Читать книгу Klaska und die Anwältin - Jörg Przystow - Страница 13

Zahlen, Menschen, Absprachen, Betrug und neue Erkenntnisse

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Das erste Ziel einer gründlichen Persönlichkeitsstudie sollte Rechtsanwalt und Notar Erdmann sein. Dieser zwielichtige, eiskalte und immer im feinen Zwirn auftretende Mensch, der Klaska bereits bei Betrachtung eines Zeitungsbildes unsympathisch war. Ein typisches Bild von einer Person, die das geltende Recht nach seinen Vorteilen auslegt und manipuliert, so dachte er sofort, als er auch in öffentlich zugänglichen, juristischen Datenbanken recherchierte.

Bei vielen öffentlichen Terminen, die Erdmann wahrnahm, stand er recht häufig zusammen auf Bildern mit einem Herrn Thaler, Direktor genau der Bank, mit der Ernst Kiesmann sämtliche Firmentransfers abgewickelt hatte. Die Gelder, aus denen Anna und Ernst Kiesmann einst eine Stiftung gründen wollten, wurden auch bei dieser Bank hinterlegt und im Sinne des beabsichtigten Gründungsgedankens der privaten Stifter verwaltet, bis irgendwann mal die Stiftung auch tatsächlich ihre Arbeit aufnehmen würde. Dazu kam es jedoch nie.

Gab es diese Gelder überhaupt noch im Zugriff dieser Bank?, fragte sich Klaska. Je mehr er seine bereits im letzten Gespräch mit Anna begonnenen Skizzen mit neu gewonnenen Erkenntnissen ergänzte wurden Verbindungen klarer, die ohne das Wissen über die Verflechtungen keine schlechten Absichten vermuten ließen. Aber genau so ein Vorgehen, Vertrauen schaffen, geschultes, gebildetes Auftreten, immer eine Erklärung aus dem Hut zaubernd bei unangenehmen Fragen, war das Können der beteiligten Herren, die alle nur das Ziel der persönlichen Bereicherung vor Augen hatten.

Meister dieses Fachs war Notar Erdmann, der sich ja schon zu Lebzeiten von Ernst Kiesmann das persönliche Vertrauen von Anna erschlichen hatte. Jetzt zeigte sich auch eine Verbindung zum Steuerbüro Verlud auf, eine große Bürogemeinschaft, aber offensichtlich wurden die gewinnbringenden Mandate nur durch den Chef Robert Verlud selbst abgewickelt. Diese Menschen sind gefährlich, strahlen dem Gegenüber Zuversicht, Hilfsbereitschaft und dieses Gefühl von „Wir wollen doch nur Ihr Bestes“ aus. Dann, wenn die Fallstricke gespannt sind, schlagen sie zum entscheidenden Zeitpunkt zu, genau dann, wenn diese Dagobert Ducks den Euroberg der Mandanten auf die Höhe haben wachsen lassen, dass es Zeit wird, vor einer geschickt eingefädelten Insolvenz kräftig abzugreifen. Dazu müssen eben viele verschiedene Fachrichtungen aus den unterschiedlichsten Wirtschaftssystemen sehr gut zusammenspielen, was im Fall der Eheleute Kiesmann bis jetzt hervorragend funktioniert hatte.

Allerdings bekam Klaska auch Informationen über seine Quelle aus dem Landeskriminalamt, kurz: LKA, die ihn an der Ehrlichkeit von Anna ein wenig zweifeln ließen, obwohl er sich schon denken konnte, warum sie ihm diese Dinge nicht erzählt hatte. Aus einem Polizeibericht ging demnach hervor, dass Anna vor vielen Jahren unter erheblichem Alkoholeinfluss einen Verkehrsunfall verschuldet hatte, bei dem glücklicherweise nur sie selbst und die Blechkarosse zu Schaden gekommen waren. Mit einer leichten Kopfverletzung und Prellungen konnte Anna aus ihrem Auto geborgen werden und es folgte, was unabwendbar war: Nach Auswertung einer Blutentnahme musste Anna ihren Führerschein abgeben. Dies bedeutete Einschränkung, auf andere Menschen angewiesen sein, sich nicht mehr dann zu bewegen, zumindest motorisiert, wenn Termine anstehen. Sich einfach mal spontan auf den Weg zu machen, um sich Freiräume zu schaffen, diese Dinge waren nun wohl vorbei, denn aufgrund ihres hohen Alkoholwertes im Blut, der bei 2,34 Promille lag, musste Anna eine medizinisch-psychische Untersuchung über sich ergehen lassen, wollte sie nach gerichtlich festgelegten 18 Monaten Fahrerlaubnisentzug jemals wieder an ihren Führerschein kommen. Dazu musste sie damals 2.600 Euro Geldstrafe zahlen, die Anna auf Antragstellung an eine gemeinnützige Einrichtung überweisen konnte.

Meisterjurist Schweitzer konnte da wenig für Anna tun und in einem internen Vermerk des im Verfahren beteiligten Ermittlers der Polizei fand Klaska den Hinweis, dass hier der Anwalt seinen Job nicht gerade gut gemacht hatte. Sollte er Anna darauf ansprechen, sollte er sie der Peinlichkeit aussetzen darüber zu erzählen? Brauchte er diese Informationen überhaupt für seine Arbeit?

Nein, aber es war gut, auch von Anna nach und nach ein eigenes Bild ihres bisherigen Lebens zu bekommen, und da gehörten diese Geschichten, die neben Anna auch anderen Menschen passieren, mit dazu.

Klaska entschied sich, auch die alte Nachbarschaft der Kiesmanns aufzusuchen, denn der Sorpesee, an dem sie gelebt hatten, sprach dafür, dass hier nicht innerhalb von ein paar Jahren die Mieter wechselten, weil es zum großen Teil Eigentümer waren. Also machte sich Klaska auf den Weg ins Sauerland.

Bereits beim Besuch der unmittelbaren Nachbarn kamen weitere Erkenntnisse hinzu, denn auch Nachbarn sind aufmerksam, beobachten und tratschen. Ermittler Klaska erfuhr, dass Anna im Zustand des übermäßigen Alkoholkonsums an einem Samstagnachmittag den Rasen mähte, während ihr Mann Ernst wieder mal auf Geschäftsreise war oder einer seiner Sekretärinnen noch etwas zu diktieren hatte, so eine ausschweifend erzählende Nachbarin. „Wir wussten hier doch alle, was unser Nachbar für ein Schwerenöter war. Und seine Frau hat dann eben ihr Heil im Alkohol gesucht“, erzählte sie.

Auf jeden Fall soll Anna mit einem so genannten Aufsitzrasenmäher, also praktisch einem kleinen Traktor mit Mähwerk, über eine Natursteineinfassung ihres geliebten Rosenbeetes gefahren sein und gleich so, dass der kleine Traktor festsaß und das gesamte Fahrwerk kaputt war. Anna soll laut geflucht haben und wenige Minuten danach sei einer dieser Notare oder Rechtsanwälte vorgefahren und habe mit ihr im Garten gestanden. Sie hätte sich an seine Schulter gelehnt und geweint. Vorher soll sie telefoniert haben, wie die Nachbarin gesehen haben wollte. Wieder einige Zeit später sei dann ein kleiner Transporter mit Anhänger vorgefahren und zwei Personen in Arbeitskleidung hätten den Traktor aus dem Garten geholt, verladen und abtransportiert.

Tage später hätten genau diese Männer mit demselben Fahrzeug den Mäher bzw. kleinen Gartentraktor zurückgebracht und in die Garage gestellt. Sicher, dass kann jedem passieren, der sich mit Gartenarbeit beschäftigt, aber es zeigt im Fall von Anna, welche Auswirkungen ihr Alkoholmissbrauch auf ihr Leben hatte.

Andere Nachbarn berichteten von lautstarken Auseinandersetzungen mit ihrem Mann Ernst, der danach oft das Haus verlassen habe. Anna habe dann oftmals in der Tür gestanden und gerufen: „Fahr doch zu deinen Huren, was anderes sind diese Weiber doch nicht!“ Einmal habe Ernst sie sogar fast unbeabsichtigt umgefahren, als er seinen Wagen aus der Garage rückwärts setzte und Anna plötzlich dahinterstand. Szenen dieser Art wären fast alltäglich gewesen. Anfangs habe sie peinlich berührt gewirkt, wenn die Nachbarn zufällig vor dem Haus oder in ihren Gärten gewesen sind. Doch irgendwann habe Frau Kiesmann ihr Ansehen gar nicht mehr gestört.

Anna Kiesmann wurde aber unisono von allen aus ihrem direkten Lebensumfeld als freundliche Frau beschrieben, die es einfach nicht geschafft hat, ihren Mann Ernst für sich zu gewinnen. Die Fassade der Unternehmerfamilie sollte irgendwie aufrechterhalten werden, weil man in der Gesellschaft keinen Spießrutenlauf und Getuschel auf Empfängen möglichst vermeiden wollte. Gelungen ist dieses Vorhaben aber ganz eindeutig nicht.


Klaska und die Anwältin

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