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2.1.3 Die Verwendung von Bildschemata in der Sprache

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Der Begriff der Bildschemata geht auf Johnson (1987) zurück, der sie als rekurrente, immer wieder vorkommende sensorische Muster optischer, auditiver, haptischer, motorischer oder olfaktorischer Natur beschreibt, die wir in unseren körperlichen Interaktionen mit der Umwelt erkennen und in schematischer Form speichern (vergleiche auch Evans & Green 2006). Aus der körperlichen Bewegung, der Manipulation von Objekten, der Wahrnehmung von Druck und externen Kräften etc. leiten wir Bildschemata ab, die uns dann als eine Art Vorlage zur Strukturierung konzeptueller Inhalte zur Verfügung stehen (vergleiche Grady 2005). Einige Beispiele für Bildschemata sind: URSPRUNG-WEG-ZIEL, TEIL-GANZES, BEHÄLTER, OBJEKT, DRUCK, KRAFT etc. (vergleiche Johnson 1987; Oakley 2007; siehe Tabelle 2.1). Da diese Bildschemata ihren Ursprung in den sensorischen Erfahrungen haben, behalten sie auch die entsprechenden modalitätsspezifischen Informationen und können durch Prozesse des bildlichen Denkens, wie beispielsweise die mentale Simulation, als sensorische Repräsentationen abgerufen werden (vergleiche Johnson 2005: 20). So beobachteten Wilson & Gibbs (2007), dass das Verständnis von Metaphern wie to push an argument erleichtert werden konnte, wenn sich die Probanden zuvor die physische Handlung des Drückens mental vorstellten oder selbst ausführten. Ein solcher Priming-Effekt wurde jedoch nicht beobachtet, wenn die Probanden eine nicht relevante Handlung ausführten, wie zum Beispiel einen Kaugummi kauen. Auch Gentner (2001; vergleiche auch Gentner, Imai & Boroditsky 2002) untersuchte die Verwendung von Zeitmetaphern und stellte fest, dass der Ausdruck von Zeitkonzepten in unterschiedlichen metaphorischen Systemen mit Einbußen in der Reaktionszeit einhergehen kann. Beim Ausdruck von Zeitkonzepten, die auf dasselbe metaphorische System zurückgreifen, verschwinden derartige negative Auswirkungen. All diese Experimente zeigen, inwiefern die Konzepte der Quellendomäne den Ausdruck abstrakter Konzepte beeinflussen.

RAUMOBEN-UNTEN; VORNE-HINTEN; LINKS-RECHTS; NAH-ENTFERNT; ZENTRUM-PERIPHERIE; KONTAKT; GERADE; VERTIKALITÄT
BEHÄLTNISBEHÄLTER; DRAUSSEN-DRINNEN; OBERFLÄCHE; VOLL-LEER; INHALT
BEWEGUNGIMPULS/EIGENDYNAMIK; URSPRUNG-WEG-ZIEL
GLEICHGEWICHTACHSEN-GLEICHGEWICHT; WAAGE-GLEICHGEWICHT; GLEICHGEWICHTSPUNKT; EQUILIBRIUM
KRAFTDRUCK; BLOCKIERUNG; GEGENKRAFT; ABLEITUNG; ENTFERNUNG VON; ANZIEHUNG; WIDERSTAND
UNITÄT; MULTIPLIZITÄTFUSIONIERUNG; SAMMLUNG; TRENNUNG; WIEDERHOLUNG; TEIL-GANZES; ZÄHLBAR-UNZÄHLBAR, VERBINDUNG
IDENTITÄTANPASSUNG; ÜBERLAGERUNG
EXISTENZENTFERNUNG; BEGRENZTER RAUM; ZYKLUS; OBJEKT; PROZESS

Tabelle 2.1:

Basic Domains und Schemata nach Evans & Green (2006: 190)

Wie lassen sich aber die Bildschemata genauer charakterisieren? Nach Oakley (2007, vergleiche auch Evans & Green 2006) haben die Bildschemata folgende Merkmale: Erstens weisen Bildschemata oft eine komplexe innere Struktur auf, so dass sie auch in gewisser Weise Transformationen zulassen. Das Bildschema URSPRUNG-WEG-ZIEL kann aus pragmatischen Gründen durch eine Fokussierung auf den Ursprung oder das Ziel so transformiert werden, dass nur einzelne Teile davon evoziert werden (path-focus versus endpoint-focus nach Johnson 1987). So geben wir bei Sätzen wie ich gehe jetzt in den Unterricht nicht immer an, wo wir gerade herkommen, weil der Ursprung entweder bereits bekannt oder einfach irrelevant ist. Zweitens werden Bildschemata zwar aus konkreten sensorischen Erfahrungen abgeleitet, können jedoch in unterschiedlichen Modalitäten verarbeitet werden (vergleiche Evans & Green 2006: 186). Das Bildschema BLOCKIERUNG kann sowohl visuell (zum Beispiel durch Beobachtung einer verhinderten Bewegung von Objekten durch Ausübung einer Gegenkraft) als auch haptisch beziehungsweise motorisch (zum Beispiel durch Spüren einer Gegenkraft durch ein Objekt oder eine Person, die die eigene Fortbewegung verhindert) motiviert sein. Drittens lassen sich die verschiedenen Bildschemata nach Evans & Green (2006: 187ff) in Clustern gruppieren, die auf bestimmte Grunddomänen unserer Erfahrungen zurückzuführen sind. Demnach haben alle Bildschemata der Gruppe einige Eigenschaften gemeinsam: So drücken alle Bildschemata in der Gruppe KRAFT Kausalität (es besteht immer eine Ursache der Kraft) und Direktionalität (die Kraft hat stets eine Richtung) aus, und sie lassen sich anhand einer Intensitätsskala darstellen (die Kraft kann stärker oder weniger stark sein) (vergleiche Evans & Green 2006).

In unserem Kopf haben wir allerdings auch andere Arten von Wissensrepräsentation wie beispielsweise die allgemeinen Schemata und die mentalen Bilder. Wie lassen sich aber die Bildschemata von diesen mentalen Repräsentationen genau unterscheiden? Die Bildschemata teilen zwar einige Schnittmengen mit den mentalen Bildern und den allgemeinen Schemata, sie unterscheiden sich aber von ihnen vor allem durch ihre Allgemeingültigkeit und ihren Abstraktheitsgrad. So sind Bildschemata nach Oakley (2007: 216) im Unterschied zu den Schemata, die wir als abstraktes, strukturiertes Wissen über Konzepte und Handlungsmuster besitzen (Schemata, vergleiche auch Rumelhart 1975), viel dynamischer und flexibler. Während das abstrakt gespeicherte Wissen über den Ablauf einer Kontrolle am Flughafen nur auf diese konkrete Situation angewandt werden kann (Boardkarte vorzeigen, Handgepäck auf das Band legen, Laptops und Flüssigkeiten herausnehmen etc.), können Bildschemata wie URSPRUNG-WEG-ZIEL auf allerlei Bewegungen von einem Punkt A über einen Weg bis Punkt B angewandt werden, sei es am Flughafen oder auf einer Hochzeit. Die verschiedenen Slots der Bildschemata können also mit mehr Items gefüllt werden als die der Schemata von Konzepten und Handlungen. Weiterhin sind mentale Bilder weniger allgemein anwendbar, weil sie konkrete Situationen abbilden und daher spezifischer sind (vergleiche Oakley 2007: 216; siehe Abbildung 2.1). Beispielsweise kann das mentale Bild der letzten Hochzeit nicht in Bezug auf weitere Hochzeiten verallgemeinert werden, weil Braut und Bräutigam vermutlich Unikate sind, selbst wenn sie Zwillingsgeschwister haben, die zur gleichen Zeit heiraten. Die Anwendbarkeit mentaler Bilder ist auf diese konkrete Situation beschränkt. Mentale Bilder erlauben uns daher aber auch, uns eine Situation konkret vor Augen zu führen, während die Bildschemata dafür zu abstrakt sind. Gemeinsam ist mentalen Bildern und Bildschemata jedoch ihre analoge Natur: Beide bilden die sensorischen Erfahrungen auf eine analoge Weise ab und aktivieren die entsprechenden modalitätsspezifischen Aspekte mit (vergleiche Evans & Green 2006; Seel 2003).

Abbildung 2.1:

Mentale Bilder

In der Literatur werden einige andere Merkmale von Bildschemata diskutiert, die immer noch als umstritten gelten, wie zum Beispiel die Tatsache, dass einige Bildschemata nicht ausschließlich perzeptueller Natur sind, sondern sich aus den Vorwissensbeständen speisen und daher konzeptuelle Aspekte haben (Grady 2005). Ein weiterer umstrittener Aspekt bezieht sich auf die Universalität der Bildschemata, die nach einigen Autoren (Kimmel 2005: 41ff) nicht immer als gegeben vorausgesetzt werden darf. Für eine ausführliche Darstellung dieser und weiterer Kritikpunkte siehe Kimmel (2005), Grady (2005) oder Zlatev (2005).

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