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4. Gefahrenbereich Ausschreibungen

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Der bereits 1997 eingeführte Sondertatbestand der Submissionsabsprache in § 298 StGB sieht vor, dass sich strafbar macht, wer bei einer Ausschreibung über Waren oder gewerbliche Leistungen ein Angebot abgibt, das auf einer Absprache beruht, die den Ausschreibenden zur Annahme eines bestimmten Angebots veranlassen soll. Ein Verstoß kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder mit Geldbußen geahndet werden.167 Von § 298 StGB sind öffentlich-rechtliche unbeschränkte und beschränkte Ausschreibungen aller Art erfasst. Auch private, d.h. durch Unternehmen oder auch Privatpersonen erfolgende Ausschreibungen fallen darunter, wobei die Anforderungen an das Vorliegen privater Ausschreibungen sehr gering sind. Der Gesetzgeber wollte Ausschreibungen möglichst lückenlos erfassen und bezieht deshalb in § 298 Abs. 2 StGB auch die freihändige Vergabe in den Schutzzweck der Norm ein. In der Vergangenheit ist das Zusammenspiel zwischen Strafrecht und GWB z.B. in den Kartellverfahren Feuerwehrfahrzeuge und Schienen sowie jüngst bei Technischer Gebäudeausrüstung zum Tragen gekommen.168

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Nach der Rechtsprechung des BGH zu § 298 StGB ist davon auszugehen, dass von § 298 StGB alle Absprachen erfasst sind, die gegen das Kartellverbot verstoßen, sofern sie vom Wortlaut der Norm gedeckt sind.169 Damit kann der § 298 StGB auch dann verwirklicht werden, wenn die wettbewerbswidrige Abrede nicht zwischen aktuellen oder potenziellen Bietern, sondern zwischen Ausschreibendem und Bieter, also auf vertikaler Ebene getroffen wurde.170

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Im Compliance-Kontext ist es zentral, dass allen Mitarbeitern, die mit Ausschreibungen befasst sind, die hohen kartellrechtlichen Risiken im Hinblick auf den Umgang mit ausschreibungsrelevanten Informationen bewusst sind. Das Bundeskartellamt hat bereits 2015 eine hilfreiche Broschüre auf ihrer Webseite veröffentlicht, die sehr konkrete Anhaltspunkte für Verdachtsmomente für das Vorliegen von Submissionsabsprachen enthält.171 Das Dokument ist vom Bundeskartellamt als Checkliste für Vergabestellen entwickelt worden, um diesen die Aufdeckung von Kartellrechtsverstößen zu erleichtern. Aus dieser Broschüre wie auch aus der Fallpraxis des Bundeskartellamtes wird deutlich, dass unter den Tatbestand selbstverständlich die Abgabe von Schutzangeboten wie auch der reine Informationsaustausch, etwa im Hinblick auf Angebotshöhe oder Interessenlage der Bieter fällt.172 Absprachen bzw. Informationsaustausch zu jedem einzelnen Projekt stellen insoweit eine eigene Tat dar.

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Eine sorgsame Überprüfung des Angebotsverhaltens in Vergabeverfahren ist – wie bereits angesprochen – nicht nur zwingend, um Risiken für das Unternehmen, sondern auch um persönliche Risiken für die handelnden Mitarbeiter auszuschließen. Aufgrund des weiten Begriffs der kartellrechtswidrigen Abrede, die wie ausgeführt173 ja bereits die abgestimmte Verhaltensweise und damit letztlich auch den Informationsaustausch erfasst, der zu einer solchen Verhaltensweise führt, ist jede Kommunikation über eine Ausschreibung zu unterlassen. Dies bezieht sich nicht nur auf den Inhalt eines möglichen Angebots, sondern schon auf die Frage, ob ein Unternehmen an einer Ausschreibung teilnimmt oder nicht. Die Tragweite dieses Verbots ist den wenigsten Mitarbeitern ohne entsprechende Schulung bewusst.

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Die Verfolgungsaktivitäten der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit Submissionsabsprachen nehmen ständig zu.174 Submissionsabsprachen werden an das Wettbewerbsregister (siehe Rn. B 80) gemeldet.

Compliance-Handbuch Kartellrecht

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