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6 Win-win-Situation

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Unser Thema des heutigen Abends:

Was ist eigentlich eine „Win-win-Situation“?


Unterstellen wir, dass wir alle gerne gewinnen wollen.

Unterstellen wir weiterhin, dass wir nicht immer gewinnen können.

Gestehen wir den Verlierern zu, dass sie ein Recht darauf haben, von den Gewinnern auch weiterhin respektiert und akzeptiert zu werden.

Mit diesen Unterstellungen und dem Zugeständnis ausgestattet, analysieren wir zuerst die aus dem Englischen übernommene Wortschöpfung win-win:

Das englische Wort win bedeutet ganz einfach gewinnen.

Die englische Wortschöpfung win-win beschreibt eine Situation, in der alle an einem Geschäft Beteiligten Gewinner sind. Das bedeutet im Umkehrschluss: Es gibt keinen Verlierer.

Unsere Lebenserfahrung sagt uns, dass es im realen Leben keine wirkliche Win-win-Situation gibt. Aber es gibt diese Situation tatsächlich.

Hier zwei Beispiele für eine Win-win-Situation:

Erstes Beispiel: Die sofort erkennbare Variante.

Im Doppelzimmer eines Krankenhauses liegen zwei Männer, die auf eine Operation warten. Sie sind beide etwa gleich groß, haben eine ähnliche Figur und in etwa den gleichen Modegeschmack. Kurz hintereinander werden beide aus dem Zimmer abgeholt und zu ihrem jeweiligen Operationssaal gebracht. Dem ersten werden beide Beine abgenommen und dem zweiten die Falten im Gesicht entfernt. Als der zweite zurück in das Krankenzimmer kommt, muss er zu seinem Entsetzten feststellen, dass sein Schrank aufgebrochen wurde und seine Designerschuhe entwendet worden waren. Zwei Stunden später wird der erste Patient zurück in das Zimmer gebracht. Weitere drei Stunden später erscheint der Chefarzt, Herr Dr. Sägeblatt. Der zweite Patient zeigt den Diebstahl an und meldet den Verlust seiner Designerschuhe. Der Chefarzt reagiert ganz gelassen:

„Da haben Sie aber Glück gehabt“, tröstet er den zweiten Patienten und deutet mit dem Kopf in Richtung des ersten Patienten.

„Hier liegt eine echte Win-win-Situation vor. Ihr Nachbar weiß nicht, was er ohne Beine mit seinen Designerschuhen machen soll. Sie nehmen seine Schuhe und dadurch eine große Last von seinen Schultern. Sie profitieren beide, es gibt nur Gewinner.“

Zweites Beispiel: Die „Jeder wahrt sein Gesicht“-Variante:

In einem Tarifkonflikt stehen sich die beiden Tarifparteien unversöhnlich gegenüber. Es geht um die Beibehaltung der 40-Stundenwoche. Der Arbeitgeberverband weist auf die schlechte Konjunktur und die noch schlechtere Perspektive hin. Er fordert eine Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit von 40 auf 42 Stunden ohne Lohnausgleich.

Die zuständige Gewerkschaft weist ihrerseits auf den hohen körperlichen und geistigen Stress, dem die Kolleginnen und Kollegen täglich ausgesetzt sind, hin, und fordert aus diesem Grund und zur Sicherung der Arbeitsplätze in schwierigen Zeiten die Einführung der 38-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich. Der Arbeitskampf und die damit verbundenen Streiks ziehen sich über Monate hin. Mehrere Unternehmen müssen Insolvenz anmelden. 10% der Beschäftigten der Branche haben schon aufgrund des Arbeitskampfes ihren Arbeitsplatz verloren und der Druck von politischer Seite auf die unabhängigen Vertragsparteien wächst von Tag zu Tag, denn es stehen Wahlen an.

Da endlich kommt die Einigung:

Die neue Wochenarbeitszeit beträgt 38 Stunden bei vollem Lohnausgleich. Als Gegenleistung arbeiten die Beschäftigten an 15 Samstagen 6,133 Stunden = 92 Stunden (= 46 Wochen á 2 Std.) ohne Entgelt zur Sicherung des Arbeitsplatzes.

Und jetzt passiert etwas Erstaunliches. Beiden Tarifkommissionen gelingt es, gegenüber ihren Mitgliedsfirmen bzw. Mitgliedern das Gesicht zu wahren und das hart erkämpfte Ergebnis als Erfolg zu verkaufen. Zufrieden treten der Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes und der Chef der Gewerkschaft Arm in Arm vor die bereitstehenden Kameras und Mikrofone:

„Wir haben es hier mit einer echten Win-win-Situation zu tun. Beide Vertragsparteien haben ihre vorab ausgegebenen Ziele zu 100% erreicht.“

Eine Meinung, die die durch den Arbeitskampf arbeitslos gewordenen Kolleginnen und Kollegen und die Gesellschafter der jetzt insolventen Firmen verständlicherweise nicht teilen.


Und die Moral von (in) der Geschicht‘?

Es gibt keine!

Uli, mach mal zehn Pils auf meinen Deckel.

Prost!

Manni, kannst Du uns das mal erklären?

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