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1.1.2 Der Weg zur kognitiven Linguistik

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Dem Strukturalismus von Ferdinand de Saussure zufolge, der den Beginn der modernen Linguistik stark geprägt hat, wird die Sprache unterschieden in langue und parole (vergleiche Albrecht 2007: 27ff). Langue wird von de Saussure als ein System von Symbolen und Regeln definiert, das durch soziale Konventionen festgelegt ist. Parole wird hingegen als die Verwendung dieses Systems durch die Individuen beschrieben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese durch Konvention festgelegten und verwendeten Symbole immer arbiträr sind in ihrer Zuweisung zu dem, was sie bezeichnen (signifié, Bezeichnetes, Zeicheninhalt) und dem, wie sie das Bezeichnete bezeichnen (signifiant, Bezeichnendes, äußere Zeichenform) (vergleiche Albrecht 2007: 43). Es handelt sich bei Sprachen also um ein abstraktes Regel- und Symbolwerk, das zunächst einmal mit Konvention und individueller Verwendung zusammenhängt. Ursprünglich hatte de Saussure die Trichotomie langage-langue-parole vorgesehen, wobei langage die Sprachfähigkeit der Menschen bezeichnete, die auf die langue und parole angewandt wird (vergleiche Albrecht 2007: 29). De Saussure hat jedoch in seiner Sprachtheorie nicht erläutert, wie die Komponenten langue und parole zusammenhängen, und vor allem wie die Individuen überhaupt zum Erwerb des Systems und dessen Verwendung kommen (vergleiche Geeraerts & Cuyckens 2007: 11). Jahre später hat Chomsky (1965) diesen Aspekt in seiner Transformationsgrammatik (auch generative Grammatik genannt) behandelt und unter anderem durch die Annahme eines angeborenen Spracherwerbsmechanismus (Language Acquisition Device, kurz LAD) erklärt. Nach Chomsky verfügt jedes Individuum über eine mehr oder weniger angeborene Universalgrammatik, in der das nötige Wissen über das System einer Sprache gespeichert ist, was Chomsky als Kompetenz des Individuums bezeichnete (vergleiche Hoffmann 2003: 2ff). Dank der Kompetenz, dem Vorhandensein der Universalgrammatik, ist das Individuum auch imstande, das Sprachsystem zu verwenden, wofür Chomsky den Begriff der Performanz verwendet. Dieser ist in etwa dem Begriff der parole von de Saussure gleichzusetzen, er spielt jedoch in der Transformationsgrammatik eine eher nebengeordnete Rolle (Smirnova & Mortelmans 2010: 11f). Mit der Unterscheidung zwischen Kompetenz und Performanz löste Chomsky jedoch eine noch größere Lücke in der Sprachtheorie aus, weil dabei die soziale Dimension und die kommunikative Funktion von Sprache und Spracherwerb völlig außer Acht gelassen wurden (vergleiche Geeraerts & Cuyckens 2007: 11). So fasst Chomsky zum Beispiel die Grammatik als ein eher abstraktes Regelwerk auf, das durch sogenannte Transformationen (Ersetzungs- und Umstellungsregeln) ermittelbar ist (vergleiche auch Klenk 2003: 71f). Dabei sollen die jeweils zugrundeliegenden Transformationen die Überführung von einer Tiefenstruktur in eine syntaktische Oberflächenstruktur beziehungsweise in die konkreten Äußerungen ermöglichen (vergleiche Klenk 2003: 74f). Demnach ist Grammatik formell operationalisierbar und bildet ein in sich logisches Regelwerk, das wenig durch dessen Gebrauch seitens der Individuen veränderbar ist und relativ unabhängig von Bedeutung und allgemeiner Kognition funktionieren kann. Sprache ist also durch eine Universalgrammatik bestimmt und in diesem Sinne recht starr und wenig manipulierbar durch nichtsprachliche Kognition.

Erst Ende der 1980er Jahre führte die kognitive Linguistik zu einem Paradigmenwechsel von dieser hauptsächlich syntaxorientierten Sprachbeschreibung zu einer bedeutungsorientierten. So heißt es bei Langacker (2008a: 8), einem der wichtigsten Vertreter der kognitiven Linguistik: »If generative linguistics views syntax as being central to language, Cognitive Linguistics accords this honor to meaning«. Die kognitive Linguistik betont folgerichtig die symbolische Funktion von Sprache, deren Teile beziehungsweise Symbole als Paare, bestehend aus (phonologischer) Form und Bedeutung, beschrieben werden. Die konzeptuellen Organisationsprinzipien des symbolischen Systems der Sprache – und vor allem der Grammatik – erklärt die kognitive Linguistik hauptsächlich anhand von allgemeinen Prozessen und Phänomenen der menschlichen Kognition wie zum Beispiel Analogiebildung, Kategorisierung, Komposition, Prototypeneffekte und Ähnliches (vergleiche Langacker 2008b). Die Sprachbeschreibung erlangt damit eine kognitive Plausibilität. Auch die Veränderbarkeit des symbolischen Systems durch die Sprecher selbst wird in der kognitiven Linguistik im Gegensatz zu den vorherigen Ansätzen stark betont:

Substantial importance is given to the actual use of the linguistic system and a speaker’s knowledge of its use; the grammar is held responsible for a speaker’s knowledge of the full range of linguistic conventions, regardless of whether those conventions can be subsumed under more general statements. (Langacker 1987: 494)

Entscheidend ist das Sprachwissen des Sprechers. Damit wandte sich die kognitive Linguistik entschieden von der generativen Grammatik von Chomsky ab. Die Hauptkritikpunkte richteten sich unter anderem gegen folgende Aspekte:

 Die in der generativen Grammatik postulierte Autonomie des Sprachmoduls ist nicht mehr annehmbar, da Sprache als Teil des menschlichen kognitiven Systems ebenfalls nach allgemeinen kognitiven Prinzipien funktioniert (vergleiche Barcelona & Valenzuela 2011: 19). Ein Beispiel dafür sind die Metaphorisierungsprozesse in der Sprache, bei denen konkrete, nichtsprachliche Erfahrungen als konzeptuelle Basis für abstrakte Konzepte genutzt werden.

 Große Teile der Sprache werden in der generativen Grammatik als Ausnahmen erklärt und damit ausgeschlossen. Die kognitive Linguistik beschreibt sprachliche Realisierungen hingegen als Teile eines Kontinuums, auf dem die Nähe beziehungsweise die Distanz zu einem Prototypen dargestellt ist (vergleiche Evans & Green 2006).

 Die generativistische Auffassung von Spracherwerb als Naturphänomen und als angeborene Fähigkeit des Menschen wird in der kognitiven Linguistik nicht mehr vertreten. Die Idee von Sprache als ein vom sozialen und kulturellen Kontext abgekoppeltes, formelles Regelsystem wird somit abgelehnt (vergleiche Geeraerts & Cuyckens 2007: 13). Vielmehr wird Sprache als ein Produkt der Interaktion zwischen Individuen in einem bestimmten kulturellen Kontext angesehen und somit als ein von Menschen geschaffener Code, der durch allgemeine Lernmechanismen erworben wird, begriffen.

Mit dem Ziel, eine höhere Plausibilität zwischen Sprachbeschreibung und allgemeiner menschlicher Kognition zu erlangen, sind im Bereich der kognitiven Linguistik verschiedene Ansätze entstanden, wie zum Beispiel die kognitive Semantik (Talmy 1983, 2000), die Konstruktionsgrammatik (Bergen & Chang 2005; Croft 2001; Fillmore 1988; Tomasello 2003), die conceptual metaphor theory (Lakoff & Johnson 1980; Lakoff 1987) und die kognitive Grammatik (Langacker 1991). Obwohl jeder dieser Ansätze die Grundannahmen der kognitiven Linguistik teilt, unterscheiden sie sich alle in ihrer Schwerpunktsetzung voneinander.

Die wichtigsten konstitutiven Merkmale der kognitiven Linguistik sind:

 Sprache ist ein symbolisches System.

 Sprache ist ein Teil der allgemeinen menschlichen Kognition.

 Sprache ist ein gebrauchsbasiertes System.

Sie sollen im nächsten Abschnitt erläutert werden.

Sprachenlernen und Kognition

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