Читать книгу Die Magdeburger Bluthochzeit. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges. Band 4 - Jörg Olbrich - Страница 13

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Köln, 07. September 1627

Spee saß in der Kirche St. Peter und wartete auf Karina Brandl. Es war bereits über eine Viertelstunde her, dass die Glocken zur dritten Mittagsstunde geschlagen hatten, zu der er sich mit der Hebamme zur Beichte verabredet hatte. Der Pater war unschlüssig. In der letzten Woche war Karina schon kurz vor der vereinbarten Zeit in der Kirche erschienen. Es passte nicht zu ihr, dass sie sich verspätete.

Natürlich konnte Karina gute Gründe haben, warum sie an diesem Tag nicht pünktlich zur Beichte kam. Gerade als Hebamme war es ihr sicher nicht immer möglich, jede Verabredung einzuhalten. Mit jeder Minute, die verging, wuchs aber die Sorge in Spee. Bisher hatte er sich immer auf sein Bauchgefühl verlassen können. Dieses sagte ihm heute nichts Gutes.

Er wartete noch eine halbe Stunde und ging dann zu Pater Arnold Meshow, der ihm sicher sagen konnte, wo Karina Brandl lebte. Wenn die Hebamme nicht dort war, würde sie sich vermutlich bei einer Niederkunft befinden. Dann wollte Spee ins Tricoronatum zurückkehren.

»Wenn Ihr direkt vor der Kirche die Straße entlanggeht, und bei der ersten Möglichkeit links abbiegt, seht Ihr ein kleines Haus am Ende des Weges. Dort wohnt Karina mit ihrer Mutter.«

»Ich danke Euch.«

Er brauchte keine zwei Minuten, um sein Ziel zu erreichen und merkte sofort, dass etwas nicht stimmte. Die Haustür stand einen Spaltbreit offen. Obwohl die Sonne hoch am Himmel stand und auf die Stadt herunterstrahlte, schien eine dunkle Wolke über dem Ort zu liegen. Der Jesuit wusste, dass er sich dies nur einbildete, dennoch wuchs seine Angst um Karina weiter an.

Zunächst zögerte Spee, das Haus zu betreten. Irgendetwas ging hier nicht mit rechten Dingen zu. Was würde er finden, wenn er die Räume durchsuchte? Durfte er dies überhaupt tun? Es stand ihm nicht zu, das Heim dieser Menschen ohne deren Erlaubnis zu betreten. Was aber, wenn sie seine Hilfe brauchten? Er glaubte nicht, dass Karina oder ihre Mutter die Tür absichtlich offengelassen hatten.

Plötzlich hörte Spee ein leises Wimmern aus dem Innern des Hauses. Es war also jemand da. Jetzt gab er seine zögerliche Haltung auf und betrat das Haus. Sein Weg führte ihn durch einen Wohnraum in eine kleine Küche. Dort sah er eine alte Frau auf einem Stuhl sitzen. Sie hatte die Arme auf den Tisch gelegt und den Kopf darin vergraben. Wieder stieß sie ein leises Wimmern aus.

»Frau Brandl«, sprach Spee die Unbekannte an. Für ihn stand fest, dass es sich um Karinas Mutter handeln musste. Wo aber war die Hebamme?

»Was wollt Ihr denn noch?«, fragte die Alte mit leiser Stimme, nachdem Spee sie ein zweites Mal angesprochen hatte.

»Ich muss mit Eurer Tochter sprechen.«

Die Antwort des Paters schien Karinas Mutter zu überraschen. Endlich hob sie den Kopf und sah den Besucher aus verheulten Augen an. »Ihr habt sie doch heute erst von hier weggeholt.«

»Was ist geschehen?« Spee spürte, wie ihm ein eisiger Schauer über den Rücken lief. Was wollte die Alte damit sagen? Ein furchtbarer Verdacht keimte in seinen Gedanken auf. Der Pater betete, dass sich dieser nicht bestätigen würde.

»Es sind drei Männer gekommen«, sagte Frau Brandl stockend. »Einer hat Karina angeschrien und etwas von Hexerei gesagt. Dann haben die anderen beiden mein Mädchen gepackt und aus dem Haus gezerrt.«

In Spees Kopf überschlugen sich nun die Gedanken. Karina eine Hexe? Das konnte und durfte nicht stimmen! Er dachte an die Angst, welche die Hebamme schon bei ihrer ersten Beichte geäußert hatte. Der Jesuit war sich sicher gewesen, dass diese unbegründet gewesen war. Jetzt wurde er eines Besseren belehrt. Die Worte Ostermanns kamen ihm in den Sinn. Für den Kommissar würde Karina bereits jetzt als schuldig gelten. Es spielte keine Rolle mehr, was sie aussagen würde. Gab es überhaupt noch eine Möglichkeit, die Hebamme zu retten?

Es tat Spee leid, Karinas Mutter alleine lassen zu müssen. Jetzt war ihre Tochter aber wichtiger. Er beschloss, Arnold Meshov zu bitten, sich um die Alte zu kümmern. Die Frau brauchte Hilfe. Wenn sich herumsprach, dass man ihre Tochter wegen Hexerei verhaftet hatte, würden sich die Nachbarn von ihr abwenden. Der Priester würde wissen, was zu tun war. Spees erstes Ziel aber war der Frankenturm. Er musste mit der Hebamme sprechen. Sofort!

***

»Ihr kommt zu spät«, sagte der Wärter und sah Spee gelangweilt an. »Die Hexe ist schon lange in den Kunibertsturm gebracht worden.«

»Ihr sprecht von Sonja Koch?«

»Wenn das ihr Name ist. Eine andere Hexe war nicht hier.«

»Was ist mit Karina Brandl?« Spee fiel es schwer, sich zu beherrschen. Am liebsten hätte er den Wärter am Kragen gepackt und ihn so lange geschüttelt, bis er endlich mit der Sprache herausrückte. Alleine die Tatsache, dass er die Frauen als Hexen bezeichnete, obwohl ihre Schuld noch nicht erwiesen war, machte den Pater rasend. Wenn er aber weitere Informationen von dem Wärter erhalten wollte, durfte er jetzt nicht mit ihm streiten.

»Die kenne ich nicht.«

»Wie viele Frauen sind derzeit im Frankenturm gefangen?«

»Keine. Die letzte Hexe war diese Koch.«

»Wer sagt, dass sie eine Hexe ist?«, fragte Spee, der sich jetzt doch nicht mehr beherrschen konnte, ärgerlich.

»Sie selbst hat es gestanden.«

Spee sah den Wärter entsetzt an. Er dachte an das Gespräch, das er mit Sonja Koch geführt hatte. Er war sich sicher gewesen, dass sie zu Unrecht in das Gefängnis gebracht worden war. Nun hatte sie ihre Schuld zugegeben. Wieso hatte sie das getan? Er musste unbedingt noch einmal mit der Frau sprechen.

Der Jesuit sah ein, dass der Wärter ihm nicht mehr weiterhelfen konnte. Er musste zum Kunibertsturm. Vielleicht fand er dort auch Karina Brandl. Er verabschiedete sich von dem Wärter, der ihm eine unverständliche Antwort zugrunzte, und eilte aus dem Kerker.

Als er sein Ziel erreichte, sah Spee Peter Ostermann, der den Turm gerade betreten wollte, aber stehen blieb, als er den Jesuiten näher kommen sah.

»Was habt Ihr denn hier zu schaffen?«, sagte der Hexenkommissar unfreundlich. Die Stirn des Mannes zog sich bis auf den haarlosen Kopf in Falten, als er den Jesuiten abfällig ansah. Seine Augen sagten deutlich, dass der Mann nicht mit Spee sprechen wollte. Weder jetzt noch zu einem späteren Zeitpunkt.

»Ich möchte zu Karina Brandl.«

»Ich fürchte, dass dies nicht möglich sein wird.«

»Was soll das heißen?« Spee war fest entschlossen, sich nicht so ohne Weiteres abwimmeln zu lassen. Er brauchte Antworten.

»Wir wollen das Weib heute der peinlichen Befragung unterziehen.«

»Ihr wollt sie foltern«, entgegnete Spee verächtlich.

»Ein sehr probates Mittel, wenn es um die Wahrheitsfindung geht«, sagte Ostermann selbstsicher.

»Was wirft man ihr vor?«

»Sonja Koch hat angegeben, dass die Brandl ihr Kind verhext hat.«

»Das ist völlig absurd«, antwortete Spee ärgerlich. »Das gleiche Verbrechen habt Ihr Sonja Koch selbst vorgeworfen. Es kann nicht sein, dass der Knabe von zwei Frauen verzaubert worden ist.«

»Unter der Folter sagen selbst Hexer und Ketzer die Wahrheit. Es ist nicht meine Aufgabe, die Beweggründe des Satans zu verstehen. Mein Ziel ist es, dieses Übel auszumerzen.«

Die oberlehrerhafte Art, mit der Ostermann diese Worte sprach, machte Spee noch zorniger. »Jedem Angeklagten steht es zu, von einem Anwalt vertreten zu werden«, sagte er, um Fassung bemüht. »Ich werde diese Aufgabe übernehmen. Für Karina Brandl und für Sonja Koch.«

»Die Hexerei ist ein Ausnahmeverbrechen.«

»Was soll das nun wieder bedeuten?«

»Die besondere Schwere der praktizierten Hexerei erfordert besondere Maßnahmen. Wer sich dieses Verbrechens schuldig macht, hat das Recht auf einen Anwalt verwirkt.«

Der Jesuit glaubte, sich verhört zu haben. Am liebsten hätte er laut losgeschrien und wäre auf den Juristen losgegangen. Ostermann musste ein intelligenter Mensch sein. Sonst hätte er es niemals geschafft, in eine solche Position zu kommen. Wie konnte es sein, dass er nun solch einen Unfug redete und auch noch daran glaubte?

»Wie sollen sich diese Menschen dann verteidigen?« Spee sprach mit ruhiger Stimme, die in absolutem Gegensatz dazu stand, wie es in seinem Innern aussah. Er war sehr gespannt, welche Antwort ihm der Hexenkommissar nun geben würde, doch der wich der Frage aus.

»Ihr solltet Euch aus diesen Dingen heraushalten und das Gericht seine Arbeit tun lassen«, sagte Ostermann entschieden. »Geht zurück ins Tricoronatum. Dort werdet Ihr dringender gebraucht als hier.«

»Ich möchte mit Karina Brandl sprechen«, beharrte Spee auf seiner Forderung.

»Ich habe Euch bereits gesagt, dass dies nicht möglich ist.«

»Was ist mit Sonja Koch?«

»Die wird noch in dieser Woche auf den Scheiterhaufen geführt.«

»Lasst mich ihr die Beichte abnehmen.«

»Es ist Sache des Provinzials zu entscheiden, wer diese Aufgabe übernimmt. Ihr dürft gerne bei ihm vorsprechen und ihn darum bitten.«

Ostermann sah den Jesuiten geringschätzig an und öffnete die Tür zum Kunibertsturm. »Ich habe zu tun«, sagte er zum Abschied. »Und auch für Euch gibt es sicher noch andere Aufgaben.«

Fassungslos blieb Spee alleine vor dem Turm zurück. Er ärgerte sich maßlos über die Art und Weise, wie er von dem Hexenkommissar zurückgewiesen worden war. Ostermann war so davon überzeugt, im Recht zu sein, dass die Argumente des Jesuiten an ihm abprallten wie ein geworfener Stein an einem Baumstamm.

Trotz allem musste Spee einsehen, dass er an diesem Tag nicht mehr zu einer der beiden Frauen vorgelassen werden würde. Deshalb machte er sich auf den Weg zum Tricoronatum. Mit einem hatte Ostermann recht: Der Pater musste sich tatsächlich um seine Schüler kümmern.

***

»Ihr dürft Euch das Schicksal dieser Frauen nicht so sehr zu Herzen nehmen«, sagte Goswin Nickel streng, der Spee am nächsten Morgen noch vor dem ersten Unterricht zu einem Gespräch in sein Amtszimmer geordert hatte. »Sie haben sich eines schweren Vergehens schuldig gemacht und müssen dafür bestraft werden.«

»War Peter Ostermann bei Euch?«

»Er hat sich über Euch beschwert und mich darauf hingewiesen, dass Ihr selbst gefährdet seid, wenn Ihr Euch weiter auf die Seite der Hexen stellt.«

»Ich glaube nicht an die Schuld dieser Frauen«, sagte Spee bestimmt.

»Es ist aber nicht Eure Aufgabe, darüber zu befinden.«

Goswin Nickel schaute Spee verärgert an. Der wollte sich aber nicht schon wieder so leicht von seinem Vorhaben abbringen lassen und schüttelte ärgerlich den Kopf.

»Soll ich denn untätig zusehen, wie Menschen gefoltert werden, damit sie Dinge gestehen, die sie nicht getan haben?«

»Genau das solltet Ihr tun«, schrie Nickel und schlug mit der Faust auf den Tisch. »Seid Ihr so verblendet, dass Ihr nicht sehen wollt, welche schrecklichen Dinge die Frauen getan haben? Diese Sonja Koch hat gestanden.«

»Nachdem man sie auf das Grausamste gefoltert hat«, rief Spee verzweifelt.

»Die peinliche Befragung ist eben manchmal ein notwendiges Werkzeug.«

»Genau das hat Ostermann auch gesagt.«

»Weil er recht hat.«

Spee rang um Fassung. Sah denn niemand, welch schreckliches Unrecht hier geschah? »Er hat selbst zugegeben, dass bisher noch nie eine der besagten Frauen für unschuldig erklärt wurde. Selbst wenn sie die Folter durchstehen, werden sie auf den Scheiterhaufen geführt, weil die Kommissare behaupten, der Teufel hätte ihnen geholfen, die Tortur zu überleben. Aus diesem Kreislauf kann niemand entkommen.«

Spee sah in das zornesrote Gesicht von Nickel und erkannte, dass es ihm nicht gelingen konnte, den Superior zu überzeugen. Er atmete tief durch und zwang sich zur Ruhe. »Ich bitte Euch nur um einen Gefallen«, sagte er schließlich. »Lasst mich zu Sonja Koch gehen und ihr die letzte Beichte abnehmen.«

»Ihr gebt wohl nie Ruhe«, sagte Nickel und sah den Pater nun fast traurig an.

»Das kann ich nicht.«

»Wenn Ihr mir versprecht, Peter Ostermann danach in Frieden zu lassen, schicke ich Euch zu Sonja Koch. Danach will ich aber nichts mehr von unschuldig inhaftierten Frauen hören!«

Spee nickte nur. Er konnte Nickel das geforderte Versprechen nicht geben. Er wusste, dass er dies niemals würde halten können. Der Superior bestand zu seiner Erleichterung nicht darauf, dass er seine Zustimmung auch aussprach, und wechselte stattdessen das Thema.

»Ich hatte eine weitere Besucherin«, berichtete Nickel ruhig. »Ida Schnabel war hier und hat nach dem nächsten Andachtsblatt gefragt.«

»Sie wird es noch heute bekommen«, sagte Spee, obwohl er das Blatt noch nicht fertiggestellt hatte. Für diesen Tag hatte er sein gutes Verhältnis zum Superior schon genug belastet. Er wollte ihn nicht weiter verärgern.

»Bei allem Verständnis dafür, dass Ihr den verwirrten Seelen das letzte Geleit geben wollt, bitte ich Euch, Eure anderen Aufgaben nicht zu vernachlässigen. Geht jetzt zu Euren Schülern. Sie werden sicher bereits auf ihren Lehrer warten.«

***

Entsetzt schaute Spee auf den halbnackten Körper von Sonja Koch, die seitlich in ihrem eigenen Erbrochenen lag. Ihre Haare waren geschoren und an der Kopfhaut waren mehrere kleinere Wunden zu sehen. Der Körper war mit blauen Flecken übersät. Ihr linker Fuß war unterhalb des Knöchels zur Seite gebogen.

Sonja Kochs Anblick brannte sich fest in die Erinnerungen des Jesuiten ein. Niemals würde er dieses menschenverachtende Bild vergessen. Er beugte sich zu ihr herunter und berührte sie sanft an der Schulter. Die Frau zuckte zusammen, zog die Beine bis zu ihrem Bauch an und umklammerte sie mit dem linken Arm.

Als Spee sie erneut berührte, stieß sie einen spitzen Schrei aus.

»Geht weg!« Sonja Kochs Stimme überschlug sich fast und sie hieb mit ihrer Linken nach hinten aus. »Ich habe Euch alles gesagt. Lasst mich endlich in Ruhe sterben.«

»Ich bin es, Pater Spee. Ich möchte nur mit dir sprechen.«

Der Jesuit wusste nicht, ob die Frau ihn erkannte, oder ob es an seiner sanften Stimme lag, dass sie sich tatsächlich zu ihm umdrehte und die Augen öffnete. Als er ihr Gesicht sah, bekreuzigte sich Spee. Die Lippen waren an mehreren Stellen aufgeplatzt. Die Nase saß schief und war dick geschwollen. In ihren blutunterlaufenen Augen steckte kaum noch Leben.

»Ihr kommt zu spät«, sagte sie so leise, dass Spee sich herunterbeugen musste, um sie zu verstehen. »Jetzt könnt Ihr mir nicht mehr helfen.«

»Ich will dir eine letzte Beichte abnehmen und werde dir danach die Absolution erteilen.«

»Wozu?«

»Damit du dem Herrn mit reiner Seele gegenübertreten kannst.«

»Das spielt jetzt auch keine Rolle mehr.«

»Versündige dich nicht, mein Kind«, sagte Spee. Besorgt schaute er auf Sonja Koch hinab. Offensichtlich hatten die Folterknechte nicht nur ihren Körper gebrochen, sondern auch ihren Geist.

»Schlimmer als das, was ich hier unten erlebt habe, kann auch die Hölle nicht sein.«

»Sag so etwas nicht. Gott wird dir deine Sünden verzeihen. Du darfst dich nicht von ihm abwenden.«

»Welche Sünden? Ich habe nichts getan.«

Sonja Kochs Stimme klang monoton und war kaum zu verstehen. Sie hatte jegliche Kraft verloren. Spee schaute in ihre leeren Augen und spürte, dass seine Worte die Frau nicht mehr erreichen würden. Was auch immer er nun zu ihr sagen mochte, sie hatte kein Vertrauen mehr in ihn oder in Gott. Der Jesuit hatte einen Menschen vor sich, der längst mit dem Leben abgeschlossen hatte.

»Warum hast du gegen Karina Brandl ausgesagt?«, stellte Spee die Frage, die ihn ein zweites Mal zu Sonja Koch geführt hatte.

»Habe ich das?«

»Die Hexenkommissare haben sie verhaftet.«

»Ich weiß es nicht. Ich wollte nur, dass die entsetzlichen Schmerzen aufhören. Da habe ich den Männern gesagt, was sie hören wollten. Und jetzt lasst mich alleine.«

»Du musst deine Aussage gegen Karina Brandl zurücknehmen.«

»Nein!«, ächzte Sonja Koch und versuchte vergeblich, Spees Hand wegzuschlagen. »Wenn ich das tue, werden sie mich erneut foltern.«

»Karina Brandl ist genauso unschuldig wie du«, sagte Spee. »Nur du kannst ihr Leben jetzt noch retten.«

»Das könnt Ihr nicht von mir verlangen. Ich weiß, dass ich sterben muss. Davor habe ich aber jetzt keine Angst mehr.«

Spee wollte widersprechen. Er wollte der Frau sagen, dass sie das Leben einer Unschuldigen retten musste. Aber er schwieg. Sie würde vor ihm keine Aussage mehr machen. Lieber schwieg sie und besiegelte damit das Schicksal der Hebamme, als dass sie sich selbst einer weiteren Tortur aussetzen ließ.

Schweren Herzens legte der Jesuit Sonja die Hand auf die Stirn. »Deine Sünden sind dir verziehen. Möge Gott deiner Seele gnädig sein.«

Spee stand auf und rief nach dem Wärter, damit der ihn aus der Zelle herausließ. Er ging aus dem Turm und lief, ohne sich noch einmal umzusehen, die Straße entlang. Dabei wurden seine Schritte immer schneller. Schließlich rannte er, als wäre der Leibhaftige persönlich hinter ihm her. Er erreichte den Park vor dem Tricoronatum und schaffte es gerade noch, hinter einer Hecke auf die Knie zu gehen, bevor sein Magen rebellierte und er alles aus sich heraus brach.

Zwei Tage nach Spees Besuch wurde Sonja Koch auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Eine weitere Woche später gestand Karina Brandl unter der Folter, eine Hexe zu sein.

Die Magdeburger Bluthochzeit. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges. Band 4

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