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d) Exkurs: Schwangerschaftsabbruch bei minderjährigen Schwangeren

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Fraglich ist, ob minderjährige Schwangere rechtsverbindlich in einen Schwangerschaftsabbruch einwilligen können. Gemäss § 218a StGB setzt der straflose Schwangerschaftsabbruch die Einwilligung der Schwangeren voraus. Der Begriff der Einwilligung muss dabei im strafrechtlichen Sinne verstanden werden, d.h. verlangt wird nicht die volle Geschäftsfähigkeit, jedoch die Einsichts- und Urteilsfähigkeit der Schwangeren.[192] In der Lehre finden sich allerdings unterschiedliche Ansichten zur Einwilligungsfähigkeit minderjähriger Schwangeren. So wird einerseits die Meinung vertreten, dass die Einsichtsfähigkeit ab dem 16. Altersjahr zu vermuten und die Zustimmung der gesetzlichen Vertretung ab diesem Zeitpunkt folglich nicht mehr erforderlich sei.[193] Andererseits wird vor allem seitens der Rechtsprechung durchwegs festgehalten, erst ab dem 18. Lebensjahr die Einwilligungsfähigkeit einer Schwangeren in einen Schwangerschaftsabbruch anzunehmen, da bis dahin die Einwilligung dem gesetzlichen Vertreter bzw. dem Inhaber der elterlichen Sorge obliegt.[194] Dagegen wird zu Recht angeführt, dass betreffend die Einwilligung minderjähriger Schwangeren ein Abstellen auf deren Alter eine unzutreffende Pauschalisierung bewirke; vielmehr bedürfe es diesbezüglich einer entsprechenden Einzelfallbetrachtung.[195] Entgegen dem jeweiligen Alter der Schwangeren sollte demnach vielmehr die Einwilligungsfähigkeit als Kriterium hinzugezogen werden. Denn solange eine Schwangere einsichtsfähig ist sowie begreifen und einschätzen kann, welche Konsequenzen mit einem Schwangerschaftsabbruch verbunden sind, muss auch die Einwilligung einer minderjährigen Schwangeren Gültigkeit erlangen können.[196] Zusammenfassend konkurriert das dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht entstammende Selbstbestimmungsrecht der minderjährigen Schwangeren mit dem in § 1626 BGB normierten elterlichen Sorgerecht der Erziehungsberechtigten.[197] Die Rechtsprechung scheint sich dabei allerdings grundsätzlich für einen Vorrang des elterlichen Personensorgerechts auszusprechen.[198] Konkret wird überwiegend die Ansicht vertreten, dass allein eine Verweigerung der Zustimmung des Sorgerechtsinhabers zu einem Schwangerschaftsabbruch bei einer minderjährigen Schwangeren grundsätzlich noch keine missbräuchliche Ausübung des Sorgerechts zu begründen vermag, denn dadurch, dass ein Inhaber der elterlichen Sorge von einer minderjährigen Schwangeren das Austragen des Kindes verlangt, wird noch nicht das Wohl der minderjährigen Schwangeren gefährdet.[199] Eine Stütze findet diese Argumentation zweifelsohne in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach die staatliche Rechtsordnung grundsätzlich von einer Pflicht der Schwangeren zur Austragung des Kindes ausgeht.[200] Darüber hinaus hält § 107 BGB fest, dass eine minderjährige Person zu einer Willenserklärung, so auch zur Einwilligung in einen ärztlichen Eingriff, worunter auch die Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs zu zählen ist, grundsätzlich der Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters bedarf.[201] Allerdings kann das Verhalten der Sorgeberechtigten, also die Verweigerung der Zustimmung zu einem Schwangerschaftsabbruch, fehlerhaft bzw. missbräuchlich sein, nämlich dann, „wenn die Heranwachsende nicht die notwendige Unterstützung bei der Betreuung des Kindes und seinem eigenen Vorwärtskommen (z.B. berufliche Ausbildung) für die Zukunft nach der Geburt erhält“.[202] Denn auch die Entscheidungskompetenz des Sorgeberechtigten wird nicht zuletzt durch das Kindeswohl begrenzt.[203] Demzufolge können bei einer missbräuchlichen Ausübung der elterlichen Sorge und einer damit verbundenen Gefährdung des Kindeswohls gerichtliche Maßnahmen im Sinne von § 1666 BGB verhängt werden.[204] Im Zusammenhang mit einer missbräuchlichen Verweigerung der Einwilligung zu einem Schwangerschaftsabbruch kommt insbesondere § 1666 Abs. 3 Nr. 5 BGB in Frage, indem die Erklärung des Inhabers der elterlichen Sorge ersetzt wird, namentlich durch die Errichtung einer Ergänzungspflegschaft mit dem Wirkungskreis der Ersetzung der Einwilligung zum Schwangerschaftsabbruch.[205] Bei dieser Fragestellung sollte sich die Auslegung in Zukunft stärker an der reproduktiven Autonomie der einwilligungsfähigen Minderjährigen orientieren.[206]

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