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Eiteitei-Journalismus

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Ein weiterer Abgang ist typisch für Sky. Ecki Heuser wurde kein neuer Vertrag gegeben. Er war dem Sender zu unbequem. Immer wieder hatte es angeblich Beschwerden von Vereinen gegeben, dass er zu forsch fragen würde. Aber was heißt das schon? Er hakt nach. Er lässt sich nicht abspeisen. Er ist Journalist und kein Weichei. Klar, manchmal überzieht er auch. Wie beispielsweise im Interview mit Marco Reus, als er ihn in Sachen fehlender Mentalität löcherte. Aber unter dem Strich zeigt er klare Kante in einer Branche, die immer glattgebügelter wird. Stromlinienförmig. Weichgespült. Sky bevorzugt belanglose Eiteitei-Interviews. Hauptsache, nirgendwo anecken!

Zurück zur geplanten Trennung im Sommer: Diese war wie gesagt VOR der Thomalla-Story verkündet worden. So teilte ich es auf Nachfrage hin auch den Medien mit. Wider besseres Wissen mutmaßten dennoch viele von ihnen: Hat der Rauswurf mit dem Thomalla-Spruch zu tun? Tja, so geht Journalismus. Wo man früher davon sprach, dass Geschichten nicht „kaputtrecherchiert“ werden dürften, gilt heute: Egal, was er sagt, wir schreiben trotzdem, was wir wollen. Ist doch klar: Ein lasziv-provokantes Foto von Sophia Thomalla bringt mehr Klicks als mein Ü60-jähriger „Drömmelkopf“.

Was ich später erfahren habe: Wegen des Thomalla-Spruchs überlegten die Verantwortlichen damals, ob sie mich nicht sofort rauswerfen sollten. Ich wiederhole noch einmal: „Für eine Kuschelnacht mit Sophia würde ich mich auch auf die Bank setzen.“ Meine Güte, der Spruch ist geschmäcklerisch. Aber eine nicht tolerierbare Entgleisung? Es gibt immerhin auch solche (vor allem Fußballer), die den Spruch gelungen oder sogar ausgesprochen gut fanden.

Ich weiß genau, was die Berufs- und Hobby-Empörer jetzt denken: Ja, hat der denn nichts gelernt? Doch, habe ich. Vor allem, wie diese Moralapostel mit dem Wort Toleranz umgehen. Und mir ist jetzt klar, dass der ideologische Kampf um die Meinungsfreiheit inzwischen die Verwendung von Begriffen und Wörtern erfasst hat. Zu den angeblichen Skandalen um Sushi, Pizza, Quotenschwarzer, Vergasen werde ich später noch Stellung beziehen.

Erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang einen Herrn, der mir über Xing mitteilte, er würde bei der Volkshochschule Kuschelkurse anbieten. Er fordere Menschen auf, sich auch durch Körperlichkeit zu zeigen, dass sie einander mögen. Er lud mich ein, einen solchen Kuschelkurs zu besuchen. Sophia Thomalla dürfe ich ebenfalls mitbringen. Großartige Idee! Und sehr lustig.

Es kommt regelmäßig vor, dass man als Kommentator kritisiert wird. Natürlich. Jeder Fan sieht das Spiel vor allem aus der Sicht seines Vereins. Und selbstverständlich ist die Kritik nicht immer unberechtigt. Ich versuche mich selbstkritisch mit meiner Arbeit auseinanderzusetzen. So zum Beispiel mit meiner Kommentatorenleistung nach der Partie zwischen dem Hamburger SV und dem SV Sandhausen. Weltstadt gegen Provinz. Aufstiegskandidat gegen Abstiegskandidat.

Sandhausen durchlitt eine Durststrecke, hatte mehrere Spiele hintereinander verloren und dabei auch schlecht gespielt. Es sprach alles für die Mannschaft von Daniel Thioune, dem damaligen Trainer des HSV. Doch auf dem Feld dann die große Überraschung: Sandhausen, das bereits in der Saison zuvor die Aufstiegsträume der Hamburger zerstört hatte, spielte erneut den Spielverderber. Ballbesitz, Torschüsse, gelungene Aktionen – bei allen statistischen Werten lagen die Underdogs aus der Kurpfalz vorne. Aber dann geht der HSV durch ein halbes Eigentor in Führung. Spiel auf den Kopf gestellt. Mein Kommentar: „Die eigentlich bessere Mannschaft liegt hinten.“ Nach der Pause ändert sich das Bild nicht: Powerplay von Sandhausen, wie ich es von dieser Mannschaft selten erlebt habe. Dem HSV gelingt fast nichts, aber er schießt ein zweites Tor (wieder ein halbes Eigentor der Sandhäuser). Die HSV-Fans sind megaerleichtert, aber ich – und das war ein Fehler – reite auf den Unzulänglichkeiten des Dinos rum. Am Ende gewinnt der HSV klar mit 4:0. Jetzt wäre die Effizienz der Hamburger zu loben gewesen, stattdessen lobe ich das couragierte Spiel der Sandhäuser.

Viele HSV-Fans reagierten über diese einseitige Perspektive verärgert. Verständlicherweise! Was tun? Verstecken, verkriechen? Nein. Ich ging in die Offensive, suchte via Instagram den Kontakt zu einer HSV-Fangruppe und bot ein Live-Streaming an. Das kam dann auch am gleichen Tag zustande, und es ergab sich ein toller direkter Austausch zwischen Reporter und Fanbasis. Ich gestand ein, dass ich einen schlechten Tag erwischt und das Spiel nicht objektiv genug bewertet hatte. Der überwiegende Teil der Zuhörer, so schien es mir, fand meine Entschuldigung gut.

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