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12 Schweinezyklus

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Unser Thema des heutigen Abends:

Was ist eigentlich ein Schweinezyklus?


Unterstellen wir, dass eine nahezu konstante Menge Menschen in Deutschland gerne Schweinefleisch isst.

Unterstellen wir weiterhin, dass der Schweinezyklus nicht die Periode einer Sau beschreibt.

Gestehen wir den (Schweine)Mastbetrieben zu, dass sie ihre Gewinne optimieren wollen.

Mit diesen Unterstellungen und dem Zugeständnis ausgestattet, nähern wir uns dem heutigen Thema.

Der Begriff Schweinezyklus verbindet die beiden Worte Schwein und Zyklus.

Ein Schwein ist ein vierbeiniges Haustier mit einem Ringelschwänzchen. Es ist für uns Menschen als Nahrung gut geeignet. Das Fleisch des Schweins nennt man Schweinefleisch.

Der Begriff Zyklus beschreibt ein periodisch wiederkehrendes Ereignis.

Was versteht man nun unter dem Begriff Schweinezyklus?

Stellen wir uns einen Zeitstrahl vor, der bei null beginnt. Zu diesem Zeitpunkt ist die Nachfrage nach Schweinefleisch durch uns Verbraucher höher als die Menge an Schweinen, die die Mastbetriebe schlachten können. Das bedeutet, dass es nicht genügend Schweine gibt, die man zu Schweinefleisch verarbeiten kann (Nachfrage > Angebot). Dadurch steigt der Preis für das Schweinefleisch an der Fleischtheke. Dies veranlasst die Mastbetriebe, die Schweinefleischproduktion zu erhöhen, das heißt, mehr Schweine zu mästen und die Tiere eher zu schlachten, um von den hohen Verkaufspreisen für Schweinefleisch zu profitieren. So kommt es ziemlich schnell zu einem Überangebot an Schweinefleisch und daraus resultierend zu einem Sinken des Verkaufspreises an der Fleischtheke (Angebot > Nachfrage). Wir Verbraucher profitieren also in diesem Moment davon, dass die Mastbetriebe geldgierig sind. Aber wir profitieren leider nicht lange, denn schnell reagieren die Mastbetriebe. Sie schlachten wieder weniger Schweine. Dadurch sinkt die Menge an verfügbarem Schweinefleisch unter den Bedarf von uns Verbrauchern. Der Preis steigt also zum Leidwesen von uns Verbrauchern wieder deutlich an. Und dann geht es wieder von vorne los. Die Mastbetriebe schlachten wieder mehr Schweine, um von den gestiegenen Marktpreisen zu profitieren.

Allerdings dauert es immer einige Zeit, bis die Mastbetriebe ihre Produktion der Verbrauchsmenge anpassen. Man nennt diese Zeitspanne den Verzögerungseffekt. In diesem Zeitraum können die Mastbetriebe nicht den optimalen Gewinn generieren.

Für die Mastbetriebe wäre es also optimal, wenn sie nicht diesen Schwankungen unterworfen wären. Deshalb lautet die einfache Zielvorgabe dieser Branche:

Es muss uns gelingen, den Mechanismus des Schweinezyklus zu Gunsten der Branche und zu Ungunsten der Verbraucher außer Kraft zu setzen.

Das hört sich ebenso einfach wie vielversprechend an und heißt im Klartext:

Wir müssen immer genügend Abnehmer für unser in riesigen Mengen produziertes minderwertiges Schweinefleisch finden, die bereit sind, dieses stark wasserhaltige und mit Wachstumshormonen aufgepeppte Fleisch zu deutlich erhöhten Preisen zu kaufen.

Und schon bald bietet sich die passende Lösung quasi von selbst an. Denn neben den Europäern lieben vor allen Dingen die Chinesen das Schweinefleisch. Und die in diesem Land in den letzten Jahren entstandene und stetig steigende Mittelschicht hat genug von dem ungenießbaren Schweinefleisch, das dort produziert wird. Der Anteil an Wasser und Wachstumshormonen im Fleisch der chinesischen Schweine liegt wie in einer kommunistischen Planwirtschaft nicht anders zu erwarten bei 115%. Deshalb lieben die Chinesen deutsches Schweinefleisch, das zwar auch beim Braten erheblich schrumpft, aber man hat als Chinese gute Aussichten, das deutsche Schweinefleisch zu verzehren, ohne größere gesundheitliche Schäden davonzutragen.

Die deutschen Mastbetriebe jubeln. Die Nachfrage aus China ist so groß, dass der Verzögerungseffekt zwischen Produktion und Nachfrage in Deutschland keinen Mastbetrieb mehr so richtig interessiert. Das Fleisch taugt immer weniger, weil die armen Schweine keine Zeit haben, Fett anzusetzen, aber die Preise sind trotzdem sehr hoch und stabil. Die Welt ist aus Sicht der Mastbetriebe in Ordnung, China sei Dank.

Das Phänomen des Schweinezyklus, verbunden mit dem für die Produzenten negativen Verzögerungseffekt, gibt es natürlich auch in vielen anderen Bereichen unseres Wirtschaftslebens.

Nehmen wir zum Beispiel die Ölindustrie. Wenn die Ölmultis das Öl im Nahen Osten kaufen, hängt der Einkaufspreis von vielen Faktoren ab, die sie nicht beeinflussen können:

Aktuelles Wirtschaftswachstum in den Abnehmerländern, Höhe der aktuellen Förderkapazitäten der ölfördernden Staaten, Kriege, Zinssätze auf dem Kapitalmarkt, usw. In den seltensten Fällen können deshalb die Ölmultis den optimalen Verkaufserlös erzielen. Das nervt natürlich. Sie stecken die Köpfe zusammen und finden schnell die Lösung. Sie modifizieren das Prinzip des Schweinezyklus. Das bedeutet konkret:

„Wir, die Ölkonzerne, benehmen uns wie die Schweine und schaffen unsere eigenen Zyklen, mit dem Ziel, dass die Kunden an der Zapfsäule sehr oft den höchstmöglichen Preis bezahlen.“

In Deutschland funktioniert das perfekt.

Immer, wenn die Mehrzahl der Deutschen tanken will, werden die Preise erhöht und immer dann, wenn nur wenige deutsche Autofahrer die Tankstelle anfahren, reduzieren die Ölmultis für die Optik die Preise auf den normalen, angemessenen Preis.

Und so wundern wir Autofahrer uns schon seit Jahren, dass immer zu Ferienbeginn, während der Ferien, am Ferienende, an den Wochenenden und am Montagmorgen die Spritpreise wie von Geisterhand gelenkt auf einen neuen Höchststand steigen, während immer dann, wenn wir gerade getankt haben, hinter uns der Preis auf der Anzeigetafel sinkt.

Können wir daran etwas ändern?

Leider nein, denn wir Autofahrer müssen uns leider damit abfinden, dass wir in dem Schweinezyklusmodell der Ölkonzerne die Rolle der armen Schweine übernommen haben.

Und was unternehmen die von uns gewählten Volksvertreter dagegen?

Sie halten sich bedeckt, denn sie sind insgeheim froh, dass wir so dumme Schweine sind, immer zur falschen Zeit zu tanken und dadurch die Steuerkassen zu füllen. Und so kommt es, dass unser Finanzminister im Gegensatz zu uns bei den hohen Steuern, die auf die Spritpreise der Ölmultis aufgeschlagen werden, ein echtes Glücksschwein ist.


Und die Moral von (in) der Geschicht‘?

Es gibt keine!

Uli, mach mal zehn Pils auf meinen Deckel.

Prost!


Manni, kannst Du uns das mal erklären?

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