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2.1.6 Metaphern in der Sprachvermittlung
ОглавлениеSie stellen sich vielleicht die Frage, warum gerade die Metaphern in dieser Ausführlichkeit behandelt werden. Wenn Sie Ihre Kollegen fragen, dann werden sie Ihnen sicher sagen, dass Metaphern doch eher für fortgeschrittene Fremdsprachenlerner in Frage kommen. In diesem letzten Abschnitt wollen wir uns daher mit der eigentlichen Relevanz der Metaphern für den Fremdsprachenerwerb beschäftigen. Wir werfen zunächst einen Blick auf den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (GER). Dort werden die Metaphern nur marginal erwähnt, und zwar als Teil der sogenannten lexikalischen Kompetenz:
Lexikalische Elemente sind: feste Wendungen, die aus mehreren Wörtern bestehen und jeweils als ein Ganzes gelernt und verwendet werden. Solche festen Wendungen sind z.B.: idiomatische Wendungen, oft semantisch undurchsichtige, erstarrte Metaphern, z.B.: Er hat den Löffel abgegeben/fallen lassen. (= er ist gestorben). (Europarat 2001: 111)
Wenn wir aber die Metaphern aus kognitionslinguistischer Sicht definieren, so erweisen sie sich auch für L2-Lerner als ein wichtiges Werkzeug des Denkens und Handelns, das sowohl für Anfänger als auch für Fortgeschrittene höchst relevant ist. In dieser Hinsicht stellten Littlemore, Krenmayr, Turner & Turner (2014) fest, dass L2-Lerner auf allen Niveaustufen des GER metaphorische Ausdrücke nutzten, wobei sie mit zunehmendem Sprachniveau häufiger verwendet werden. Außerdem haben sie beobachtet, dass die Lerner auf den Anfängerniveaus für die metaphorischen Ausdrücke vorwiegend Items aus kaum erweiterbaren Wortklassen nutzten, wie zum Beispiel die räumlichen Präpositionen unter und über für den Ausdruck von hierarchischen Beziehungen. Die Lerner auf den höheren Niveaustufen (ab B2) nutzten hingegen vor allem Wörter aus erweiterbaren Wortklassen (zum Beispiel das Verb kontern in einer Diskussion) (vergleiche auch Roche & Suñer 2014). Insgesamt scheinen Metaphern also doch im gesamten Prozess des Fremdsprachenerwerbs präsent zu sein, auch wenn deutliche Unterschiede in Abhängigkeit vom Niveau zu beobachten sind. Da bisher der Erwerb einer solchen metaphorischen Kompetenz in den Kompetenzskalen nicht formuliert wurde, versuchen die Autoren auf der Basis ihrer Befunde die wichtigsten Deskriptoren einer solchen Kompetenz zu beschreiben. Im Folgenden sehen Sie exemplarisch die Deskriptoren für die Niveaustufen B1 und B2:
B1: In addition to the above, learners should be able to use a limited number of conventional metaphors, with appropriate phraseology to present their own perspective. They should also be able to make limited use of personification metaphors. They may be starting to use a small number of metaphor clusters.
B2: In addition to the above, learners should be able to make use of a limited number of conventional and creative open-class metaphors. They should be able to use metaphors for evaluative and discourse organizing purposes. They should be starting to use personification metaphors more extensively. Metaphorical clusters are more in evidence at this level. Some are coherent, whereas others contain mixed metaphors.
(Littlemore et al. 2014: 142)
Vor diesem Hintergrund plädieren die Autoren für eine stärkere Berücksichtigung der metaphorischen Kompetenz sowie für die Anwendung dieser Deskriptoren beispielsweise bei der Beurteilung schriftlicher Arbeiten. In diesem Fall sollte der Erwerb der metaphorischen Kompetenz den Autoren zufolge vor allem auf der Niveaustufe B2 durch eine entsprechende Didaktisierung begleitet werden, da die Lerner auf dieser Stufe beginnen, Metaphern mit Wörtern aus erweiterbaren Wortklassen zu verwenden. Deshalb sind entsprechend konzeptuelle Fehler zu erwarten (zum Teil durch den L1-Einfluss) (vergleiche Littlemore et al. 2014: 143). Da aber gerade die adäquate konzeptuelle Enkodierung von Erfahrungen (unter anderem anhand von Bildschemata) eine wichtige Voraussetzung für eine qualitativ entwickelte Mehrsprachigkeit ist, erweist sich der Erwerb einer solchen metaphorischen Kompetenz als ein sinnvolles übergeordnetes Ziel der Sprachvermittlung (vergleiche Roche 2013b; Danesi 2008; Littlemore & Low 2006b). In diesem Zusammenhang betont Danesi (2008), dass ein erfolgreicher Sprachenerwerb nicht nur in der Beherrschung formeller Aspekte der Fremdsprache besteht, sondern auch in dem kultursensitiven Umgang mit den metaphorischen Extensionen denotativer Wortbedeutungen.
Wie eine solche metaphorische Kompetenz gefördert werden kann, zeigen Azuma & Littlemore (2010) in ihrer Studie, in der sie den Effekt unterschiedlicher Verfahren zur Steigerung des kreativen Umgangs mit Sprache und zur besseren Erschließung und Produktion metaphorischer Ausdrücke untersuchen. In einer Interventionsstudie vergleichen sie das sogenannte attribute-matching-training (Zuordnen von gemeinsamen Eigenschaften zwischen Quellen- und Zieldomäne mit anschließender Reflexion) mit dem Gestalt-Training (Förderung der ganzheitlichen Wahrnehmung). Die Ergebnisse zeigen, dass das attribute-matching-training zu einer signifikant besseren Rezeption und Produktion von metaphorischen Ausdrücken als das Gestalt-Training führt. Die Autorinnen und Autoren erklären diesen Unterschied dadurch, dass das attribute-matching-Prinzip die Schritte bei der Metaphernverarbeitung auf eine besser handhabbare Weise transparent macht. Dadurch fällt deren Anwendung auf andere Fälle leichter und es können damit mentale Prozesse gefördert werden, die als Grundlage für die Verarbeitung von metaphorischen Ausdrücken dienen, wie zum Beispiel das assoziative und bildliche Denken sowie die Analogiebildung (vergleiche Littlemore & Low 2006b).