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Kapitel 5

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Und auf einmal weißt du,dass es Zeit ist etwas Neues zu beginnen.


Wir sollten Mom sagen“, meinte Leevi, nachdem ich am gestrigen Abend in meinem blauen Kleid laut und deutlich JA gesagt hatte.

„Sicher“, antwortete ich ihm. Obwohl ich es lieber zuerst Granny gesagt hätte. Ich war mit seiner Mom nie richtig warm geworden. Es war ein komisches Verhältnis zwischen uns. So empfand ich es jedenfalls. Wir gingen freundlich miteinander um, aber es war nicht diese offene, grenzenlose Herzlichkeit von Granny und von ihrem sagenhaften Humor hatte sie nicht mal einen Hauch abbekommen. Vielleicht war es eben auch einfach so, dass eine Mutter immer nur das Beste für ihre Kinder wollte. Und ich war in ihren Augen eben nicht das Beste für ihren Sohn. Wir hatten nie darüber gesprochen, Leevi und ich. Er liebte seine Mom und ich hatte nicht die Absicht ihr gutes Verhältnis zu stören. Ich wollte noch nicht aufstehen, also kuschelte ich mich in mein Kopfkissen.

„Wen muss ich fragen für deine Hand?“ Leevi hatte seinen Kopf aufgestützt und sah mich an.

„Du musst niemanden fragen“, sagte ich lachend, „ich bin schon ein ganz großes Mädchen und kann das ganz alleine entscheiden.“ Obwohl mir diese Situation auch wieder bewusstmachte, wie alleine ich auf dieser Welt war.

„Ich könnte fragen Nina.“

„Hm, ich glaube, das wäre keine so gute Idee.“

„Was? Warum nicht?“

„Sie ist nicht so gut auf dich zu sprechen.“

„Warum? Wir haben doch so viel Spaß gehabt bei ihr.“

„Sie hat wohl gehofft, das mit Stefan und mir würde klappen … Sie ist eben wie deine Mom, sie will nur das Beste für mich.“

Er nickte und ich konnte spüren wie traurig er plötzlich wurde. „Hast du Streit mit ihr? Wegen mir?“

„Nein, ich habe keinen Streit mit ihr. Ich habe es ihr erklärt und sie hat es verstanden.“

„Aber sie ist böse auf mich.“

„Sie ist nicht direkt böse auf dich. Sie war eben sehr angetan von Stefan, weil er mir geholfen hat, mit dem Laden und so. Sie waren mit auf dem Herbstball und da war sie ganz begeistert von ihm.“ Ich tröstete ihn noch ein bisschen.

*

Am Nachmittag fuhren wir zu seiner Mom. Mir war irgendwie unbehaglich. Nach ein bisschen Small Talk ließ Leevi die Bombe platzen. „Mom, wir wollten sagen noch etwas.“

Sie ließ ihren Blick zwischen Leevi und mir hin und her wandern. Er nahm meine Hand und küsste sie.

„Wir werden heiraten.“

Nervös spielte sie an ihrer Kette herum. Es dauerte ein paar Sekunden zu lange bis sie sich gefangen hatte. Das musste jetzt auch Leevi auffallen.

„Wirklich, so plötzlich“, sagte sie dann perplex, „ist das nicht aus der Mode gekommen?“

„Mom! Years ago du immer hast gefragt, wann ich endlich heirate. And now?“ Er zuckte verständnislos mit den Schultern. Ich sagte gar nichts dazu und blickte stattdessen verlegen und beschämt, aber auch irgendwie bestätigt, auf meine Schuhspitzen. Sie schlug sich die Hände vors Gesicht, schüttelte sich und stand auf.

„Entschuldigt bitte.“ Sie drückte zuerst mich und dann Leevi. „Das kam jetzt so überraschend.“ Dann hatte sie sich wieder voll unter Kontrolle und es folgte ein Frageschwall: „Wann wollt ihr denn heiraten? Und wo? Gibt es eine große Feier? Wen müssen wir alles einladen? Heiratet ihr standesamtlich und kirchlich? Was wünscht ihr euch? Habt ihr schon Ringe ausgesucht?“

„Mom, Mom“, stoppte Leevi seine Mutter, „please, wir wissen noch nicht. Erst gestern Abend Mona hat ja gesagt.“ Er schaute mich an und ich konnte diesen seligen Ausdruck in seinem Gesicht erkennen, den er auch hatte, wenn er von seiner Granny sprach. Ich zwinkerte, schenkte ihm ein Lächeln und drückte seine Hand. „Ich will keinen anderen Ring haben“, sagte ich, „ich will diesen hier behalten.“

Ich drehte mit meinem Daumen an dem Ring herum den Leevi mir geschenkt hatte, als er von Australien zurückgekommen war.

„Was? Das geht doch nicht, ihr braucht doch Eheringe!“

„Leevi zieht sowieso keinen an“, gab ich zu bedenken.

„Stimmt“, sagte Leevi und zuckte wieder mit den Schultern, „wir brauchen nicht.“

„Aber das geht doch nicht, die Ringe gehören doch zur Zeremonie“, sagte sie kopfschüttelnd.

„Das können wir ja immer noch klären“, sagte ich um die Wogen zu glätten.

„Right.“ Leevi stand auf. „Come, wir wollen noch zu Granny.“

Granny reagierte genauso, wie ich es mir gewünscht hatte. Sie war total happy.

„Oh Kinder, ihr macht mich ja so glücklich“, sagte sie und küsste uns. Aber dann musste sie gleich wieder ein bisschen sticheln.

„Ich kann dir nur eins raten, Mona, bring dein Geld in Sicherheit, dieser Kerl frisst dir die Haare vom Kopf. Und bestehe bloß auf Gütertrennung, sonst kommt dein Häuschen schneller unter den Hammer als du es dir vorstellen kannst.“

„Granny“, empörte sich Leevi, „I earn enough money, was du immer denkst von mir!“

Granny zwinkerte mir zu.

*

Unseren letzten Abend in Finnland genossen wir auf Leevis Dachterrasse und schmiedeten Pläne.

„Willst du heiraten in Kirche?“, fragte mich Leevi vorsichtig. Fast ein bisschen ängstlich, hatte ich den Eindruck.

„Nein, auf keinen Fall! Womöglich noch in einem weißen Kleid mit Rüschen und Spitze, in denen die armen Dinger aussehen wie Sahnebaisers!“

Leevi schaute mich skeptisch an, aber dann begriff er, dass es mein Ernst war. „Jesus! You are great!“ Er küsste mich und wollte gar nicht mehr loslassen.

„Du willst wirklich nicht so großes Kleid haben?“

„Nein, auf keinen Fall.“

„Warum nicht? Alle girls wollen haben Traum in Weiß und sein princess for one day.“

„Ich bin keine Prinzessin. Noch nie eine gewesen.“

„Bist du sicher?“

„Ja, ich bin mir ganz sicher. Oder willst du unbedingt kirchlich heiraten?“

„Absolutely not! No.“ Er nahm sichtlich erleichtert einen großen Schluck Wein.

„Und ich heirate dich auf keinen Fall in einem schwarzen Anzug.“

„Okay, soll ich gehen naked?“

„Besser nicht“, ich tätschelte seinen Oberschenkel. „Wie funktioniert das eigentlich bei euch mit dem Standesamt? Muss man da auch ein Aufgebot bestellen?“ Er machte große Augen und zuckte mit den Schultern.

„Ich nicht weiß, aber ich frage Daniel.“

Er telefonierte. Ewig. Auf Finnisch. Also ich meine, bei Italienisch oder Spanisch versteht man ja wenigstens ein paar einzelne Brocken, aber Finnisch? No way! Ein absoluter Sprachalbtraum! Ich könnte das niemals lernen und ich bemühte mich auch gar nicht erst. Während der Telefonate tigerte er durch die ganze Wohnung und über die Dachterrasse. Die Wohnzimmertür rein, die Schlafzimmertür raus. So lief er ständig im Kreis, bis er sich endlich wieder neben mich setzte.

„Mirja war sauer, weil wir nicht gesagt haben ihr first. Mom hat sie angeruft. Da habe ich auch gleich Kimi gesagt.“

„Okay. Und was ist mit Lauri?“

„Der immer isst bei Mom, der weiß sicher schon.“

„Siehst du“, sagte ich und lehnte meinen Kopf an seine Schulter, „die Probleme habe ich nicht.“

„No.“ Er drückte mir einen Kuss auf die Schläfe. „Also, Daniel sagt, geht ganz schnell bei Amt. Ungefähr eine Woche. Wir müssen nur zeigen passport und birth certificate.“

„Was?“ Ich setzte mich auf. „Eine Geburtsurkunde? Ich glaube, so was habe ich nicht. Hast du deine Geburtsurkunde?“

„No, Mom muss haben.“

„Aha, na gut, das kriegen wir schon irgendwie hin. Ich werde zur Gemeinde gehen, wenn wir zurück sind. Da muss so was ja registriert sein.“

Aber zuerst mussten wir einen Termin festlegen. Wir wollten gerne zum Mittsommerfest heiraten, aber das war im Juni und in diesem Monat machte meine Kollegin bei DORA grundsätzlich Urlaub und ich übernahm die Vertretung, das ging also schon mal nicht. Außerdem musste Leevi auch erst noch seine Verpflichtungen checken.

Sonntagnachmittag flogen wir zurück. Leevi kam gleich mit, die Jungs würden am Dienstag anreisen. Ab Freitag hatten sie wieder Konzerttermine. Da sag noch mal ein Mensch, dass Frauen zu viel Gepäck hätten. Ich hatte einen Koffer, Leevi drei plus zwei Gitarrenkoffer, mit Gitarren versteht sich, die unbedingt mitkommen mussten. Einen Koffer mit normalen Klamotten, einen mit Sportsachen und Schuhen und einen mit Bühnenoutfits und anderem elektronischen Krimskrams. Das Übergepäck mussten wir natürlich bezahlen.

*

Für Mittwochabend luden wir Nina ein. Nachdem wir gegessen hatten, öffnete Leevi eine Flasche Champus.

„Champagner“, sagte Nina und rieb sich die Hände, „gibt es einen besonderen Anlass?“

Leevi schaute mich böse an. „Oh, du hast schon verraten.“

„Gar nix habe ich verraten“, wehrte ich mich.

„Okay.“ Leevi blieb stehen, räusperte sich und strich sein T-Shirt glatt. „Nina, ich wollte fragen etwas.“

Nina machte große Augen. „Achtung, was kommt jetzt?“ Sie lachte.

„Ich weiß, du bist böse mit mir“, er setzte seine Leidensmiene auf, „aber würdest du erlauben, dass ich heirate deine Freundin?“

„Wie bitte?“ Sie riss ihre Augen weit auf und schaute mich fragend an. Ich nickte nur. „Ah, geh! Ihr nehmts mi auf den Arm.“

„No, it`s true. Mona hat schon gesagt ja.“

„Wirklich?“

Ich nickte wieder. „Und ich wünsche mir, dass du meine Trauzeugin wirst.“

„Ja dann“, sie ließ ihre Blicke zwischen uns hin und her wandern, „soll es so sein.“ Sie drückte uns und dann griffen wir nach unseren Champagnergläsern um anzustoßen.

Nachdem sich die erste Aufregung gelegt hatte, sagte Nina zu Leevi: „Wage dich bloß nicht, Mona jemals unglücklich zu machen, dann bekommst du es mit mir zu tun.“

„Ich nicht habe vor“, sagte Leevi und zwinkerte mir zu.

„Mein Gott, ist das wundervoll. Darf ich es Michael und Simon erzählen?“

„Ja klar, ich will euch alle doch bei der Hochzeit dabeihaben. Wir werden allerdings in Finnland heiraten.“

„Ich war noch nie in Finnland. Natürlich kommen wir. Wie aufregend!“

Ich sah Leevi an. „Ich denke, wir sollten die Jungs jetzt dazu holen.“

„Yes“, Leevi stand auf, „das ist gute Idee, aber wir werden brauchen a lot more champagne.“

Ich holte noch vier Gläser und füllte sie. Leevi machte noch eine Flasche auf und ging dann nach unten, um die Jungs zusammenzutrommeln.

Sobald sie hereinkamen, ging das Geschäker los. Aki war ja genauso ein Witzbold wie Leevi.

„Leevi! Was zur Hölle machst du mit diesen zwei zauberhaften Ladys die ganze Zeit alleine?“

„Ich mache gar nix“, verteidigte sich Leevi.

„Komm schon, alter Junge“, er stieß ihn vor die Brust, „du kannst doch deine Finger nicht stillhalten.“ Er küsste Ninas Hand und stellte sich vor. „Das ist nicht in Ordnung.“ Er drohte ihm. Ich stellte Henrik, Rasmus und Mika vor. Die drei waren eher ruhige Vertreter. Mika deutete auf die Champagnergläser.

„Gibt es was zu feiern?“

„Ja“, sagte Leevi, drückte jedem ein Glas in die Hand und strahlte übers ganze Gesicht. „Jungs, big news: Mona und ich werden heiraten!“

„Aha“, bemerkte Mika nur, als wäre das keine besondere Überraschung, gratulierte zuerst mir und dann Leevi. Er war der Einzige, der bisher verheiratet war. Henrik, Rasmus und Aki beglückwünschten uns natürlich auch. Und dann kam Aki in Fahrt und packte Anekdoten aus.

„Einmal sind wir über zweihundert Kilometer zu einem vermeintlichen Konzert gefahren, aber als wir dort ankamen war die Halle zu. Kein Mensch weit und breit zu sehen. Unser Manager hier“, er deutete auf Leevi, „hatte einen falschen Termin aufgeschrieben.“

Und so erzählte er eine Story nach der anderen. Wir lachten Tränen. Es wurde noch eine dritte und vierte Flasche geköpft. Nina und ich tranken nur je ein Glas, so blieb entsprechend viel für die Jungs übrig.

Nachdem sich Nina verabschiedet hatte, schmiss ich die Bande raus. „So, Leute, Schluss für heute. Ich habe morgen zeitig einen Kundentermin und muss in mein Bett.“

Sie verzogen sich nach unten und schleppten Leevi mit.

Als am Morgen mein Wecker lärmte und mich aus einem tiefen Schlaf riss, war er nicht da. Vermutlich hatte er es vorgezogen in seinem Zimmer zu übernachten. Bevor ich ging, warf ich einen Blick hinein, aber es war leer. Die würden doch wohl nicht noch unten in der Küche sitzen? Ich ging hinunter um nachzusehen. Die Küche war leer, aber ich hörte leises Schnarchen aus dem Proberaum und spähte hinein. Mika und Leevi hingen einträchtig jeder auf einer anderen Sofaecke und schliefen. Oh Gott! Na ja, ihre dicken Köpfe mussten sie alleine ausbaden.

*

Das nächste viertel Jahr war der Wahnsinn. Wir hatten alle so viel zu tun. Ich mit den neuen Azubis, die am ersten September angefangen hatten, und parallel mit den neuen Bewerberinnen und Bewerbern. Hinzu kam im September auch noch die Inventur, der Jahresabschluss, mein Laden und immer noch die Aufträge, die ich durch die Hoteleröffnung erhalten hatte. Puh!

Die Jungs waren die ganze Zeit unterwegs. Zuerst in Deutschland, dann von Mitte bis Ende November in Österreich und in der Schweiz, Anfang Dezember in Russland und dann in ihrer Heimat, Finnland. Erst an Heiligabend sahen wir uns wieder. Es war eine viel zu lange Zeit gewesen. Ich hatte sie alle schrecklich vermisst. Und Leevi natürlich ganz besonders!

* * *

Herzturbulenzen

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