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III.Tatbestand 1.Objektiver Tatbestand

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285Erfasst werden die körperliche Misshandlung und die Gesundheitsschädigung.

286a) Tatobjekt muss schon ausweislich des Wortlauts – nicht anders als bei den Tötungsdelikten – eine andere Person sein.

287aa) Ebenso wie im Bereich der §§ 212, 222 werden pränatale Einwirkungen auf die Leibesfrucht nicht erfasst766. Da auf den Zeitpunkt der Einwirkung auf das Tatobjekt abzustellen ist, kann eine Schädigung der Leibesfrucht auch dann nicht vom Tatbestand erfasst werden, wenn – wie in den Conterganfällen – später ein Kind mit Gesundheitsschäden geboren wird.

Bsp.: Arzt T verschreibt aufgrund einer Sorgfaltspflichtverletzung der Schwangeren S Medikamente, die dazu führen, dass ihr Kind O mit Gesundheitsschäden geboren wird. – T verwirklicht nicht den Tatbestand des § 223, da Tatobjekt nicht die Leibesfrucht, sondern nur ein anderer Mensch sein kann. Da die Schädigung der Leibesfrucht auch nicht von § 218 erfasst wird, gelangt man zu dem wenig befriedigenden Ergebnis, dass fahrlässige pränatale Einwirkungen straflos bleiben767.

288Wird durch die pränatale Einwirkung der Tod der Leibesfrucht bewirkt, so entfaltet § 218 hinsichtlich einer etwaigen damit unvermeidlich verbundenen Körperverletzung der Schwangeren Sperrwirkung768.

289bb) Die Selbstverletzung des Opfers ist straflos769. Daraus folgt, dass auch die Beteiligung an einer eigenverantwortlichen Selbstverletzung des Opfers nicht strafbar ist. Hier können sich – nicht anders als bei den Tötungsdelikten – schwierige Abgrenzungsfragen zur Fremdverletzung stellen770. In Abweichung zu den bei §§ 212 ff. geschilderten Grundsätzen ist jedoch zu beachten, dass bei den Körperverletzungsdelikten grundsätzlich eine rechtfertigende Einwilligung des Opfers möglich ist.

290b) § 223 Abs. 1 enthält zwei tatbestandliche Varianten, zwischen denen sorgfältig unterschieden werden muss:

291aa) Unter einer körperlichen Misshandlung i. S. d. § 223 Abs. 1 Var. 1 ist eine üble und unangemessene Behandlung zu verstehen, die das körperliche Wohlbefinden mehr als nur unerheblich beeinträchtigt771. Hierunter können sowohl Substanzverletzungen als auch Funktionsbeeinträchtigungen fallen.

Bspe.: Verlust von Körperteilen, z. B. eines Zahns772 (Substanzverletzung); Beeinträchtigung der Sehkraft (Funktionsbeeinträchtigung); Abschneiden der Haare773.

292Daneben werden aber auch sonstige nicht unerhebliche Beeinträchtigungen des körperlichen Wohlbefindens erfasst.

Bspe.: Faustschlag774, Ohrfeige, Fußtritt775, Festhalten im „Schwitzkasten“776, Beschmieren des Körpers des Opfers mit Farbe, wenn sich diese nicht ohne weiteres entfernen lässt777, Übergießen der Haare und Oberkleidung mit Brennspiritus778, langes Fesseln oder kräftezehrende Übungen wie Liegestütze oder das Halten von Baumstämmen779.

293Das Empfinden von Schmerz ist dabei nicht erforderlich780. Die Beeinträchtigung darf jedoch nicht unerheblich sein, so dass Bagatellfälle nicht den objektiven Tatbestand verwirklichen.

Bspe. (Bagatellfälle): Leichter Klaps781, leichter Stoß vor die Brust782, kleiner Kratzer, leichte Hautrötung783, geringer Bluterguss eines Schülers bei Festhalten am Arm durch den Lehrer784.

294Auf der Grenze zu den Bagatellfällen liegt etwa das Bespucken des Opfers785. Entscheidend für die Lösung dieser Frage ist, ob man mit der h. M. die Beeinträchtigung des physischen Wohlbefindens verlangt786 oder ob man eine Beeinträchtigung des seelischen bzw. psychischen Wohlbefindens genügen lässt. Mit letztgenannter Ansicht kann man den Tatbestand damit begründen, dass das Wohlbefinden des Opfers durch Hervorrufen von Ekel nicht nur unerheblich beeinträchtigt wird. Die h. M. verneint hingegen eine Körperverletzung, weil sich die physischen Folgen durch Abwischen leicht beseitigen lassen; es verbleibt dann lediglich eine tätliche Beleidigung gem. § 185 Var. 2. Auch das Hervorrufen von Angst, Schrecken, Wut, Müdigkeit usw. genügt nach h. M. nicht787, soweit nicht im Einzelfall das physische Wohlbefinden als Folge beeinträchtigt wird788. Erforderlich ist, dass der „Körper im weitesten Sinne in einen pathologischen, somatisch objektivierbaren Zustand“ versetzt wird789. Beeinträchtigungen des rein psychischen Wohlbefindens können nur unter den Voraussetzungen des § 225 Abs. 1 erfasst werden, wenn der Täter also das Opfer z. B. „quält“790.

Bsp.:791 T möchte auf O mit einem Dolch einstechen. O kann gerade noch ausweichen und erlebt in Bezug auf das Tatgeschehen immer wieder Flashbacks. Da nach h. M. rein psychische Folgen nicht erfasst werden, liegt § 223 nicht vor.

295Anders ist nur zu entscheiden, wenn die Einwirkung auf das psychische Wohlbefinden mittelbar auch zu einer Beeinträchtigung des physischen Wohlbefindens führt792.

Bspe.: T erschreckt den O, worauf dieser einen schweren Schock erleidet; aufgrund des Telefonterrors des T erleidet O Kopfschmerzen. – Da T nicht nur psychische, sondern auch physische Beeinträchtigungen hervorruft, liegt eine Körperverletzung vor. Je nachdem, ob T vorsätzlich handelt, ist § 223 oder § 229 verwirklicht.

296bb) Eine Gesundheitsschädigung i. S. d. § 223 Abs. 1 Var. 2 setzt das Hervorrufen oder Steigern eines krankhaften Zustandes voraus. Krankhaft ist der vom Normalzustand der körperlichen Funktionen nachteilig abweichende Zustand793.

Bspe.: Anstecken mit einer Krankheit, Herbeiführen von Infektionen, Wunden, Fieber, Bewusstlosigkeit, Trunkenheit, exzessives Röntgen794 oder Knochenbrüche. Die Verabreichung von Betäubungsmitteln, die Infizierung mit einem HI-Virus, ohne dass die Krankheit dabei selbst bereits ausgebrochen sein muss795. Hingegen genügt das bloße Pusten von Zigarettenrauch und Spuckepartikeln nicht, soweit nur die Gefahr des Kontakts mit Viren und Bakterien besteht und daher gerade keine Gesundheitsschädigung herbeigeführt wird796.

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