Читать книгу Klaska und die Anwältin - Jörg Przystow - Страница 7
Die Veränderungen
ОглавлениеDie ersten Veränderungen in ihrer Beziehung traten ein, der Weg führte sie voneinander weg, weil beide in der Ehe nicht mehr das finden konnten, was sie sich gewünscht hatten. Sie sprachen nicht offen miteinander und suchten keine gemeinsamen Lösungen. Anna und Ernst nahmen getrennte Wege und verloren sich dabei. Gespräche führten sie kaum noch und wenn, dann aneinander vorbei. Es fehlte dieser Kick, dieses Gefühl von Geborgenheit, Nähe, sich auf den Partner freuen, wenn dieser von der Arbeit oder einer Reise zurückkehrte. In einer Zeit, wo das Thema Trennung/Scheidung noch verpönt war, musste so eine Lebensveränderung möglichst lange für Außenstehende unbemerkt bleiben.
Versuchen wir doch, zum besseren Verständnis, Ernst ein wenig zu beschreiben. Er war ein gutaussehender Mann, etwas stabiler, von großer Statur, dunkle Haare und einem Kinnbart, den er immer mindestens zweimal in der Woche bei seinem Stammfrisör formen und schneiden ließ. Makellos kam Ernst daher; maßgeschneiderte Kleidung und Parfüm gehörten zu seinem Markenzeichen, wobei er die Düfte an jedem Wochentag wechselte. War es dieses gesamte Erscheinungsbild, was ihn auch für andere Frauen interessant machte?
Natürlich merkt ein Mann in den besten Jahren und einer Führungsposition, wenn Frauen in seinem beruflichen und privaten Umfeld ihm Offerten machen. So war es wohl nur eine Folge aus der unglücklich gewordenen Ehe mit Anna und dem versagten Kinderwunsch, dass Ernst sich auf seine Sekretärin einließ. Bei ihr fand er Nähe, Streicheleinheiten, die er von Anna nicht mehr bekam. Seine Lust wurde wieder befriedigt und es war ihm nach ersten, leichten Gewissensbissen auch egal, ob Anna sein Tun bemerken würde. Wie in Trance flüchtete sich Ernst in weitere
Beziehungen, teilweise zeitgleich, mit anderen Frauen, von denen natürlich keine von der jeweils anderen wusste.
Das blieb der eigenen Frau irgendwann nicht mehr verborgen und um keine Ausrede gelten zu lassen, suchte Anna nach einem Detektiv. Sie vertraute sich einer Freundin an und bat um Hilfe. Ihr selbst fehlten die Erfahrungen. Woher sollte sie wissen, ob der Detektiv sich nicht direkt an ihren Mann wenden würde, um auf diese Art mehr Geld rauszuschlagen? Ihre Freundin Elisabeth hatte einen Bekannten bei der Polizei, der den Namen eines zuverlässigen Ermittlers für solche Fälle in Erfahrung bringen konnte.
Es kam der Tag, den Anna wohl nicht mehr vergessen würde. In einem Café in Castrop-Rauxel traf sie sich mit Ben Klaska, dem empfohlenen Detektiv aus Dortmund. Noch vor dem Café überlegte Anna umzukehren und die Sache fallen zu lassen. Tausend Gedanken gingen ihr durch den Kopf, doch schließlich war der Mann doch auf ihren Wunsch extra nach Castrop gekommen. In ihrem Haus an der Sorpe war es ihr zu auffällig, denn Nachbarn reden ja bekanntlich, meistens hinter vorgehaltener Hand.
Soll ich Ernst selbst zur Rede stellen? Was wird, wenn ich Bestätigung bekomme? Wie wird Ernst reagieren, wenn er von meinem Vorgehen erfährt und durch die Ermittlungen in die Enge getrieben wird? Was wird überhaupt aus meinem Leben? Ist vielleicht auch alles nur meine Einbildung? Nach kurzem Zögern betrat sie das Café und erkannte Klaska sofort. Er saß bereits an einem kleinen Tisch am Fenster, von dem aus man auf die Straße blicken konnte. Er trank einen Kaffee und dazu ein Glas Wasser, sah gepflegt aus, erfüllte also so gar nicht das Bild, was Anna vorher von so einem Menschen gehabt hatte. Höflich stand er auf, begrüßte sie und bot ihr einen Platz an.
Das Eis war gebrochen. Die Schwere, die Anna in sich vorher noch verspürt hatte, war wie weggeflogen. Anna ließ sich kurz seinen beruflichen Werdegang erklären und erfuhr, dass Klaska viele Jahre als Hauptkommissar bei der Polizei gearbeitet hatte.
Wenn es einer verstand, vertrauliche Atmosphäre zu schaffen, dann war es dieser Detektiv. Er machte sich keine Notizen, nein, er hörte sich in aller Ruhe an, welche Gedanken Anna zu diesem Schritt veranlasst hatten. Klaska fiel ihr nicht ins Wort und sie genoss es, frei erzählen zu können, senkte dabei häufig den Blick zum Boden, weil es ihr doch ein wenig peinlich war, diesen Schritt zu gehen.
„Frau Kiesmann, es ist völlig in Ordnung, wenn sie Ihre Gefühle mir gegenüber zeigen, ich merke doch, wie sehr Ihre Schilderungen Sie mitnehmen“, reagierte Klaska auf die Blicke.
Anna versuchte, sich zu erklären. „Verzeihen Sie mir bitte meine Gefühlsausbrüche, aber mein Leben zieht gerade im Schnelldurchlauf an mir vorbei.“
Am Ende des etwa 1,5-stündigen Gesprächs sagte Privatermittler Klaska zu, den Auftrag zu übernehmen. „Ich wickele meine Aufträge gerne professionell ab, mit schriftlicher Bestätigung an Sie und natürlich einer ordentlichen Rechnung.“ Anna fand das offensichtlich sehr gut und es gab ihr das Gefühl, an den richtigen Ermittler geraten zu sein.
„Das ist mir angenehm so, aber wenn Sie einen Vorschuss benötigen, wäre das für mich auch in Ordnung.“
„Bei Ihnen sicher nicht, Frau Kiesmann“, antwortete Klaska.
Draußen vor dem Café verabschiedeten sich die beiden und man vereinbarte ein nächstes Treffen in einer Woche, wieder an einem Freitag, aber dann an einem anderen Treffpunkt. Ein kleines Bistro in Schwerte, einer kleinen Stadt an der Ruhr, sollte es sein, von Castrop gut 25 Minuten entfernt. Hier dürften sie wohl eher nicht erkannt werden. Anna hatte einfach Angst, durch ihr privates Umfeld oder aus dem Kreis der Firma entdeckt zu werden. Wenn man dort mitbekommen würde, was sie gerade unternahm, dann würde sie sicher zur Zielscheibe von vielen Menschen und genau das würde ihre Psyche nicht verkraften. Schwerte kannte sie, weil sie dort mal eine Weiterbildung für Schulleiter und Schulleiterinnen besucht hatte. Später hatte sie sich dann noch mal dort mit einer Kollegin getroffen, um sich in Sachen Schule auszutauschen.
Wie die nun folgende Woche für Anna war, kann man sich vorstellen.Gedanken über Gedanken und sorgfältige Beobachtungen ihres Ehemannes Ernst, der eh nur noch selten im gemeinsamen Haus an der Sorpe anwesend war. Termine waren sein Standardargument, gepaart mit notwendigen Reisen für das Unternehmen, welches mehr und mehr wuchs und deutlich gesteigerte Umsätze generierte. Das Unternehmen stand vor dem Börsengang und machte Millionenumsätze. Offensichtlich hatte Ernst Kiesmann da ein Erfolgskonzept in die Tat umgesetzt.