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Viertes Kapitel Überlieferung und Textgrundlage I. Überlieferung und Drucktradierung von Taulers Predigten

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Bis heute gibt es von Johannes Taulers Predigten nur einfache Textabdrucke224, jedoch keine kommentierte, textkritische Taulerausgabe.225 Dafür fehlten, so Weigand, lange Zeit die Voraussetzungen. Erst seit der Arbeit von Mayer226 „haben wir einigermaßen Kenntnis über grundlegende Zusammenhänge in der Überlieferung der Tauler-Handschriften.“227 Mayer zufolge ist die Zahl der handschriftlichen Überlieferungsträger mit 160 Textzeugen so hoch, dass sie „einem Einzelnen die Bewältigung der Überlieferungsgeschichte fast unmöglich machen.“228

Bereits zu Lebzeiten Taulers entstanden die ersten handschriftlichen Predigtsammlungen229, deren Zahl immer größer wurde230 und die sogar im niederländischen Sprachraum weite Verbreitung fanden, was keinem anderen mittelalterlichen Autor aus dem oberdeutschen Sprachraum je widerfuhr.231 Die Predigten in diesen Sammlungen wurden von Tauler selbst verfasst bzw. diktiert und gehören zum Typus der für Klostergemeinschaften vorgesehenen Lesepredigt.232

Die Drucktradierung von Taulers Predigten beginnt bereits im 15. Jahrhundert. Der erste Taulerdruck wurde 1498 in Leipzig bei Cunrad Kachelouen herausgegeben. Der Tauler-Corpus enthält 84 Predigten sowie drei Traktate und das „Meisterbuch“, die hystorien des erwirdige doctors Johannis Thauleri.233 Bis ins 19. Jahrhundert glaubte man, das „Meisterbuch“, das von der Bekehrung Taulers erzählt, sei von Tauler selbst verfasst worden. Heinrich Seuse Denifle konnte schließlich 1879 nachweisen, dass die Fiktion von Taulers Bekehrung nicht von Tauler, sondern mit großer Wahrscheinlichkeit aus dem Kreis der von ihm seelsorglich betreuten „Gottesfreunde vom Oberrhein“ stammt.234 1508 erschien in Augsburg bei Hans Otmar ein inhaltlich unbearbeiteter Nachdruck des Leipziger Taulerdrucks. Dabei handelt es sich um eine Übersetzung vom Sächsischen ins Augsburger Deutsch. 1521 und 1522 brachte der Kartäuser Georg Carpentarii in Basel einen in oberrheinischem Dialekt übersetzten Taulerdruck heraus, dem 42 neue Predigten hinzugefügt wurden. Sowohl die Augsburger als auch die beiden Baseler Taulerausgaben wurden von einem gewissen Johann Rynmann initiiert und finanziert. Martin Luther kannte sowohl die Augsburger als auch die Baseler Edition; die Augsburger Predigtsammlung hat er mit zahlreichen Randbemerkungen versehen.235 1543 brachte Petrus Noviomagus, der sich später Petrus Canisius nannte, in Köln den ersten Taulerdruck heraus. Der in der Wahl zwischen dem Kartäuserorden und der Gesellschaft Jesu schwankende zweiundzwanzigjährige Petrus suchte nach einer Spiritualität, die ihm auf der Suche nach der eigenen Berufung half, und er fand Taulers Predigten. Petrus benutzte den Augsburger und den Baseler Taulerdruck, versuchte aber die Texte durch einen Vergleich mit noch älteren Textzeugen zu verbessern, auf die er im Dominikanerinnenkloster St. Gertrud zu Köln stieß und die zu Lebzeiten Taulers entstanden waren.236 Diese Kölner Predigten ließ er im original Kölner Dialekt abdrucken. Davon abgesehen, gestaltete Canisius „seinen“ Tauler jedoch ganz nach eigenem Ermessen, indem er Predigten kürzte oder veränderte. Darüber hinaus fügte er seiner Taulerausgabe weitere 25 als taulerisch ausgegebene Predigten bei, sowie 27 Briefe und 10 Texte. Die meisten dieser unter Taulers Namen herausgebebenen Texte stammen jedoch von Meister Eckhart, Heinrich Seuse und Jan Ruusbroec.237 In den Niederlanden brachte 1547 M. Anthonis van Hemert einen eigenen Taulerdruck heraus, der 1563, zweimal 1607, 1623, 1634 und 1707 nachgedruckt wurde.238 Der Kartäuser Laurentius Sirius übersetzte 1548 den „Kölner Tauler“ ins Lateinische. Dieser Taulerdruck enthält 153 angebliche Taulerpredigten, 30 Tauler zugeschriebene Briefe und einige Traktate.239 Durch diese Übersetzung fanden Taulers Predigten auch in England, Frankreich, Italien und Spanien Verbreitung.240 Der lateinische Tauler-Corpus wurde schließlich wieder ins Deutsche rückübertragen: 1621 von Daniel Sudermann und 1660 von dem Karmeliten Carolus a St. Anastasio.241

Taulers Nachwirken auch über den deutschen Sprachraum hinaus war groß. Deshalb wurden die Predigten Taulers vom ersten Druck (1498) bis ins 20. Jahrhundert ständig neu aufgelegt. Viele Taulerdrucke nach 1548 enthielten jedoch bloß eine Auswahl von Predigten, die in unterschiedlicher Qualität übersetzt wurden.242

Für Taulers Predigten bestehen zwei Tradierungen: eine alemannischelsässische (Ausgangsort Straßburg) und eine alte niederrheinische (Ausgangsort Köln).243 Da sich in einigen Predigten der alemannischen Fassung niederrheinische Relikte nachweisen lassen244, vermutet man, dass die in Köln verfassten Predigten die ursprünglicheren sein können.245 Diese beiden Tradierungen sind grundlegend für die heute noch in der Forschung benutzten Taulereditionen Vetters (1910) und Corins (1924, 1929).

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