du bist so süß! Mein großer, starker Held“, sagte ich und küsste ihn.

„Ich muss fragen etwas?“

„Hm.“ Er hatte sein Gesicht in meine Halsbeuge geschmiegt und küsste meinen Nacken. Es war so schön, ihn ganz für mich zu haben!

„Ich … wollte fragen … Ah, bist du glücklich?“

Wie oft er mich das schon gefragt hatte?! Meine Güte! Überhaupt sagte er in den letzten Tagen ziemlich merkwürdige Sachen. Heute Mittag auch wieder. Mirja hatte seinen Lieblingskuchen mitgebracht. Wunderschön verziert, mit Sahnehäubchen und Kirschen oben drauf. Im Nu hatte er eine Kirsche herunter stibitzt, aber anstatt sie gleich in seinen Mund zu stecken, wie es sonst seine Art war, hatte er sie zuerst von allen Seiten eingehend betrachtet und dann zu mir gesagt: „Weißt du, beste an cake ist cream topping but on the top is cherry. Du bist wie cherry.“ Und dann hatte er mir die Kirsche in den Mund gesteckt. Jaana hatte sich kichernd die Hand vor den Mund geschlagen und ich wusste ehrlich gesagt auch nicht so recht, was ich mit dieser Aussage anfangen sollte. Wahrscheinlich war er einfach nur überglücklich, dass mit A-Records und dem neuen Album alles so gut klappte.

„Ja, sehr“, beantwortete ich seine Frage und meine Hand fuhr seinen Arm hinab. „Bevor ich dich kennengelernt habe, wusste ich überhaupt nicht, wie sich Glück anfühlt“, fügte ich leise hinzu. Ab und zu kamen die Erinnerungen an mein altes, trostloses Leben doch noch hoch. Da war ich nur froh gewesen, wenn nichts Schlimmes passiert war, aber das war kein Glücksgefühl gewesen.

„Oh, sweety“, er küsste mich und ich konnte nichts weiter dazu sagen.

„Und du, bist du auch glücklich?“, wollte ich von ihm wissen.

„Absolutely! Ich will nie mehr sein ohne dich.“

Da, schon wieder so ein Satz. Was sollte ich darauf antworten? Also saßen wir schweigend vor dem Feuer, bis er fragte: „Tell me, was haben butterflies damals gesagt an See?“

Ich wusste sofort was er meinte, aber wie kam er jetzt darauf? „Du gibst wohl nie auf, was? Ich habe dir doch schon hundert Mal gesagt, dass es ein Geheimnis ist.“

„Bitte! Ich möchte so gerne wissen!“

Wenn er mich mit diesem Blick ansah, wurden nicht nur meine Knie weich. „Also schön, ich sage es dir“, gab ich mich geschlagen und legte eine Pause ein, um die Spannung noch etwas zu steigern. „Es war ja nur ein Wispern, weißt du, und alles was ich verstehen konnte, war: „Schau ihn dir genau an, er könnte der Richtige sein. Dann haben sie gekichert und sind weitergeflogen.“

„Ah, clever butterflies“, amüsierte er sich, dann lachte er und kitzelte mich.

„Mach dich ruhig lustig über mich, du bist ja nur neidisch, weil du es nicht hören konntest.“

„Sicher. – Oh! There’s gonna be a thunderstorm.“

Ich blickte zum Himmel. „Ja, gut möglich.“ Es zog eine gewaltige, schwarze Wolkenfront heran.

„Hast du Angst vor thunderstorm?“

„Nein, habe ich nicht.“

„Sicher?“

Er glaubte mir mal wieder nicht. Sogar im leichten Dämmerlicht konnte ich seinen zweifelnden Blick erkennen. „Ich habe keine Angst vor Gewittern, wirklich nicht. Ganz im Gegenteil, ich liebe sie sogar.“

„Was daran liebst du?“ Er schmunzelte.

„Ich liebe es, wenn nach einem heißen Sommertag die ersten Wolken aufziehen, Wind aufkommt, es dunkler und dunkler wird, die Vögel verstummen; wenn man schon ein fernes Donnergrollen hören kann und irgendwann die erlösenden ersten Tropfen fallen. Aber dann geht es erst richtig los; der Wind braust, der Regen peitscht, Blitze zucken über den Himmel, dann zeigt uns die Natur ihre ganze Gewalt und wir können nichts dagegen tun.“

Er hatte mir ganz genau zugehört und mich eindringlich beobachtet. „Und warum liebst du so?“

„Weil … es einfach aufregend und unberechenbar ist!“

„Ah, my wife!“

Er küsste mich dermaßen ungestüm, dass ich hintenüber kippte und ihn mitriss. Geistesgegenwärtig ließ er sich auf den Rücken rollen und so landeten wir in der Wiese. Er zum Glück unter mir, sonst wäre ich platt gewesen.

„You are the one for me. Absolutely!“

Ich war nicht seine Ehefrau?! Warum sagte er wife? Wir hörten ein erstes Donnergrollen. „Ich liebe es aber auch“, fügte ich meiner Aussage hinzu, „wenn der Regen nachlässt, der Wind sich legt und die Vögel wieder anfangen zu zwitschern. Wenn der Himmel aufreißt, so unschuldig und blau, als wäre nichts gewesen.“

„I am with you, ich verstehe genau was du meinst“, er nickte. „Wir haben überstanden huge storm and now wir können genießen bessere Wetter.“

Zwar hatte ich daran überhaupt nicht gedacht, aber er hatte recht, das war wirklich ein guter Vergleich.

„Ah, good stuff for a new song by the way.“

By the way; an diesem Abend wurden wir noch ziemlich nass.

*

Nach ungefähr zwei Wochen wurde mir langweilig, aber ich hatte schon eine Idee, was ich dagegen tun könnte. Es war nun an der Zeit, die leeren Seiten des Buches zu füllen, welches Ganny mir zu Weihnachten geschenkt hatte. Und so begann ich, unsere Geschichte aufzuschreiben. Leevi hatte auch genug vom süßen Nichtstun. Ab September würde die Band mit dem Album auf Tournee gehen, aber er wollte bei dieser Gelegenheit gleich ein paar neue Songs ausprobieren. Ich spürte seine Unruhe. Er fühlte sich frisch, voller Tatendrang und zum ersten Mal in seinem Leben traute er sich an eine Sache heran, von der er immer gesagt hatte, dass sie so enorm schwierig, ja kaum machbar, sei; er komponierte seinen ersten Lovesong – Heartbeat Melody.

*

Am Donnerstag unserer letzten Urlaubswoche brach plötzlich Hektik aus. Am frühen Nachmittag eröffnete mir Leevi, dass er eine Überraschung für mich geplant hatte. Ich sollte mein blaues, langes Kleid, das ich bei der Hoteleröffnung und bei Grannys Geburtstagsparty getragen hatte, dazu anziehen.

„Na, du bist mir ein Scherzkeks!“, sagte ich lachend, „glaubst du vielleicht, ich trage das Kleid immer mit mir herum? Was soll ich mitten im Wald mit einem Abendkleid?“

Er verdrehte seine Augen. „Where the hell is it?“

„Ich weiß nicht. Ich bin mir nicht sicher, ob ich es mit nach Deutschland genommen habe, oder ob es noch in deiner Stadtwohnung hängt.“

„Okay, hurry up, wir fahren.“ Er klatschte in die Hände und trieb mich an, meine Sachen zu packen. Ich hasste solche Hals-über-Kopf-Aktionen zutiefst und tat genervt, aber insgeheim freute ich mich natürlich auf seine geplante Überraschung. Yeah! Da er offensichtlich nicht vorhatte, noch einmal zum Sommerhaus zurückzukommen, dauerte das Packen einige Zeit.

Auf der Fahrt nach Helsinki fragte ich ihn, ob ich nicht auch etwas Anderes anziehen könnte. Nein, es musste unbedingt das blaue Kleid sein. Gott sei Dank hing es treu und brav in Leevis Gästezimmerschrank.

Viertel vor acht verließen wir die Wohnung. Er in seinem blauen Anzug, ich in meinem blauen Kleid. Er führte mich in sein Lieblingslokal. Eine Art Penthouse mit sagenhafter Aussicht. Das einzig Merkwürdige an der Sache war nur, dass außer uns keine Gäste da waren. Ein Restaurant, in dem nur ein einziger Tisch eingedeckt war. Ich blickte mich verwundert um. „Sind wir die einzigen Gäste?“

„Heute ja“, sagte er grinsend und schob den Stuhl für mich zurecht. Freundschaftlich begrüßte er den Koch, der an unseren Tisch gekommen war, und stellte ihn mir als den berühmtesten Sternekoch Finnlands vor. Er würde heute nur für uns ein exklusives Acht-Gänge-Menü kochen.

„Leevi, du bist verrückt! Wirklich, so ein Aufwand. Du weißt doch ganz genau, dass ich gar nicht so viel essen kann.“ Ich schüttelte meinen Kopf.

„Ja“, sagte er gedehnt und nahm mir gegenüber Platz. „I am a little bit crazy. Wegen dir.“

„Wegen mir?“

„Oh, yes.“

Wie er diese Worte gesagt hatte, so tief, dass die Luft vibrierte. Er nickte und setzte mein heißgeliebtes Lausbubengrinsen auf. Also gut, wir widmeten uns dem Essen. Es war lecker, ja, ich war nicht so ein Feinschmecker, aber Leevi brach bei jedem Bissen in Begeisterungsstürme aus. Es gab von allem nur ein kleines Häppelchen, wie meine allerliebste Freundin Nina es ausdrücken würde, aber die beiden Desserts konnte ich beim besten Willen nicht mehr aufessen.

„Ich platze gleich“, sagte ich und rutschte, wenig ladylike, tiefer in meinen Stuhl und ließ meine Arme seitlich herabbaumeln.

„Come on! Du kannst nicht schlappmachen. Abend ist noch nicht zu Ende.“

Er verspeiste mit größtem Genuss auch noch meine Desserts. Dann gab er dem Ober ein Zeichen und es ertönte „I Wonder Why“ aus den Lautsprechern. Er stand auf, richtete theatralisch die Revers an seinem Sakko, hüstelte gekünstelt und verbeugte sich vor mir.

„Darf ich bitten?“

Er hielt mir seine Hand hin. „Leevi, was soll das? Ich habe schon wieder eine Ganzkörpergänsehaut. Du weißt doch, dass ich bei dem Lied immer weinen muss.“

Er sagte gar nichts, zog mich in seine Arme, nahm Tanzhaltung an und führte mich, gar nicht mal so schlecht, durch den leeren Saal. Ich war dermaßen verblüfft, dass ich das Weinen total vergaß. „Wo hast du tanzen gelernt?“

Er freute sich diebisch, dass ihm diese Überraschung gelungen war.

„Ich habe gelernt von meine große Bruder.“

„Was? Wann?“

„Als wir unterwegs waren.“

„Nein!“, ich brach in Gelächter aus, „du hast bei Kimi tanzen gelernt?“ Vor meinem geistigen Auge sah ich die beiden in Motorradkluft auf irgendeinem Rastplatz langsamen Walzer üben.

„Klar, dazu große Brothers schließlich sind da, oder?“, sagte er so leicht dahin, dabei war es ihm ganz bestimmt unglaublich schwergefallen. Wenn das keine Liebeserklärung war? Jetzt kämpfte ich doch noch mit den Tränen.

„Du bist verrückt“, sagte ich zum zweiten Mal an diesem Abend und schmiegte mich in seinen Arm. Ja, es war mein heimlicher Traum, mit ihm, meinem Traummann, zu diesem Lied übers Parkett zu schweben. Na ja, wenn es auch kein wirkliches Schweben war, aber der gute Wille zählte doppelt und dreifach. „Ich liebe dich“, sagte ich gerührt und fuhr mit meiner Hand seinen Nacken hinauf.

„I love you more, so much more“, hauchte er mir ins Ohr und in seiner Stimme lag wieder dieses unbeschreibliche Etwas, das alles in mir zum Beben brachte und mein Hirn auf den Standby-Modus herunterfuhr. Er küsste meinen Hals und meine nackte Schulter, zog mich noch enger an sich. Seine Hand hatte die richtige Stelle einer korrekten Tanzhaltung längst verlassen.

„Wird dieser Abend wieder so enden wie nach der Hoteleröffnung?“, fragte ich ihn anzüglich und blinzelte zu ihm hinauf.

„You never know“, sagte er geheimnisvoll, zuckte mit seiner linken Augenbraue und grinste. Als das Lied zu Ende war, hob er seinen Arm, sodass ich eine Drehung machen konnte, ließ meine Hand aber nicht los und ging vor mir auf sein Knie. Er sah zu mir auf, er, mit seinen gut eins neunzig Körpergröße, sah zu mir auf. Seine ohnehin schon tiefblauen Augen kamen mir noch dunkler vor, als er sagte: „Mou. I don’t ever want to be without you. Please, marry me!“

Diese Worte trafen mich wie ein Hammer. Mein Herzschlag setzte kurz aus, mir wurde heiß, glühend heiß und schwindelig. Der ganze Raum drehte sich um mich, mir wurde schlecht, tosend übel, sodass ich mir die Hand auf den Magen drücken, meine Augen kurz zu machen und nach Luft schnappen musste … Ich glaube, ich schwankte tatsächlich ein bisschen, denn Leevi sprang auf, packte mich, trug mich zu unserem Tisch zurück und setzte mich auf meinen Stuhl. HEIRATEN!, dröhnte es in meinem Kopf. Er wollte mich heiraten. Oh Gott! Nein, nein, das geht nicht. Ich kann ihn nicht heiraten, niemals. Er musste frei sein. Das hatte ich mir doch geschworen. Als ich meine Augen aufschlug, kniete er wieder vor mir, hatte meine Hände in seine genommen und sah mich besorgt an. „Come on“, er griff nach meinem Wasserglas, „trink etwas.“ Ich schüttelte nur stumm meinen Kopf. Dann hörte ich eine Tür klappern, der Ober, der sich diskret zurückgezogen hatte, lugte um die Ecke und verschwand sofort wieder.

„What`s wrong, darling?“ Leevi lachte. „Habe ich umgehauen dich?“

Ja, das hatte er, in der Tat. Ich griff wortlos nach meiner Tasche und verließ den Saal. Er kam hinter mir her gestürmt. „Mona! Wait!“ Am Fahrstuhl hatte er mich eingeholt. „Was soll das?“

Wie sollte ich ihm das hier auf dem Flur erklären? „Lass uns nach Hause fahren“, sagte ich leise.

„Okay.“ Er zuckte ratlos mit den Schultern. Der Aufzug brachte uns in die Tiefgarage und wir fuhren schweigend nach Hause. Als er die Wohnungstür hinter uns geschlossen hatte, sagte er: „Komm, wir gehen auf Dachterrasse.“ Er nahm mich an der Hand und führte mich hinaus. Das war eine gute Idee. Ich trat an die Brüstung und ließ meinen Blick zum Golf von Finnland schweifen. Ein paar tiefe Atemzüge. Herrlich! Die kühle Abendluft füllte meine Lungen und versorgte mein Gehirn mit neuem Sauerstoff. Leevi zog sein Sakko aus und hängte es mir über die Schultern. „I thought, du wirst freuen dich“, sagte er traurig und irgendwie ratlos. Ich drehte mich zu ihm um. „Das tue ich ja auch, auf der einen Seite. Aber wozu? Warum sollten wir heiraten?“

„Because I love you!“ Kam seine denkbar einfache Antwort.

„Ich liebe dich auch, das weißt du und ich fühle mich verheiratet, seitdem du mir diesen Ring angesteckt hast.“ Ich hielt meine linke Hand hoch. Er nahm sie und küsste sie.

„Aber es nicht ist dasselbe. Wir brauchen Papier.“

Ich verstand nicht. „Welches Papier?“

„Marriage certificate.“

„Wozu um alles in der Welt brauchst du eine Heiratsurkunde?“

„Ich nicht brauche. Du brauchst, wenn anything happens to me.“

Ich schüttelte meinen Kopf und mein Herz fing an zu rasen. Ich glaube, ich wollte das gerade nicht verstehen. „Was soll dir denn passieren?“

„We spend a lot of time on the road, in Flugzeug. Ich möchte sicher sein, dass du bist … cared for.“

Ich sah ihn fassungslos an, schüttelte immer noch meinen Kopf und presste mir die Hände auf die Ohren. „Hör auf damit“, schrie ich ihn an und gleichzeitig liefen die Tränen über mein Gesicht, „ich will das nicht hören. Nie mehr!“, rannte hinein und schloss mich im Gästezimmer ein. – Ihm durfte nichts passieren, niemals! Das würde ich nicht überstehen. – Na, ganz toll! Unser erster Streit und das, wegen einem Heiratsantrag! Einen verrückteren Grund konnte es ja wohl wirklich nicht geben. Nach einer Weile klopfte er: „Mou, open the door, come on.“

„Nein, ich schlafe heute Nacht im Gästezimmer.“

„Okay, du willst nicht heiraten mich. May I know why?“

Ich gab ihm keine Antwort und er trollte sich. Dann hörte ich ihn drüben im Schlafzimmer herumgehen. Er telefonierte lautstark auf Finnisch. Ich putzte mir die Nase und versuchte aus dem verflixten Kleid herauszukommen. „Mist verdammter!“, fluchte ich laut vor mich hin. Man musste sich den Arm auskugeln, um an den Zipper vom Reißverschluss zu kommen und dann klemmte sich auch noch das Futter ein. Nach einigem Ziehen und Zerren gelang es mir endlich, das Kleid einfach über den Kopf auszuziehen. Ich kroch unter die Bettdecke und machte meine Augen zu. So eine Scheiße! Eine Weile später hörte ich die Wohnungstür klappern und kurz darauf war das Auspuffröhren seines Sportwagens zu vernehmen, als er aus der Tiefgarage fuhr. Er war weg, auch gut. Konnte ich wenigstens ins Badezimmer gehen. Danach hängte ich mein Kleid auf und versuchte den verklemmten Reißverschluss wieder hinzukriegen, aber ohne Erfolg. Wohin konnte er gefahren sein? Bestimmt zu irgendeinem Kumpel oder vielleicht zurück ins Sommerhaus? Keine Ahnung. Er war schließlich alt genug und konnte auf sich selber aufpassen. Trotzdem hatte ich ein schlechtes Gewissen und machte mir Sorgen. Ich ging zurück ins Gästebett, ließ die Tür aber offenstehen.

*

Irgendetwas ließ mich aufwachen. Vorsichtig linste ich mit einem Auge. Leevi kam hereingeschlichen, mit freiem Oberkörper und nur in Boxershorts, sein Haar noch feucht vom Duschen. Schnell drückte ich mein Auge wieder zu. Vermutlich ging er gerade vor meinem Bett in die Hocke. Er roch so gut. Wie unfair ist das denn?

„Good morning, my love!“, flüsterte er und küsste meinen Arm der auf der Bettdecke lag. Scheinbar war er nicht sauer auf mich. Ich stellte mich schlafend.

„Du hast geblinzelt, ich habe gesehen“, amüsierte er sich.

„Hm“, machte ich nur. Heute wollte ich bockig sein. So eine Schnapsidee aber auch mit der Heirat! Wie er nur darauf gekommen war? Wozu braucht man heute noch einen Trauschein? Man konnte das alles doch auch sicher anders regeln. Mit Vollmachten und so.

Ich hörte ihn leise glucksen. Seine Finger krabbelten unter meine Bettdecke und über meinen Bauch.

„Das kitzelt, lass das“, knurrte ich, drehte mich auf die andere Seite und somit ihm den Rücken zu. Er kletterte über mich hinweg auf die andere Seite des Bettes und steckte seinen Kopf unter meine Decke.

„Oops, you are naked“, stellte er fest und küsste meinen Bauch. „Almost“, jetzt zuppelte er an meinem Slip herum.

„Hör auf damit, ich bin nicht in Stimmung“, sagte ich und versuchte ihn weg zu schieben.

„Hohoho“, lachte er ein tiefes, fettes Lachen aus seinem Bauch heraus. „Really? First time, dass du nicht bist in love mood“, bemerkte er richtigerweise. Seine Hände waren schon wieder überall und nirgends und seine Lippen … Herr im Himmel! Ich hielt die Luft an, spannte alle meine Muskeln an, versteifte meinen ganzen Körper, aber das nutzte alles nichts, überhaupt gar nichts. Oh, verdammt! Jeder Widerstand war zwecklos.

* * *

Herzturbulenzen

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