Читать книгу Konstruktive Rhetorik in Seminar, Hörsaal und online - Jürg Häusermann - Страница 19

Rhetorik: Die Lehre vom Reden in der Öffentlichkeit

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Rhetorik ist in diesem Sinne die Lehre vom Reden in der Öffentlichkeit: vom Reden, wenn der Raum sich weitet und die Rollen in Redner und Publikum aufgeteilt sind. Man sieht und hört es einem Menschen an, wenn er seine private Redeweise verlässt und – je nach Typ – doziert oder referiert oder predigt. Er begibt sich auf Distanz, nimmt eine neue Rolle an und verhält sich nach anderen Normen.

Wer redet, schafft zwar nicht in jedem Fall Öffentlichkeit im soziologischen Sinne.16 Aber die Gemeinschaft mit dem Publikum im erweiterten Raum macht die Inhalte der Rede für andere zugänglich und schafft die Möglichkeit, dass die Inhalte der Rede weitergetragen werden und über die Anwesenden hinauswirken. Sie werden das Gehörte weiterverbreiten, in der Familie, in anderen sozialen Gruppen. Öffentlich zu reden, bedeutet, in einem größeren Raum zu reden, im konkreten wie im übertragenen Sinne.

Die in diesem Buch verwendete Rhetorik-Definition „Lehre vom Reden in der Öffentlichkeit“ schränkt den Begriff stark ein im Vergleich zum Anspruch, den die akademische Rhetoriktheorie seit Jahrhunderten erhebt. Denn diese aus dem Altertum entwickelte Wissenschaft hatte immer mehr im Sinn, als nur eine Kommunikationslehre zu sein. Sie bezog immer Aspekte der Philosophie, Psychologie und Sprachwissenschaft ein. Diese wurden später von eigenen Disziplinen (z.B.: Linguistik, Psychologie, Kommunikationswissenschaft) übernommen. Einige davon sind direkt aus der Rhetorik entwickelt worden, andere zumindest können ihre Verwandtschaft nicht leugnen.

Deshalb umfasst der heutige praktische Rhetorikunterricht nur noch einen kleinen Teil des klassischen Lehrgebäudes. Das hat aber durchaus seinen Sinn, eben weil es moderne Fächer gibt, die sie entlasten, weil sie Inhalte erforschen, die früher zur Rhetorik gehörten.

Moderne Erben der klassischen Rhetorik

»Linguistik

»Literaturwissenschaft

»Psychologie

»Jurisprudenz

»Theaterwissenschaft

»Medienwissenschaft

Dennoch ist das in diesem Buch verwendete Verständnis von Rhetorik – als Lehre vom Reden in der Öffentlichkeit – eine bewusste Einschränkung. Es beruht auf der Beobachtung des Besonderen am Reden zu einer Gruppe von Menschen im Vergleich zum Reden mit Menschen in einem informellen Rahmen.17

Dass diese Lehre trotz ihrer klaren Einschränkung immer noch Rhetorik genannt werden soll, hat zwei Gründe.18 Der eine liegt in der Tradition des Sprachgebrauchs: Im deutschen Sprachraum hat Rhetorik sich als Bezeichnung für alle Formen des praktischen Redetrainings eingebürgert. Unzählige Angebote führen den Begriff im Titel, auch wenn sie keinen Zusammenhang zur wissenschaftlichen Rhetorik erkennen lassen. Deshalb sollte ein Buch wie dieses, das den Bezug zur Wissenschaft beibehält, den Begriff nicht über Bord werfen.

Der zweite Grund hat mit der Perspektive der Rhetorik zu tun, die sich von derjenigen anderer Wissenschaften der Kommunikation unterscheidet. Auch wenn uns bewusst bleibt, dass das Publikum ebenso entscheidend ist wie die Rednerfigur, richtet sich die Botschaft der Rhetorik in erster Linie an die Rednerin bzw. den Redner. Auch wenn es eine Lehre des dialogischen, konstruktiven Redens ist, werden wir immer wieder auf die Rednerperspektive zurückkommen, weil es der Redner bzw. die Rednerin ist, an die sich die Ausbildung richtet.19

Konstruktive Rhetorik in Seminar, Hörsaal und online

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