Читать книгу Sprachenlernen und Kognition - Jörg-Matthias Roche - Страница 22

1.3.2 Die Untersuchung der aktiven Areale mittels Verfahren der funktionellen Bildgebung

Оглавление

Die strukturelle Bildgebung ist immer noch weitverbreitet, um Anomalien zu lokalisieren und Strukturen bei unterschiedlichen Personengruppen zu vergleichen: Etwa bei Legasthenikern, bei Personen mit Autismus-Spektrum-Störungen und bei älteren Personen. In den vergangenen Jahrzehnten überwogen jedoch die Verfahren der funktionellen Bildgebung in der psycho- und neurolinguistischen Forschung, denn diese Verfahren ermöglichen die Untersuchung der Gehirnaktivität, indem Veränderungen der Durchblutung, elektrische Aktivität oder magnetische Felder beobachtet werden. Unser Gehirn ist pausenlos aktiv und wenn es Informationen verarbeitet, übertragen die Nervenzellen im Gehirn Informationen an andere Nervenzellen. Die Kommunikation dieser Nervenzellen (oder Neuronen) verursacht einen elektrischen Strom im Gehirn. Wenn eine ausreichende Anzahl Neuronen an der Verarbeitung derselben Information beteiligt ist, erzeugen sie ein elektrisches und magnetisches Feld, das außerhalb des Schädels gemessen werden kann. Bei den Verfahren der funktionellen Bildgebung wird zwischen solchen unterschieden, die zur Lokalisierung von Gehirnregionen verwendet werden – sogenannte Wo-Verfahren – und solchen, bei denen die Bildgebung auf Basis von magnetischer oder elektrischer Aktivität im Gehirn entsteht, die Wann-Verfahren.

Wann-Verfahren, die elektromagnetische Aktivität verwenden

Der Kommunikationsprozess innerhalb des Gehirns erfolgt durch das Feuern der Neuronen, das zu elektrischer Strömung führt. Dieser Strom fließt in Zellen hinein und wieder heraus und erzeugt dabei in geringem Abstand Dipole mit negativer und positiver elektrischer Ladung. Wenn viele neuronale Dipole dieselbe Art von Input erhalten und ähnlich ausgerichtet sind (positiv oder negativ), addieren sie sich auf und können dann mittels der Elektroenzephalographie (EEG) außerhalb des Schädels gemessen werden. Während einer EEG-Aufzeichnung trägt der Proband oder die Probandin eine Kappe, die mit 32, 64 oder sogar noch mehr Elektroden bestückt ist. Die Kappe ist so beschaffen und wird so aufgesetzt, dass jede Elektrode an einer bestimmten Stelle auf die Kopfhaut trifft; jede Elektrode zeichnet die elektrische Aktivität von Tausenden Neuronen auf. Das Ergebnis stellt ein Gesamtbild der Gehirnaktivität dar. Dabei wird pro positionierter Elektrode eine Wellenlinie ausgegeben. Als ereigniskorrelierte Hirnpotentiale (ERPs) werden die Veränderungen in der elektrischen Strömung bezeichnet, die sich aufgrund eines spezifischen Stimulus oder einer bestimmten Aktivität ereignen, zum Beispiel durch ein Wort oder ein Bild. Um herauszufinden, welcher Teil des EEG die durch den Stimulus erzeugte Aktivität abbildet, sind mehrfache Messungen vonnöten. Denn die Aufzeichnung erfasst auch viele irrelevante Gehirnaktivitäten zusammen mit den ereigniskorrelierten Hirnpotentialen.

Für ein aussagekräftiges Ergebnis muss das EEG deshalb zeitlich auf den spezifischen Stimulus eingegrenzt und der Durchschnitt ermittelt werden. Danach erst wird das ereigniskorrelierte Hirnpotential sichtbar, denn die nicht zeitlich eingegrenzten, irrelevanten Gehirnaktivitäten werden ausgeglichen.

Viele Studien, die ereigniskorrelierte Hirnpotentiale zur Untersuchung von Sprachverarbeitung verwenden, machen sich das Erwartungsverletzungsparadigma zunutze. Bei diesem Verfahren werden ereigniskorrelierte Hirnpotentiale miteinander verglichen, die als Reaktion auf zwei Sätze entstehen. Die beiden Sätze unterscheiden sich nur in einem einzigen Aspekt. Es wird davon ausgegangen, dass die Unterschiede in der Wellenform der beiden ERPs die Verarbeitungsunterschiede im Gehirn abbilden. Es ist möglich, diese Abweichung auf den einen Aspekt zurückzuführen, der in den beiden Sätzen anders war. Wenn zum Beispiel der zeitliche Verlauf der semantischen Verarbeitung untersucht werden soll, kann die Reaktionen des Gehirns auf die Wörter Buch und Wasser in den folgenden beiden Sätzen verglichen werden:

(1)Ich werde dieses Buch im Zug lesen.
(2)Ich werde dieses Wasser im Zug lesen.

Die daraus resultierenden ERP-Effekte oder -Komponenten, das heißt der Unterschied in der Aktivierung zwischen den beiden Sätzen ab Beginn des Wortes Buch beziehungsweise Wasser, werden oft nach der Polarität und dem Zeitpunkt benannt, an dem sie ihren Höhepunkt erreichen (N400 ist eine negativ gerichtete Welle, der Höhepunkt liegt bei 400 Millisekunden nach Beginn); oder sie werden nach der Verteilung und der Polarität benannt (LAN ist links anterior negativ bei verschiedenen Latenzzeiten nach Beginn). Im Verlauf der Jahre sind mit Experimenten mittels ereigniskorrelierter Hirnpotentiale verschiedene Komponenten der Hirnpotentiale identifiziert worden, die überwiegend mit bestimmten Aspekten des Sprachverstehens in Verbindung gebracht werden können.

N400 ist die bekannteste ERP-Komponente, die bei Verstößen gegen die Semantik sicher beobachtet werden kann (Kutas & Hillyard 1980), so wie in Ich werde dieses Wasser im Zug lesen. Diese Komponente zeigt einen negativen Ausschlag, der bei ungefähr 400 Millisekunden seinen Höhepunkt erreicht, nachdem ein semantisch nicht plausibles Wort verarbeitet worden ist. Am besten ist dieser Effekt über den zentralen parietalen Arealen der Kopfhaut sichtbar (vergleiche dazu Abbildung 1.5 weiter unten). N400 ist stärker bei Wörtern, die schwer in einen Satz integriert werden können und schwach bei leicht integrierbaren Wörtern. Es wäre zum Beispiel einfach, das Wort Pferd in so einem Satz zu verarbeiten: Der Cowboy ritt auf dem Pferd. Es wäre weitaus aufwändiger für das Gehirn, das Wort Pferd in diesem Satz zu verarbeiten: Der Einbrecher bewegte sein Pferd. Wenn die ERP-Wellenformen bei einer Person als Reaktion auf das Wort Pferd in diesen beiden Sätzen verglichen werden, dann würden die Gehirnwellen einen relativen negativen Höhepunkt als Reaktion auf das Wort Pferd im Satz Der Einbrecher bewegte sein Pferd aufweisen. Der Höhepunkt steht für die erhöhte Aktivität und kann die relative Schwierigkeit bei der Verarbeitung der Information abbilden.

Kutas und Hillyard (1983) haben zuerst gezeigt, dass morphosyntaktische Verstöße andere ERP-Komponenten hervorrufen als semantische Verstöße. Ihre Studie umfasste sowohl semantische Anomalien als auch deplatzierte finite und infinite Verben. Die semantischen Anomalien erzeugten ein N400, wohingegen alle morphosyntaktischen Anomalien frontal zentral negativ bei 300–400 Millisekunden und rückwärtig positiv bei 300 Millisekunden nach Beginn auftraten. Sie leiten daraus ab, dass Semantik und Syntax über separate neurale Verarbeitungssysteme gesteuert werden. Aber es ist auch denkbar, dass diese Annahme schlichtweg die vorherrschenden Sprachtheorien dieser Zeit wiederspiegelt, in denen strikt zwischen Syntax und Semantik getrennt wurde.

Die ermittelte spät positive Reaktion erreicht bei syntaktischen Verstößen bei 600 Millisekunden nach Beginn ihren Höhepunkt, beginnt bei 500 Millisekunden und dauert bis zu 800 oder 1000 Millisekunden an. Am deutlichsten wird sie auf der Rückseite des Kopfes sichtbar (vergleiche 1.5). Osterhout & Holcomb (1992) bezeichneten dies zuerst als einen syntaktischen Effekt und nannten es den P600-Effekt. Der P600-Effekt wird von einer Vielzahl syntaktischer Verstöße ausgelöst. Dazu gehören morphosyntaktische Verstöße und Verstöße gegen die Kategorienerwartung. In einem Satz wie Der Cowboy hat sein Pferd reiten muss der Leser oder die Leserin die falsche Zeit des Verbs korrigieren und den Satz neu analysieren, um die verarbeiteten Informationen zu verstehen. Das zeigt sich im größeren positiven Ausschlag bei 600 Millisekunden für reiten im Vergleich zur korrekten Zeitform geritten. Außer bei syntaktischen Verstößen wurde der P600-Effekt auch als Reaktion auf grammatikalisch korrekte Sätze mit unterschiedlicher Komplexität gemessen (Kaan, Harris, Gibson & Holcomb 2000).

Abbildung 1.5:

ERP-Wellenformen nach Loerts, Stowe & Schmid (2013: 573)

Abbildung 1.5 zeigt Wellenformen ereigniskorrelierter Hirnpotentiale als Reaktion auf ein Zielwort, das innerhalb eines Satzes semantisch und grammatikalisch korrekt war (die schwarze Linie), und auf das Wort, als es semantisch und grammatikalisch nicht vollständig korrekt war. Die X-Achse zeigt die Latenzzeit in Millisekunden nach dem Beginn des Wortes und die Y-Achse zeigt die Höhe der Mikrovolt, die zu den bestimmten Zeitpunkten gemessen wurden. Beachten Sie, dass positiv nach unten und negativ nach oben ausgerichtet ist. Aus unbekannten Gründen ist dies in der Forschung so üblich.

Die räumliche Auflösung in ereigniskorrelierten Hirnpotentialen ist mangelhaft, ihre zeitliche Auflösung nach Millisekunden ist jedoch hervorragend. Deshalb ist das ERP-Verfahren eine erprobte und verlässliche Messmethode der Sprachverarbeitung in Echtzeit. Einige Forscher und Forscherinnen bevorzugen die Magnetenzephalographie (MEG) anstelle der Elektroenzephalographie. Ein Magnetenzephalograph misst magnetische Felder, die von elektrischen Strömungen im Gehirn produziert werden. Das magnetische Feld wird in Reaktion auf so genannte Events von Hunderten Sensoren in einem helmartigen Scanner gemessen, der um den Kopf des Probanden oder der Probandin herum aufgebaut wird. Der Magnetenzephalograph ähnelt dem Elektroenzephalographen, ermöglicht jedoch eine bessere Lokalisierung der Quelle, da die magnetischen Felder nicht so sehr vom Schädel verzerrt werden wie die elektrische Aktivität, die vom Elektroenzephalographen gemessen wird. Ein Nachteil des Magnetenzephalographen ist, dass er nur neurale Strömungen erkennen kann, die parallel zur Oberfläche des Schädels fließen.

Bei der Verwendung von Wann-Verfahren in der Zwei- und Mehrsprachigkeitsforschung wird hauptsächlich der Frage nachgegangen, ob bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern dieselben Reaktionen und dieselben zeitlichen Abläufe und Ausschläge der Reaktionen in ihrer Zweitsprache messbar sind wie bei einsprachigen Personen. Ein wichtiger Vorteil dieses Verfahrens ist: Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen sind sich nicht bewusst, dass sie auf bestimmte Aspekte der Sprache und unbewusste Reaktionen auf Verstöße oder Komplexität in der L2 getestet werden. Wenn weder N400-Effekte noch P600-Effekte während der Verarbeitung von semantischen und syntaktischen Verstößen in der Zweitsprache nachgewiesen werden, kann das darauf hindeuten, dass der L2-Lerner den Fehler nicht sieht oder hört. Eine verspäteter N400- oder P600-Effekt könnte auf langsamere Verarbeitung hindeuten und ein geringerer Ausschlag des N400- oder P600-Effekts könnte eine weniger genaue Verarbeitung der Verstöße oder Komplexität in der L2 widerspiegeln.

Der Großteil der Forschung bis heute hat gezeigt, dass fortgeschrittene L2-Lerner in der Lage sind, semantische Aspekte in ihrer Zweitsprache zu verarbeiten (wie in N400-Effekten (verspätet) abgebildet). Es scheint allerdings insbesondere für ältere Lerner schwierig zu sein, syntaktische Eigenschaften in der L2 ähnlich wie in der Muttersprache zu verarbeiten. Einige Studien zeigen keine P600-Effekte als Reaktion auf syntaktische Verstöße in der L2, was darauf hindeuten könnte, dass die L2-Lerner den Fehler nicht bewusst bemerkt und verarbeitet haben. Andere wiederum zeigen eine verzögerte oder abgeschwächte P600-Reaktion bei L2-Sprechern: Das ist ein Hinweis auf eine weniger detailgenaue Verarbeitung der syntaktischen Verstöße in der L2 (vergleiche die Übersicht von van Hell & Tokowicz 2010).

Das Vorhandensein oder das Fehlen von P600-Effekten könnte in Verbindung mit Ähnlichkeiten zwischen der L1 und der L2 stehen, aber auch mit der Kompetenzstufe (Loerts 2012). Eine interessante Longitudinalstudie zu ereigniskorrelierten Hirnpotentialen untersuchte die Gehirnaktivierung als Reaktion auf syntaktische Strukturen der L2, während die Lerner im Verlauf des ersten Jahres formalen Unterrichts an der Universität in der L2 Französisch Fortschritte erzielten (McLaughlin, Tanner, Pitkänen, Frenck-Mestre, Inoue, Valentine & Osterhout 2010). Aufgrund der Daten konnte man darauf schließen, dass die Lerner zu Beginn grammatikalische Fehler als lexikalische Einheiten verarbeiten. Dabei zeigten sich N400-Effekte als Reaktion auf einen Regelverstoß nach vier Wochen Unterricht in der L2 Französisch. Während der zweiten Testphase und nach ungefähr 16 Wochen Unterricht traten bei einigen immer noch N400-Effekte auf, wohingegen bei anderen eine verzögerte Reaktion auf Regelverstöße ähnlich wie in der Muttersprache zu beobachten war (erkennbar in Form von kleinen P600-Effekten). Während der dritten Phase und nach 26 Wochen Unterricht war bei den meisten Studentinnen und Studenten verlässlich eintretende P600-Effekte nachweisbar, die auf muttersprachenähnliche Verarbeitung, Korrektur oder Neuanalyse syntaktischer Verstöße hindeuten. Die Autoren vermuteten, dass die Abweichungen in der zweiten Phase auf Unterschiede in der Erwerbsgeschwindigkeit hindeuten.

Wo-Verfahren, die hämodynamische Aktivität verwenden

Da Elektroenzephalographen und Magnetenzephalographen nicht sehr nützlich für die Lokalisierung von Aktivität sind, können Wo-Verfahren verwendet werden, um Fragen hinsichtlich der Aktivierung spezifischer Regionen im Gehirn zu beantworten. Das bekannteste Wo-Verfahren ist die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRI). Diese Methode verwendet die MRI-Technologie, bezieht aber die Tatsache mit ein, dass Blut in einen bestimmten Teil des Gehirns fließt, wenn Gruppen von Neuronen in diesem Bereich aktiv werden (zum Beispiel wenn dieser Teil genutzt wird, um auf einen speziellen Stimulus wie ein Geräusch, ein Bild oder einen Film zu reagieren). In unserem Blut befindet sich Eisen und wenn frisches Blut fließt, dann verzerrt das Eisen das magnetische Feld. Ein fMRI-Scanner kann dies aufzeichnen. Genauer gesagt findet eine Veränderung im Blutfluss statt, wenn Neuronen in einem bestimmten Gebiet des Gehirns kommunizieren. Dabei wird Sauerstoff absorbiert und das Blut desoxidiert. In Studien mit funktioneller Magnetresonanztomographie wird das Verhältnis zwischen oxidiertem (mit Sauerstoff angereicherten) und desoxidiertem Hämoglobin im Blut gemessen. Dieser BOLD-Kontrast, der blood oxygenation level dependent (›Abhängigkeit vom Blutsauerstoffgehalt‹) wird mit dem fMRI-Gerät gemessen. Während ein strukturelles MRI aus mehreren Momentaufnahmen besteht, wird ein fMRI verwendet, um einen Film davon zu produzieren, was im Gehirn während der Verarbeitung von (linguistischen) Stimuli passiert.

Eine weitere Technik zur Untersuchung, welche Regionen während der Verarbeitung spezieller Stimuli aktiv sind, ist die Positronen-Emissions-Tomographie (PET). Im Gegensatz zur funktionellen Magnetresonanztomographie setzt die Positronen-Emissions-Tomographie die Injektion einer kleinen Menge Flüssigkeit mit einem radioaktiven Element in den Blutkreislauf voraus. Diese injizierte Substanz sammelt sich in den Gehirnregionen an, die abhängig von der in sie einfließenden Blutmenge sind. Dies wird wiederum von der Kamera aufgezeichnet. Leider dauert es ungefähr eine Minute, um den Anstieg des so genannten regionalen zerebralen Blutflusses (rCBF) zu messen. Während die räumliche Auflösung von funktioneller Magnetresonanztomographie und Positronen-Emissions-Tomographie relativ gut ist, ist die zeitliche Auflösung deutlich schlechter als bei der Elektroenzephalographie oder der Magnetenzephalographie. Außerdem ist sie aufgrund der invasiven Elemente umstritten.

Die funktionelle Magnetresonanztomographie und die Positronen-Emissions-Tomographie können insbesondere Fragen in Bezug auf Mehrsprachigkeit beantworten, beispielsweise ob die Sprachen einer multilingualen Person in denselben oder in unterschiedlichen Bereichen des Gehirns repräsentiert sind. Wenn dieselben Bereiche im Gehirn aktiv sind, kann das auf die Aktivität derselben Mechanismen zurückgeführt werden. Wenn unterschiedliche Teile des Gehirns aktiv sind, kann das die Aktivierung unterschiedlicher Mechanismen wiederspiegeln.

Um solche Fragen zu untersuchen, vergleichen fMRI- und PET-Studien üblicherweise hämodynamische Reaktionen unter Versuchsbedingungen, die Kontrollbedingungen beinhalten. Die zwei Bedingungen werden so ausgewählt und konzipiert, dass sie bis auf einen kritischen Aspekt sehr ähnliche kognitive Prozesse erfordern. Es könnten zum Beispiel Probanden und Probandinnen gebeten werden, lautlos Bilder zu benennen, woraufhin die aktiven Regionen mit der Gehirnaktivität während einer Ruhephase verglichen werden können. Das fMRI-Signal würde alle fünf Sekunden aufgezeichnet, während die Probanden und Probandinnen 30 Sekunden lang Bilder benennen und danach 30 Sekunden pausieren. Die Regionen, die aufgrund des Blutflusses nur während jener 30 Sekunden aufleuchten, in denen die Personen Bilder benennen (und nicht während der Ruhephasen), könnten die Areale sein, die für das visuelle Erfassen von Bildern, das Abrufen der entsprechenden Bezeichnung aus dem Lexikon und das nachfolgende lautlose Benennen der Bilder auf Basis der korrekten Bezeichnungen verantwortlich sind.

Die meisten Forscherinnen und Forscher würden sich bei der Lokalisierung der Regionen für die funktionelle Magnetresonanztomographie entscheiden, weil die Methode nicht invasiv ist und nicht voraussetzt, dass den Versuchsteilnehmern und Versuchsteilnehmerinnen eine radioaktive Substanz gespritzt wird. Außerdem ist sowohl die räumliche als auch zeitliche Auflösung von fMRI-Scans (einige wenige Sekunden) besser als die räumliche Auflösung von PET-Scans. Wenn man allerdings den zeitlichen Verlauf der Verarbeitung der (Zweit)Sprache untersuchen möchte, eignet sich dafür ein Elektroenzephalograph oder Magnetenzephalograph besser, da diese über eine zeitliche Auflösung im Millisekunden-Bereich verfügen.

Wie wir bereits in der Einheit 1.2 erläutert haben, weisen die meisten funktionellen Neuroimaging-Studien bis heute darauf hin, dass die unterschiedlichen Sprachen bei einer mehrsprachigen Person nicht in verschiedenen Regionen des Gehirns verortet sind, sondern dass die Aktivierungsmuster einander überlappen (vergleiche zum Beispiel Vingerhoets, Van Borsel, Tesink, Van den Noort, Deblaere, Seurinck, Vandemaele & Achten 2003). In den meisten Studien wird vermutet, dass das Aktivierungsmuster bei der Verarbeitung der weniger gut beherrschten oder später erlernten Sprache diffuser ist als bei der Muttersprache. In Studien zur Kontrolle der L2-Kompetenzstufe ist es nicht gelungen, Unterschiede aufzuzeigen, die die Aktivierungsmuster beider Sprachen von frühen und späten Zweitsprachenlernern bei semantischen Aufgaben, wie beispielsweise das Anhören von Geschichten (vergleiche Perani, Paulesu, Galles, Dupoux, Dehaene, Bettinardi, Cappa, Ferruccio & Mehler 1998), betreffen. Im Gegensatz dazu scheint das Alter des Spracherwerbs sogar bei L2-Lernern mit hoher Kompetenzstufe Einfluss auf die grammatische Verarbeitung zu nehmen (Wartenburger, Heekeren, Abutalebi, Cappa, Villringer & Perani 2003).

Deshalb wird davon ausgegangen, dass das Alter des Spracherwerbs die grammatikalischen Repräsentationen beeinflusst. Die Kompetenzstufe in der L2 ist demnach ein aussagekräftigerer Bestimmungsfaktor für die Organisierung der Sprachen einer multilingualen Person in Bezug auf die semantische Verarbeitung (Abutalebi 2008).

Verfahren zur Stimulation des Gehirns

Einige mehr oder weniger invasive bildgebende Verfahren werden ebenfalls manchmal verwendet. Eines davon ist die elektrische Stimulation des Gehirns (EBS). Sie wird üblicherweise in Vorbereitung auf die Entfernung eines Gehirntumors angewandt oder um zu prüfen, welche Teile des Gehirns mit verschiedenen kognitiven Fähigkeiten in Verbindung gebracht werden können. Einige Studien, in denen die elektrische Stimulation des Gehirns verwendet wird, unterstützen die oben erwähnten Erkenntnisse nicht, dass Bereiche des Gehirns für unterschiedliche Sprachen einander überlappen. Die Prozedur bei Verfahren, die die elektrische Stimulation des Gehirns nutzen, sieht ungefähr so aus: Zuerst werden die für Sprache verantwortlichen Bereiche mittels bildgebende Verfahren aufgespürt. Danach wird die Schädeldecke entfernt und Elektroden werden auf Teilen des Cortexes platziert, woraufhin kleine Mikrovolt-Stromstöße zur Stimulation des Gehirns ausgelöst werden. Der Patient beziehungsweise die Patientin befindet sich während dieser Phase im Wachzustand (im Gehirn befinden sich keine Schmerzrezeptoren) und muss verschiedene Aufgaben erfüllen. Dazu gehören auch Aufgaben zur Sprachverarbeitung. Wenn die Sprachverarbeitung unterbrochen wird, während ein bestimmter Bereich im Gehirn stimuliert wird, geht man davon aus, dass dieser Teil des Gehirns eine zentrale Rolle für die Sprachverarbeitung einnimmt und deshalb nicht ohne Schaden entfernt werden kann.

Lucas, McKhann & Ojeman (2004) haben im gesamten kortikalen Bereich keine Unterschiede zwischen der L1 und der L2 gefunden; sie erläutern, dass eine zweite Sprache keine größere kortikale Darstellung voraussetzt. Sie weisen ebenfalls sowohl sprachspezifische Bereiche als auch geteilte Bereiche im Gehirn nach. Es gibt also Unterschiede zwischen den Ergebnissen der kortikalen Gehirnstimulation und den Ergebnissen aus den bildgebenden Verfahren – und das ist problematisch. Es scheint keine Grundlage dafür zu geben, der einen oder der anderen Technik den Vorzug zu geben, obwohl Lucas, McKhann & Ojemann (2004) behaupten: »(our) results underscore the fact that fMR imaging can be used to visualize areas in the cortex involved in language processing but not necessarily those areas essential for it« (Lucas et al. 2004: 455). Es sollte erwähnt werden, dass sich all diese Studien nur mit zwei Sprachen befassen und dass aus den Berichten nicht ersichtlich wird, ob die getesteten Patienten und Patientinnen nicht noch weitere Sprachen beherrschten. Bello, Acerbi, Giussani, Baratta, Taccone, Songa, Fava, Stocchetti, Papagno & Gaini (2006) legen Daten über mehrsprachige Patienten und Patientinnen vor und sie kommen direkt zu der Schlussfolgerung: »Sites for each language were distinct and separate« (Bello et al. 2006: 125), was wiederum in absolutem Widerspruch zu den Daten aus bildgebenden Verfahren steht.

Ein Problem bei den Studien, die die elektrische Stimulation des Gehirns nutzen, ist, dass sie üblicherweise an Patienten und Patientinnen durchgeführt werden, die schwerwiegende epileptische Anfälle erlitten haben. Diese können Auswirkungen auf die Architektur und die Verarbeitungsmechanismen ihres Gehirns gehabt haben. Dieses Problem könnte durch die Verwendung einer ähnlichen, aber nicht-invasiven Technik namens transkranielle Magnetstimulation (TMS) gelöst werden. Obwohl dabei keine Flüssigkeit injiziert werden muss, kann es für die Teilnehmenden durchaus beängstigend sein, sich dieser Prozedur zu unterziehen, denn bei diesem Verfahren werden Gehirnläsionen imitiert. Ein ziemlich starker elektrischer Strom wird unter Verwendung eines Gerätes erzeugt, das an eine bestimmte Stelle am Kopf des Probanden oder der Probandin gehalten wird. Der Strom erzeugt ein magnetisches Feld, das die darunterliegenden Neuronen von ihrer Tätigkeit abhält. Genauso wie bei EBS ist die Funktion, für die dieser Teil des Gehirns normalerweise zuständig ist, für den Probanden oder die Probandin nicht verfügbar. Diese Technik wurde noch nicht oft dafür verwendet, zweisprachige oder mehrsprachige Sprachverarbeitung zu untersuchen, aber sie könnte dafür eingesetzt werden, die möglichen Unterschiede zwischen den Regionen zu untersuchen, die in Zusammenhang mit der Verarbeitung verschiedener Sprachen bei einer multilingualen Person stehen.

Sprachenlernen und Kognition

Подняться наверх