Читать книгу Klaska und die Anwältin - Jörg Przystow - Страница 10

Wenn ein Rädchen ins andere greift

Оглавление

Wie kann denn so etwas überhaupt möglich sein? Eine Frau, die eben nicht unter Betreuung gestellt wurde, so über den Tisch zu ziehen, dazu gehören Absprachen und Menschen, die an den entscheidenden Schnittstellen zusammenarbeiten müssen und zwar so, dass Machenschaften und Seilschaften nicht auffallen. Solche Menschen, in diesem Fall Anwaltskanzleien und auch Banken, sehen am Ende nur den Profit, den man aus einer angeschlagenen Situation eines Menschen wie Anna Kiesmann ziehen kann. Die Ausführungen zu Annas Geschäftsfähigkeit waren dabei schon ein wichtiger Baustein, ohne den Firmenanwalt Schweitzer seine Kontoüberweisungen gar nicht hätte machen können. War Anna überhaupt noch geschäftsfähig? Konnte sie aufgrund ihres Zustandes die Dinge noch mit klarem Blick sehen und auch verstehen?

Notar Erdmann trat plötzlich offiziell in Erscheinung und ging dann so weit, dass er die an Anna gezahlte Summe von 300.000 Euro anzweifelte, ja in Frage stellte, wenn man denn zu Grunde legen würde, dass sie zu dem Zeitpunkt schon geschäftsunfähig gewesen war. Er führte nun an, dass der Rechtsgrund für diese Zahlung dann schlichtweg gefehlt hätte. Der hohe Geldbetrag stammte allerdings aus dem privaten Vermögen von Anna und Ernst und es bestand die Absicht, zu Lebzeiten von Ernst eine Anna-und-Ernst-Kiesmann-Stiftung zu gründen. Von Rechtsanwalt Schweitzer sollte dieses Stiftungsvermögen zunächst nur treuhänderisch verwaltet werden. Durch die Insolvenzen von Ernsts Firmen war aber die zuvor erwähnte Stiftung gar nicht mehr gegründet worden. Damit wirklich auf allen denkbaren Ebenen „Rädchen in Rädchen“, greifen konnte, wurde dann auch noch ein angeblich vor vielen Jahren zwischen Anna und Ernst formulierter Ehevertrag beigezogen. Ihr wurde damals von ihrem Mann erklärt, ein Ehevertrag wäre nicht notwendig und jetzt war doch einer vorhanden, den sie weder unterschrieben hatte noch überhaupt kannte. Darin wurde angeblich festgehalten, dass Anna 150.000 Euro zustehen; und da ist der Meister der Rechtsauslegung, Anwalt Schweitzer, natürlich auf einen brillanten Gedanken gekommen. Er erklärte schlichtweg, dass der Betrag aus der Gesamtüberweisung an Anna in der Höhe von 300.000 Euro bereits enthalten sei. Dreistigkeit siegt. Befragt, wie das denn alles rechnerisch zu erklären sei, wurden von Anwalt Schweitzer Zinsbindungsfristen und Verwaltungsvorgänge auf dem Treuhandkonto zitiert, so dass wirklich die Vorgänge der verschiedenen Buchungen, von außen betrachtet, eine gewisse Nachvollziehbarkeit bewirkten.

Schweitzer war auch ein medizinisches Gutachten bestens bekannt, welches klar Stellung zu Annas Geschäftsfähigkeit bezog. Für gutes Geld bekommt man eben auch gute Gutachten. Nur wenn die gerichtliche Betreuung eingerichtet worden wäre, dann hätten andere Personen über die Gelder bestimmt und Schweitzer wäre raus aus der treuhänderischen Verwaltung gewesen. Kleine Überweisungen hin und her und kreuz und quer, im Zusammenspiel mit anderen Beteiligten, die sich alle untereinander durch jahrelange Tätigkeiten rund um Ernst Kiesmanns Firmenimperium kannten. Sie wussten alle, wo welches Geld lag, nur daranzukommen musste ja schließlich irgendwie legal aussehen, um im Falle einer Überprüfung möglichen Betrachtern, die zwischen den Zeilen lesen können, immer die passende Erklärung geben zu können.

Schweitzer und Erdmann hatten die Fäden in der Hand, schließlich ging es insgesamt um Millionenbeträge. Die Anna Kiesmann genannten Zahlen waren fast schon beschämend und kamen der Portokasse des ehemaligen Unternehmens gleich. Ihre Absprachen und gegenseitigen Beurkundungen liefen perfekt in diesem schlechten Spiel mit oder besser gegen Anna. Sie war den beiden ausgeliefert. Mit größter Überzeugung stellte Schweitzer dann auch klar, dass die Zahlungen an Notar Erdmann in Höhe von 150.000 Euro, als jahrelange wirtschaftliche Betreuung der Familie Kiesmann, zu sehen sei. Eine Unverfrorenheit, aber wer betrügen will, um an das Geld von Menschen zu kommen, deren Gesundheit es nicht mehr zulässt, geordnete Gedanken zu fassen, der muss wohl eiskalt im Spiel des Geldes sein.

Wenn jemand wie Anna Kiesmann immer wieder hören musste, dass sie doch schon während ihrer Zeit als Schuldirektorin Alkoholikerin war und nicht erst, nachdem sie von den Liebesanwandlungen ihres verstorbenen Mannes mit anderen Frauen erfahren hatte, ja, dann bricht das einen solchen Menschen mehr und mehr. Zusätzlich wurde ihr plötzlich immer wieder von außen erklärt, warum sie krank geworden ist. Es wirkte so, als wenn diese Menschen selbst Tag für Tag alles miterlebt hätten. Ein Umstand, der auch heute noch immer so ist, wenn Beteiligte, an welchen Lebensprozessen auch immer beteiligt, sich einmischen und angeblich doch nur helfen und „Gutes“ tun wollen. Man muss Notsituationen, die jeder von uns sicherlich schon durchlebt hat oder sie noch durchleben wird, nur verstehen und ausnutzen, um an das Geld von genau diesen Menschen zu kommen.

Notar Erdmann hatte einen guten Lauf und nutzte, von krimineller Energie durchströmt, alle Facetten seines abstrusen Plans. Er wollte noch eine horrende Rechnung liquidiert wissen, für angeblich von ihm anwaltschaftlich geleistete Beratungen. Er schaffte es sogar, bereits von Anna und Ernst Kiesmann bezahlte Rechnungen für die notarielle Beurkundung ihrer Testamente verschwinden zu lassen. In seinem Freundeskreis erzählte Erdmann, dass er einbezogener Vertrauter der Eheleute Kiesmann gewesen sei und schon allein deshalb viele notwendige Rechtsberatungen und Verträge kostenlos gemacht hätte. Er behauptete auch, dass zwischen ihm und Anna mehr gewesen sei, was für Anna niemals eine Option gewesen wäre. Egal, was ihr Mann Ernst ihr seelisch angetan hatte, Meisternotar Erdmann hätte bei Anna nicht den Hauch einer Chance gehabt.

Anna Kiesmann wurde eigentlich ständig von den sie umgebenen „Fachleuten“, erklärt, dass alles im Sinne ihres verstorbenen Ernsts passierte, ja, dass er das alles schon zu Lebzeiten verfügt habe. Eine reine Lüge, die aber zunächst die Geldscheine auf die Konten der Beteiligten rund um das angebliche Wohlbefinden Annas brachte. Ernst Kiesmann war ein Schwerenöter und geleugnet hat er es nicht mehr, nachdem Anna ihn damals angesprochen hatte. Er war aber auch ein brillanter Geschäftsmann und hätte deshalb nie das Privatvermögen seiner Ehefrau in seine Firmen mit einbezogen. Es gab auch für einen Mann seines Kalibers Grenzen. Wäre Anna im Kopf noch klar gewesen, bestimmt hätte sie sich einige der seltsamen Buchungsvorgänge erklären lassen.

Doch Notar Erdmann hatte die Rechnung ohne die Steuerfahnder der Finanzbehörde gemacht. Er glaubte fest daran, dort noch seinen alten Freund aus Studientagen an entscheidender Schnittstelle sitzen zu haben. Doch wie das manchmal im Leben mit Freunden so ist ...


Klaska und die Anwältin

Подняться наверх