Читать книгу Konstruktive Rhetorik in Seminar, Hörsaal und online - Jürg Häusermann - Страница 12

Die Rednerin, der Redner

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„Wenn einer spricht, müssen die andern zuhören – das ist deine Gelegenheit! Missbrauche sie.“4 Kurt Tucholskys Schlussworte zu seinen Ratschlägen für einen schlechten Redner sagen alles über die destruktive Wirkung der klassischen Rednerrolle. Sie stammen aus einer Zeit, in der der öffentliche Vortrag noch einen ganz anderen Stellenwert als heute hatte. Er war oft die direkte Begegnung mit einer Informationsquelle, zu der es keinen anderen Zugang gab. Man ging hin, um sich zu informieren oder überzeugen zu lassen, weil das der unmittelbarste Zugang zu kompetenten und aktuellen Informationen und Stellungnahmen war. Es gab keine Podcasts, keine YouTube-Kanäle, keine spezialisierten Fernsehangebote. Und das Radio, das noch keine zehn Jahre alt war, lieferte zu einem großen Teil genau dies: Vorträge von Fachleuten und Politikern.

Heute steht jeder Vortrag in Konkurrenz zu anderen aktuellen Medien. Das hat die Rolle nur wenig verändert, aber geblieben ist die Erwartung an eine kompetente Person, die sprechen wird. Gefragt ist ihre Sachkompetenz, aber auch ihre Perspektive: ihre Erfahrung als Fachperson, ihre Spezialität, die sie von anderen unterscheidet. Das ist Verpflichtung und Erleichterung zugleich. Es verpflichtet zu einer gut recherchierten inhaltlichen Darbietung. Und es erleichtert die Aufgabe, weil niemand im Saal das gewählte Thema besser kennt.

Die Rolle als Verpflichtung

Die Rolle der Rednerin oder des Redners ergibt sich aus der Kompetenz der vortragenden Person. Im Sachvortrag beruht sie auf Fachwissen und Erfahrung. Das sollte zum Selbstvertrauen beitragen. Das Privileg, als einzelner Mensch zu mehreren reden zu dürfen, verpflichtet aber auch zur inhaltlichen Sorgfalt.

Ausgeprägter als vor hundert Jahren ist die Erwartung an einen unmittelbaren Austausch während oder nach dem Vortrag. Bereitschaft zur Antwort auf Fragen und Improvisation sind die Regel. Auch digital übertragene Vorträge betonen dies durch eine Kommentar- oder Chat-Funktion. Der heutige Vortrag ist offen – und wenn das Medium dies nicht erlaubt, dann wird es wenigstens deklariert.

Konstruktive Rhetorik in Seminar, Hörsaal und online

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