Читать книгу Immer geradeheraus - Jörg Dahlmann - Страница 11
Der Fall Holstein Kiel
ОглавлениеHolstein Kiel gegen VfL Bochum war eine in jeder Hinsicht bemerkenswerte Partie. Einerseits, weil es einen der kuriosesten Elfmeter in der Geschichte des deutschen Fußballs gab. Der Kieler Michael Eberwein, zuvor noch nie eingesetzt im Team der Schleswig-Holsteiner, wärmte sich hinter der Torauslinie auf. VfL-Stürmer Ganvoula schoss aufs Tor, aber circa acht Meter links vorbei. Eberwein sah das und stoppte den Ball, noch ehe dieser die Auslinie überschritten hatte. VAR Florian Heft informierte Schiedsrichter Timo Gerach darüber aus dem Kölner Keller. Gerach zog daraufhin Gelb für Eberwein und gab – obwohl der Schuss von Ganvoula weit am Tor vorbeiging – Elfmeter für VfL Bochum. Extrem kurios. Die Regel kannte kaum jemand, ich nicht und auch nicht Jugendnationaltrainer Christian Wück, der als Gast im Sky-Studio war. Aber darum ging es gar nicht bei der Beschwerde. Es ging darum, dass ich Hintergründe über die Trainersuche bei Holstein Kiel erzählt hatte. Ole Werner war zunächst als Interimstrainer für den gefeuerten André Schubert eingesetzt worden. Man wollte abwarten, wie Ole Werner – der parallel noch seinen Fußballlehrerschein in Bad Hennef machte – sich schlagen würde. Gleichzeitig verhandelte Kiel heimlich mit Markus Kauczinski, der zwar beim FC St. Pauli noch auf der Payroll stand, aber faktisch frei war. Doch diese Info aus topinformierter Quelle schmeckte dem Präsidenten Schneekloth natürlich nicht, schwächte sie doch Werners Position. Blöderweise saß nun Schneekloth in der Fernsehkommission, die für die Rechtevergabe zuständig war, und übte via „kurzer Dienstweg“ zu Sky Druck aus. Schneekloth beherrscht wirklich das Einmaleins der Hinter-dem-Rücken-Politik. Nicht mit dem Kritisierten sprechen, sondern direkt mit dem Vorgesetzten. Das liebe ich (Ironie!). Er ging also direkt meinen Chef Carsten Schmidt an und, ist doch klar, sagte ihm durch die Blume, dass solche Reportagen wie von mir die Aussichten, an neue Rechte zu kommen, nicht gerade verbessern würden.
Die Folge des kurzen Dienstwegs: Der Sky-Zweitliga-Chef Stefan Deckert beschwerte sich bei mir, das ginge so nicht, und – da er mir mangelnde journalistische Recherche nicht vorwerfen konnte – hielt mir vor, ich hätte Kiels Neumanager Uwe Stöver als „supersachlichen Aktentyp-Manager“ bezeichnet. Okay, das war wohl tatsächlich too much von mir. Aber auch kein Drama. Zudem meldete sich Redaktionsleiter Mario Nauen bei mir, was mir wie eine Fata Morgana vorkam. Schließlich hatten wir so gut wie nie Kontakt. Die erste richtige Kommunikation gab es jetzt. Dass ich mit dem Verärgern von Schneekloth den Kampf um die Bundesligarechte verschlechtern würde, trieb ihn dazu, mir mit einer Abmahnung zu drohen. Abmahnung? Abmahnung für einen freien Mitarbeiter? Ich weiß gar nicht, ob das rechtlich möglich ist. Aber gut: Es war eine miserable Vorstellung des Redaktionschefs. Eine typische „Luschi-Story“.
Ich versuche immer, mich bei Streitsituationen in die Lage des Gegenübers zu versetzen. Wie würde ich als Chef reagieren? Nun, ich würde Tacheles reden. Ich würde meinem Mitarbeiter reinen Wein einschenken. Schneekloth ist wichtig für Sky, weil er stimmberechtigt ist bei der Vergabe der für Sky lebenswichtigen Bundesligarechte. Und deswegen dürfe man ihn nicht verärgern.
Aber mit unabhängigem Journalismus hat das nichts mehr zu tun. Das ist Einschüchterung à la Bananenstaat. Schlimm. Aber leider die Realität.