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Zweites Kapitel Forschungsstand

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Die Forschung über Johannes Tauler setzte schon sehr früh ein, vor allem auf protestantischer Seite.88 Bereits 1584 erschien in Wittenberg von Michael Neanders die kleine Schrift „Theologia Bernhardi et Tauleri“89, deren Taulerteil einige Auszüge aus den Tauler zugeschriebenen Schriften enthält.90

Die erste Arbeit über Johannes Tauler schrieb um 1583 der Protestant Peter Glaser. Sie trägt den Titel: „Tauleri Christliche Lehre von dem fürnemsten heuptstücken der heiligen Schrifft (und sonderlich wie er seine Zuhörer auff Christum gewiessen) und dargegen die Bäptische irthume gestraffet habe.“91 Glaser beschreibt Taulers Leben, stellt in einigen Punkten dessen Lehre vor und zitiiert aus den Predigten.92

Der Wittenberger G. F. Heupelius brachte 1688 ein Buch über Tauler heraus: „Memoria Joh. Tauleri instaurata.“93 Heupelius gelangt aufgrund der in seinem Buch zitierten Aussprüche Taulers zu der Überzeugung, man solle Tauler nur mit grosser Vorsicht lesen.94

Die erste Dissertation über Tauler wurde von protestantischer Seite 1786 in Straßburg von J.J. Beck, hinter der wahrscheinlich der elsässische Pastor und Sozialreformer Johann Friedrich Oberlin (1740 – 1826) stand, unter dem Titel „De Tauleri dictione vernacula et mystica“ herausgegeben.95 Der bleibende Wert dieser Arbeit besteht darin, dass über den Inhalt der im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 verbrannten Taulerhandschrift Cod. A,91 ausführlich berichtet wird.96

Im 18. Jahrhundert ging das Interesse an mystischer Literatur stark zurück, da die Aufklärung mit dem Anliegen der Mystik nichts anzufangen vermochte.97 Das änderte sich wieder in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. 1841 brachte der Protestant Carl Schmidt eine Monographie über Tauler heraus.98 Schmidt versucht Taulers Denken systematisch darzustellen. Dabei nennt er Tauler einen Pantheisten wider Willen.99 In seinen Ausführungen orientiert sich Schmidt vor allem am sog. „Meisterbuch“ bzw. an der „Nachfolgung des armen Lebens Jesu“. Für ihn ist die „Nachfolgung“ das Hauptwerk Taulers.100 Erst einige Jahrzehnte später konnte Heinrich S. Denifle nachweisen, dass sowohl das „Meisterbuch“ als auch die „Nachfolgung“ nicht von Tauler stammen.101 Schmidts Verdienst um die Taulerforschung besteht darin, dass er den Inhalt der im Krieg von 1870/71 vernichteten Handschriften durch seine Abschriften bewahrt hat.102 Vom selben fehlerhaften Taulerbild wie Schmidt ist auch die erste umfassende Geschichte der Mystik in Deutschland von Wilhelm Preger geprägt (1874 – 93).103 Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts erschienen noch einige kleinere Abhandlungen über Tauler, auf die Helander in seiner Arbeit eigens hinweist.104

Zur Wende in der Taulerforschung kam es durch den Dominikaner Heinrich Seuse Denifle (1844 – 1905)105, der nachweisen konnte, welche Schriften Taulers echt bzw. unecht sind. Auf diese Weise war es ihm möglich, annähernd das heutige Textkorpus zu rekonstruieren.106 Denifle bricht

„mit den seit 400 Jahren tradierten und nur vereinzelt angezweifelten Vorstellungen vom Lebenslauf und Werk Taulers. Denifle zeigt gleichfalls, dass der immer wieder geäußerte Pantheismusverdacht bei Tauler keine Grundlage hat. Es ist nicht übertrieben, wenn man feststellt, dass die Taulerforschung damit an ihrem ‚Punkt Null‘ angekommen ist.“107

Zekorn beschreibt in seiner Arbeit ausführlich den Stand der Forschung bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein.108 Darüber hinaus geht Ruh auf den Forschungsstand bis 1996 ein.109 Alle Beiträge über Tauler, deren Qualität sehr unterschiedlich ist, zu besprechen, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Wir wollen deshalb nur auf die Veröffentlichungen und Arbeiten näher eingehen, die für diese Arbeit wichtig bzw. die neueren Datums sind.

Im folgenden sei ein kurzer Überblick über diese Arbeiten gegeben: 1961 erschien eine Gedenkschrift zum 600. Todestag Taulers110, in der in einzelnen Beiträgen Fragen zum Leben und Wirken, zur Gedankenwelt und Einflusssphäre Taulers behandelt werden und die viele Aspekte der vorangegangen Forschung enthält. Die Fülle der Themen, die von verschiedenen Autoren behandelt werden, bietet eine gute Übersicht in Taulers Welt und Denken.111

Die Arbeiten von Ignaz Weilner112 (1961) und Bernd Ulrich Rehe113 (1989) beleuchten Taulers Predigten auch aus dem Blickwinkel der Psychologie. Weilner möchte in seiner moral-theologischen Studie zeigen, dass es bei Tauler so etwas wie eine „Psychologie der Tiefe“ gibt.114 Laut Weilner hat Tauler „nicht irgendeine mystische Theorie entwickelt oder ein … überkommenes Schema“115 wiedergegeben. Tauler beschreibt vielmehr unermüdlich „einen bedeutsamen Erlebnisvorgang unter wechselnden Gesichtspunkten“116. Diesen Erlebnisvorgang, der in Taulers eigenem Leben seine Grundlage hat117, stellt Weilner wie folgt dar:

„Der Mensch, auch der gutwillig Fromme, droht sich mit den Jahren immer mehr an die Mannigfaltigkeit der Weltdinge zu verlieren, ohne dass er es merkt; ja er glaubt sogar, sich selber darin um so intensiver zu besitzen.118

Soll sich der Mensch jedoch in all den Dingen nicht verlieren, muss er durch die tiefe Krise der „Zweiten Bekehrung“119 wieder mit dem „Grund und Ursprung alles Lebens … sich in Gott zurückgewinnen“.120 Diese Bekehrung, so Weilner, verbindet Tauler mit dem vierzigsten Lebensjahr. Darin sehe Tauler ein „Entwicklungsgesetz des geistlichen Lebens“121:

„Zwischen dem vierzigsten und fünfzigsten Lebensjahr vollzieht sich nach seinen [Taulers] Beobachtungen im seelischen Bereich des Menschen ein Strukturwandel, in dem nicht nur die ganze bisherige Lebensleistung in Frage gestellt wird und auf ihren Echtheitsgehalt geprüft wird, sondern zugleich die große Chance zur wesentlichen Verinnerlichung, im Einzelfall sogar zu mystischer Begnadung bietet.“122

Vom Begriff der Bekehrung aus deutet Weilner die Einkehr des Menschen in den Seelengrund als einen Reifeprozess, als einen Weg inneren Wachstums. Was die Seele in diesem Prozess erlebt, beschreibt Weilner im ersten Teil seiner Arbeit aus der Sicht Taulers.123 Im zweiten Teil weist Weilner Parallelen zwischen der Tiefenpsychologie C. G. Jungs und Tauler auf.124 Rehe folgt Weilners Ansatz und ergänzt dessen Untersuchung mit Erkenntnissen aus der Entwicklungspsychologie, indem er sich am lebensgeschichtlichen Ansatz von August Vetter orientiert.125 Beide Arbeiten möchten durch ihren Ansatz den Dialog zwischen Theologie und Psychologie fördern.126 Es soll deutlich gemacht werden, wie bleibend aktuell Taulers Denken immer noch sein kann. Dietmar Mieth127 (1969) stellt in seiner Arbeit die Stellung Eckharts und Taulers zur „vita activa“ und „vita contemplativa“ vor. Nach Mieth ist bei Eckhart und Tauler die Trennung zwischen einem aktiven und kontemplativen Leben überwunden. Der Mensch kann in jeder Lebensform Innerlichkeit und Wirksamkeit verbinden, um zur Einheit mit Gott zu gelangen.128 Mieths Arbeit bietet darüber hinaus erste wertvolle Hilfen zur Klärung von Taulers theologischen und philosophischen Grundlagen bei Meister Eckhart.

Alois M. Haas129 (1971) untersucht Taulers Lehre von der Selbsterkenntnis des Menschen. Dabei stellt er, wie Mieth, Verbindungen zu Meister Eckhart her. Außerdem geht er auf die Bedeutung der Selbsterkenntnis im Werk Heinrich Seuses ein. Die Selbsterkenntnis, so Haas, wird von Tauler als Instrument moralischer Selbstanalyse mit stark aszetischer Zielsetzung definiert.130 Um eins mit Gott zu werden, muss der Mensch das eigene Ich als ein „Nichts“ begreifen. So sind für Haas die Selbstbeobachtung, die Einsicht in die eigene Sünde und in die eigenen Gebrechen, die Verurteilung des eigenen Selbst, die Nächstenliebe sowie das Wahrnehmen des Seelengrundes, ja sogar die Versuchungen und bösen Neigungen, die Bausteine der Aszetik Taulers.131

Der Schwerpunkt bei Stefan Zekorn132 (1993) liegt auf der Behandlung des Gebets und der konkreten Gebetsanweisungen, die sich aus Taulers Predigten ergeben. Zekorn begreift Tauler als Lehrer geistlichen Lebens, und er versucht von dorther die Lehre des Dominikaners zu erschließen.133 Außerdem zeigt er, dass Tauler die Beziehung von Gott und Mensch von einer Weghaftigkeit bestimmt sieht.134 Auch wenn in Zekorns Arbeit die Schwerpunktsetzung, wie der Autor selbst feststellt135, zu einer gewissen Überbetonung der Gebetspraxis führt, bietet sie eine gute Zusammenfassung zentraler Gedanken Taulers sowie einen ersten Blick auf dessen Beziehungen zum religiösen Leben seiner Zeit.

Einen ausschließlich theologischen Akzent setzt Thomas Gandlau136 (1993). Er untersucht Taulers Trinitäts- und Kreuzestheologie: Tauler greift in seinen Predigten die Hauptthemen der Heilsgeschichte auf und verbindet sie mit der Situation seiner Zuhörer. Hierbei zeigt sich, dass der dreifaltige Gott die Menschen aus ihrer erbsündlichen Verfasstheit in die Fülle des trinitarischen Lebens führen möchte. Geglücktes und geheiltes Menschsein bedeutet für Tauler, als Abbild Gottes in den Dimensionen des dreifaltigen göttlichen Lebens der Liebe zu leben. Dieser trinitarische Ansatz ist für Tauler zutiefst mit dem Erlösungsgeschehen in Jesus Christus, dem Kreuzesmysterium, verbunden, denn allein durch den gekreuzigten und verlassenen Christus eröffnet sich dem an der Erbsünde erkrankten Menschen der Zugang zum dreifaltigen Leben mit Gott. Trinität und Kreuz sind Gandlau zufolge somit die innersten theologischen Schwerpunkte von Taulers Denken. Sie prägen sein Verständnis von der Nachfolge Christi, zu der er seine Zuhörer ermuntern will.137

Die neuplatonische Ausrichtung Taulers im Zusammenhang mit der Lehre vom Seelengrund wird u.a. von Paul Wyser138 (1958), Ignaz Weilner139 (1961), Dietrich Schlüter140 (1961), Werner Beierwaltes141 (1985), Maarten J.F. Hoenen142 (1994) und Loris Sturlese143 (2007) betont. Sturlese bietet zudem eine Zusammenfassung der bisherigen Forschungsergebnisse, und er behandelt den Einfluss der „deutschen Albert-Schule“, deren Vertreter Dietrich von Freiberg, Meister Eckhart und Berthold von Moosburg sind, auf Tauler.144

Die Monographie über Johannes Tauler von Louise Gnädinger145 (1993) bietet eine Fülle an wichtigen Informationen. Im ersten Teil wird das Leben und das Umfeld Taulers ausführlich dargestellt146; im zweiten Teil behandelt Gnädinger die einzelnen mystischen Themen Taulers.147 Teil drei schließt das Buch mit Taulers Nachwirken ab.148

Maarten J.F.M. Hoenen149 (1994) geht in seinem Beitrag auf die Bedeutung Taulers für die philosophische und spirituelle Kultur in den Niederlanden ein:

„Tauler hatte im niederländischen Sprachraum eine sehr große, im Vergleich mit anderen deutschen Denkern beispiellose Wirkung, die vom Ende des 14. Jahrhunderts bis ins 18. Jahrhundert hinein reicht und durch sehr viele Handschriften, Drucke, Kataloge, Verweise und Zitate bezeugt ist.“150

Hoenen stellt zunächst die wichtigsten Momente in der Rezeption Taulers vor, die um 1403 bei dem Mystiker Gerlach Peters beginnt.151 Es folgen die Reaktionen auf Taulers Lehren in den Niederlanden im 16. Jahrhundert. Hoenen unterscheidet dabei zwischen der Kritik an der Mystik im Allgemeinen und der Kritik an Tauler selbst. Zur ersten Gruppe gehören der Jesuiten-Ordensgeneral Mercurian (1578/79), der Provinzial der belgischen Kapuziner Hippolytus von Bergamo (1594) und der Apostolische Vikar der holländischen Mission Sasbout Vosmer (1593), die das Lesen der Schriften von Tauler, Ruusbroec und anderer Autoren verbieten lassen wollen. Diese Verbote, so Hoenen, sollten verhindern, „dass sich auf der Basis der Werke Taulers, Russbroecs und anderer geistliche Spekulationen entwickeln konnten.“152 Die Verbote zeigen aber gerade auch, „dass Autoren wie Tauler einen ernstzunehmenden Einfluss hatten.“153 Die zweite Art der Kritik an Tauler ist Hoenen zufolge interessanter:

„In diesem Zusammenhang ist vor allem die Rolle zu betrachten, die Tauler im Glaubensstreit des 16. Jahrhunderts zufiel, wo er sowohl als Lutheraner ... wie auch als orthodoxer Katholik dargestellt wurde.“154

Ausgangspunkt ist die in der Auseinandersetzung mit Martin Luther geübte Kritik Johannes Ecks an Tauler (1523).155 Diesen Angriff nahm der Benediktinerabt Ludwig Blosius (+1566), der zu dem damals niederländischen Kloster Liessies im Hennegau gehörte, zum Anlass, eine Verteidigung Taulers zu schreiben.156 Im dritten Teil untersucht Hoenen, auf welche Weise Tauler von protestantischer Seite (ab 1588) rezipiert wurde.157 Er stellt fest, dass der „protestantische Tauler“ großen Veränderungen unterzogen worden ist. Nichts mehr erinnert den protestantischen Leser an die katholische Kirche. Dass der Leser jedoch „einen ganz anderen Tauler als den ursprünglichen zu Gesicht bekam, blieb unerwähnt.“158

Einen wichtigen Beitrag zur Geschichte der Textgrundlage von Taulers Predigten bietet die Arbeit von Johannes Gottfried Mayer159 (1999). Mayer untersucht die handschriftliche Überlieferung der Predigten Taulers des 14. Jahrhunderts bis zu den ersten Taulerdrucken. Laut Mayer lassen sich derzeitig vier Bearbeitungen in der Textgeschichte der Predigten Taulers ausmachen160: die Redaktion n, die sich in einer Nürnberger Handschrift (N1) erstmals 1435 greifen lässt; die Bearbeitung k aus der Mitte des 15. Jahrhunderts (früheste Textform bietet die Handschrift der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe, Cod. St. Blasien 75 (= Ka 1); sodann eine auf Kontamination zurückgehende Schrift, die man den ´Großen Tauler´ (= grt) nennt (Codex Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. Theol. et phil. fol. 283 (= St 4)); und schließlich eine Redaktion von mittelniederländischen und niederdeutschen Handschriften.161 Mayer stellt fest, dass all die genannten Überlieferungsformen (mit Ausnahme der niederländischen) der Redaktion n verpflichtet sind. Darüber hinaus geht der Text des n-Redaktors auch in die Drucküberlieferung ein. Die Textgestalt und die Auswahl der Predigten wurden also durch die Bearbeitung n bestimmt. Aus diesem Grund

„kann diese Redaktion in Analogie zur Überlieferung der Hl. Schrift mit einigem Recht als ‚Vulgata-Fassung‘ – also als die Textform, in welcher Tauler vornehmlich gelesen wurde – bezeichnet werden.“162

Die Handschriften N 1 (als ältester Textzeuge der Redaktion n) und St 4 gelten als historische Ausgangspunkte umfangreicher Überlieferungszweige, deren Geschichte und Traditionen Mayer bis zu den ersten Taulerdrucken nachzeichnet.163

Wichtig für Taulers Beziehung zu Meister Eckhart sind die Arbeiten von Caroline F. Mösch164 (2006) und Christine Büchner (2007)165. Mösch untersucht in ihrer Arbeit Meister Eckharts Predigtzyklus Von der êwigen geburt166 sowie Johannes Taulers Predigten zum Weihnachtsfestkreis167. Dabei werden auch die Traditionsbezüge und die Paralellen zu den literarischen Zeugnissen des 13. und 14. Jahrhunderts aufgezeigt. Im dritten Teil der Arbeit werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Predigerbrüder herausgearbeitet, in der Predigtweise168, sodann in der Redeweise von der Gottesgeburt in der Seele169, vom Wirken Gottes im Menschen170, vom Leersein von allen kreatürlichen Eigenschaften und schließlich in der Auffassung der Gnade.171 Mösch untersucht und interpretiert zwar nur einen kleinen Werkausschnitt – Möschs Untersuchungsergebnisse werden in diese Arbeit einfließen –, doch bestätigt sich dabei die von der Forschung propagierte inhaltliche Nähe und Übereinstimmung zu Meister Eckhart:

„Die dargelegten Berührungspunkte mit Eckharts Predigtzyklus Von der êwigen geburt legen eine Kenntnis Taulers dieser Predigten nahe. Obwohl sich in Taulers Predigten zum Weihnachtsfestkreis (wie auch in seinen übrigen Predigten) kein einziges Zitat mit einem Rekurs auf Meister Eckhart findet, zeigen sich auffallend inhaltliche Übereinstimmungen, die vereinzelt sogar in der Terminologie identisch sind oder nur leicht variieren, so dass davon ausgegangen werden kann, dass einzelne Predigten Eckharts – und darunter vor allem die Predigten 101 - 104 – Tauler als Vorlage und Inspiration seiner eigenen Predigten, insbesondere seiner Predigten zum Weihnachtsfestkreis, dienten.“172

Darüber hinaus zeigen sich in den von ihr untersuchten Taulerpredigten vor allem deutliche Übereinstimmungen mit Bernhard von Clairvaux173 und mit dem Neuplatonismus, den Tauler durch Dionysios Pseudo-Areopagita, Albert den Großen, Meister Eckhart und Berthold von Moosburg kennenlernte.174 Aus Möschs Arbeit geht allerdings auch hervor, dass Tauler den Gedanken seiner theologischen bzw. philosophischen Autoritäten nur bis zu einem bestimmten Punkt folgt, dann aber eigene Wege geht.

Dies verdeutlicht Christine Büchner in ihrer Arbeit. Sie behandelt Johannes Tauler und Heinrich Seuse als Eckhart-Ausleger.175 Am Beispiel von Eckharts Denken der Einheit von Gott und Mensch zeigt sie, wie Tauler bzw. Seuse Eckharts Hauptgedanken rezipierten, aber auch veränderten.176 Büchner zufolge liegt die Originalität Taulers im Gegensatz zu Meister Eckhart „in der konkreten und detaillierten Praxisbezogenheit.“177 Büchner resümiert:

„Taulers Überlegungen zu dem, was der Mensch ist und was er bei Gott sein soll, geht ganz in Eckharts Richtung: Die Wirklichkeit Gottes und das Ziel des Menschen ist eine Wirklichkeit der Selbstlosigkeit. Doch während Eckhart diesen Satz ontologisch verstehen würde, als Bezeichnung der Tiefe der Wirklichkeit, in der keiner mehr sich selbst ausschließlich zu eigen ist und nichts ihm fremd, nimmt Tauler ihn psychologisch-moralisch: Selbstloses Verhalten, Liebe zum Nächsten wird zum Prüfstein für die Beugung unter den Willen Gottes.“178

Beide Untersuchungen konstatieren Taulers inhaltliche Nähe zu und Übereinstimmung mit Meister Eckhart in vielen Punkten.179 Es wird jedoch auch deutlich, dass Tauler das Denken seiner theologischen und philosophischen Autoritäten ganz in den Dienst der Verkündigung stellt und Neuakzentuierungen vornimmt, wenn sie ihm nötig erscheinen. Abschließend sei noch auf die von Eugen Rucker180 (2005) herausgegebene, nach Themen geordnete Auswahl von Taulerpredigten hingewiesen. Neben einer Einleitung zu Taulers Mystagogie181 bietet das Buch auch eine ausführliche Inhaltsangabe des „Meisterbuches“.182 Schließlich bietet auch die Dominikanerin Suzanne Eck183 (2006) eine gute „Hinführung“ in die Predigten Johannes Taulers.

88 Zur älteren Taulerforschung siehe Fischer 1931, 9 – 12, 17 – 35, 64 – 97. Vgl. Helander 1923, 31 – 41 (Literaturliste: 5 – 16); Zekorn 1993, 2 – 16.

89 Neander, Michael: Theologia Bernhardi et Tauleri, Witebergae 1584.

90 Vgl. Helander 1923, 31.

91 Glaser, Peter: Tauleri Christliche Lehre… Dresden 1583; vgl. Helander 1923, 31.

92 Vgl. Helander 1923, 31.

93 Heupelius, G. F.: Memoria Joh. Tauleri instaurata. Wittenbergae Anno MDCLXXXVIII.

94 Vgl. Helander 1923, 32.

95 Beck, J.J.: De Tauleri dictione vernacula et mystica, Diss. Argentorati MDCCLXXXVI. Vgl. MAYER 1999, 4; HELANDER 1923, 323. Vermutlich wurde die Arbeit unter Oberlins Leitung verfasst.

96 Vgl. Mayer 1999, 4; Vetter 1911, IV und 3f.; Helander 1923, 32.

97 Vgl. Zekorn 1993, 4.

98 Schmidt 1841, Nachdruck 1972 und 1980.

99 Vgl. Schmidt 1841, 138f., 156; Weilner 1961, 44.

100 Vgl. Schmidt 1841, 89.

101 Vgl. Helander 1923, 33f.

102 Vgl. Helander 1923, 34.

103 Preger 1874 – 93, Nachdruck Aalen 1962. Ebenso fehlerhaft ist die Arbeit von Böhringer 1855 und 1878.

104 Vgl. Helander 1923, 34f., 38f. Sie orientieren sich größtenteils auch an pseudotaulerischen Texten.

105 Zu Denifles Verdiensten um die Taulerforschung vgl. Walz 1961, 8 – 18.

106 Denifle 1877, 1879; Spiess (Hg.) 1951.

107 Zekorn 1993, 5.

108 Vgl Zekorn 1993, 2 – 16.

109 Vgl. Ruh 1996, 485f. Er bemerkt dazu: „Die neuere Tauler-Forschung darf man abundant nennen. Ich las Hunderte von Seiten, die substantiell nichts enthielten, was nicht schon Gegenstand früherer Studien war“ (485).

110 Filthaut 1961.

111 Vgl. Schauerte 1963, 119 – 122.

112 Weilner 1961; vgl. Schauerte 1963, 123ff.

113 Rehe 1989.

114 Vgl. Schauerte 1963, 123.

115 Weilner 1961, 231.

116 Weilner 1961, 231.

117 Vgl. Weilner 1961, 231.

118 Weilner 1961, 231.

119 Weilner 1961, 230.

120 Weilner 1961, 231.

121 Weilner 1961, 238.

122 Weilner 1961, 238. Vgl. Ders. 1961, 41ff., Rehe 1989, 42ff. Der Text V 79, auf den sich Weilner bezieht, ist jedoch keine echte Taulerpredigt, sondern stammt von Jan van Ruusbroec. Die einzige Stelle bei Tauler findet man in Predigt V 19, 79,21 – 27; 80,7-14. Ob eine einzige Predigt ausreicht, das Thema der Lebenswende als einen Schwerpunkt bei Tauler anzusehen, sei dahingestellt.

123 Weilner 1961, 29 – 241.

124 Weilner 1961, 245 – 272.

125 Vgl. Rehe 1989, 148; vgl. Vetter, August: Die Person in strukturpsychologischer Sicht, Darmstadt 1960.

126 Vgl. Weilner 1961, 24; Rehe 1989, 133.

127 Mieth 1969.

128 Vgl. Mieth 1969, 327ff.

129 Haas 1971.

130 Vgl. Haas 1971, 107.

131 Vgl. Haas 1971, 79f.

132 Zekorn 1993.

133 Vgl. Zekorn 1993, 17.

134 Vgl. Zekorn 1993, 71f; Büchner 2007, 16. Allerdings spricht bereits Weilner 1961, 71 bei Tauler von einer „Ethik und Mystik des ‚Weges‘.“

135 Vgl. Zekorn 1993, 1871. In Taulers Predigten finden wir keine spezifische Gebetslehre, wie sie Zekorn darstellt. Von dorther begegnet uns bei Zekorn mehr der geistliche Lehrer als der Prediger.

136 Gandlau 1993.

137 Vgl. Gandlau 1993, 19f.

138 Wyser 1958, 204 – 311, besonders 217f.

139 Vgl. Weilner 1961, u.a. 48 – 54.

140 Schlüter 1961, 122 – 161, besonders 122f.

141 Beierwaltes 1985, 279. Beierwaltes blickt auf Tauler im Kontext des unum in nobis des Proklos. Vgl. Sturlese 2007, 137 – 154.

142 Hoenen 1994, 389 – 444.

143 Sturlese 2007.

144 Vor allem Sturlese 2007, 169 – 197.

145 Gnädinger 1993. Ebenso empfehlenswert: Ruh 1996, 476 – 526.

146 Gnädinger 1993, 9 – 103.

147 Gnädinger 1993, 104 – 410.

148 Gnädinger 1993, 411 – 435.

149 Hoenen, Maarten J.F.M.: Johannes Tauler (+1361) in den Niederlanden. Grundzüge eines philosophie- und rezeptionsgeschichtlichen Forschungsprogramms, in: FZPhTh 41 (1994), 389 – 444. Kritk an Hoenen übt RUH 1996, 486: „In diesem Beitrag wird neben Taulers Wirkung in den Niederlanden ... dessen ‚philosophische Relevanz untersucht‘. ... Dies geschieht mit einer Zuspitzung (die allen bisherigen Beiträgen zum Thema fremd ist), .dass unser Prediger – unter Ausschaltung des Lebemeisters und Mystikers – schlichtweg zum ´Albertisten´ ernannt wird. Das ist entschieden abzulehnen. Ist es denn so schwer einzusehen, dass ein Denker (meinetwegen mit Hoenen ein ‚Philosoph‘) sehr wohl auch noch Moralist und Seelenführer sein kann?“

150 Hoenen 1994, 396.

151 Vgl. Hoenen 1994, 401 – 408.

152 Hoenen 1994, 409.

153 Hoenen 1994, 409.

154 Hoenen 1994, 409.

155 Siehe Seite 13f.

156 Vgl. Hoenen 1994, 409 – 414.

157 Vgl. Hoenen 1994, 414 – 424.

158 Hoenen 1994, 424.

159 Mayer 1999.

160 Vgl. Mayer 1999, 2: „Mit der Existenz weiterer Bearbeitungen muss gerechnet werden“.

161 Vgl. Mayer 1999, 1f.

162 Mayer 1999, 2.

163 Vgl. Mayer 1999, 2. 8f. Auf Ergebnisse aus Mayers Untersuchung werden wir in dieser Arbeit an den entsprechenden Stellen hinweisen.

164 Mösch 2006.

165 Büchner 2007. Von der Autorin ist auch die folgende mit dem Karl-Rahner-Preis 2004 ausgezeichnete Arbeit erschienen: Büchner, Christine: Gottes Kreatur – „ein reines Nichts“? Einheit Gottes als Ermöglichung von Geschöpflichkeit und Personalität im Werk Meister Eckharts (Innsbrucker theologische Studien Band 71), Innsbruck-Wien 2005.

166 Predigt 101 – 104, DW 4,1; 279 – 610. Mösch 2006, 39 – 199.

167 V 1, V 2 (Corin II Nr. 1), V 3 (Corin II, Nr. 2, zweiter Predigtteil, 19 – 31) (H 4), V 4 (Corin II, Nr. 2, erster Predigtteil, 14 – 19) (H 4), V 5 (Corin II, Nr. 3, 33 – 39). Mösch 2006, 201 – 320.

168 Mösch 2006, 321 – 338.

169 Mösch 2006, 339 – 373.

170 Mösch 2006, 374 – 383.

171 Mösch 2006, 384 – 417.

172 Mösch 2006, 320. Mösch vergleicht auf Seite 394 ihrer Arbeit einen Satz aus Eckharts Predigt 95B (DW IV, 192, 214-215) mit einem Satz aus Taulers Predigt V 60c (293, 5ff.) und stellt eine wörtliche Übereinstimmung fest. Der Satz ist allerdings sehr kurz. Er lautet: „Swig, du lesteres Got.“ Darüber hinaus weist sie nach (397f.), dass Tauler Eckharts Predigt 1 (Largier I, 14, 8-12) gekannt haben muss, da er die Metapher des aller Kaufmannschaft entleerten Tempels, die er in V 72 (393, 29-32; 394, 30ff.) verwendet, nur von Eckhart übernommen haben kann, „weil diese Metapher eine von Eckhart geprägte ist und keine, die der Thüringer Meister bereits vorgefunden hat“ (397).

173 Vgl. u.a. Steer 1994, 241 – 248; Gnädinger 1993, 401 – 403. Zur Spiritualität Bernhards Siehe u.a. erster Teil, zweites Kapitel.

174 Vgl. Mösch 2006, 241f., 279ff., 295 – 298, 315 – 320.

175 Vgl. Büchner 2007, 11.

176 Vgl. Büchner 2007, 12.

177 Büchner 2007, 16.

178 Büchner 2007, 107. Auf die Untersuchungsergebnisse Büchners werden wir in dieser Arbeit an den entsprechenden Stellen hinweisen.

179 Bei der Frage nach direkten literarischen Abhängigkeiten ist auch immer die Situation des Predigers mit zu bedenken: Ein Prediger – der Autor spricht aus eigener Erfahrung – zitiert häufig Bibelstellen oder theologische Gedanken, die er gelesen oder gehört hat, auswendig. Dabei werden Zitate verändert, wenn sie dadurch die Botschaft der Predigt besser auf den Punkt bringen. Es bleibt also – gerade bei einem Prediger wie Tauler – immer ein wenig problematisch, auf direkte Textabhängigkeiten zu schließen, was nicht bedeutet, dass solche Untersuchungen nicht sinnvoll sind, da sie zum Verständnis der Predigten beitragen können.

180 Rucker 2005.

181 Rucker 2005, 11 – 48.

182 Rucker 2005, 234 – 239.

183 Eck 2006.

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