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Ein Papst überquert die Alpen

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600 Mann begleiteten ihn. Dem Gefolge gehörte zumindest zeitweise eine Reihe bedeutender Gelehrter und hoher Geistlicher an. Dabei war unter anderem der Humanist Leonardo Bruni in seiner Funktion als Kanzler des Papstes, der kaum minder berühmte Poggio Bracciolini, Pier Paolo Vergerio, Cencio Rustici, Bartolomeo Aragazzo de Montepulciano, Zomino da Pistoia, Benedetto da Piglio, Biagio Guasconi, der Erzbischof von Mailand Bartolomeo della Capra und Francesco Pizoplasso, der ihm auf eben diesem Mailänder Stuhl dereinst nachfolgen sollte.

Die Anreise war für alle schwierig. Die Alpen, das „pirg“ der zeitgenössischen Quellen, waren im Mittelalter, ganz gleich, ob man sie von Nord nach Süd oder in der umgekehrten Richtung überqueren musste, ein echtes Hindernis. Die wenigen Wege, die bis über die Pässe führten, waren abenteuerlich. Enge Schluchten, nackte Felsen, Sturmwinde, die die Täler hinauf- und hinabtrieben und die Reisenden kaum atmen ließen, Lawinenabgänge im Winter und im Frühjahr, abenteuerliche Brückenstege, auf die kaum ein Mensch seinen Fuß zu setzen wagte, die wenigen Gasthäuser und Hospize wie einsame Inseln in der höchsten Ödnis.

Zu viele wussten von den Gefahren des Weges ein Lied zu singen. Man denke nur an den berüchtigten Alpenübergang des römischdeutschen Königs Heinrichs IV. auf dem Weg nach Canossa im Winter 1076/77. Aber auch spätmittelalterliche Reiseberichte erzählen immer wieder von panischen Ängsten. Der englische Geistliche Adam von Usk († 1430) ließ sich, als er auf einem Ochsenschlitten über den Gotthard zog, die Augen verbinden, so sehr schreckte ihn der Anblick der Felsmassen. Für den Genuss landschaftlicher Schönheiten war kein Platz, zumindest in dem, was man beschrieb oder beschreiben wollte. Es ging hauptsächlich darum, überhaupt anzukommen.

Welche Route wählte der Papst? Eine Inschrift der Kirche am Ostausgang von Latsch im Vinschgau besagt, dass Johannes XXIII. auf dem Weg zum Konstanzer Konzil diesen Weg genommen habe – ein Zeugnis, das einen Eindruck davon vermittelt, welches Aufsehen ein durch Fels und Eis reisender Pontifex erregt haben muss. Der weitere Weg ging, wie wir von Leonardo Bruni erfahren, über den Reschen und den Arlberg.

Ulrich Richental erzählt, dass es genau hier, auf dem Arlberg, zum Unglück gekommen sei. Die päpstliche Kutsche sei umgekippt und habe den Papst in den Schnee geworfen („und do er herauf auff den arlenberg kam bey dem kloesterlin do viel der wagen darinne er für umb und lag in dê schnee“). Der fluchende Johannes habe dafür den Teufel verantwortlich gemacht. Die Episode ist höchstwahrscheinlich frei erfunden. Richental hat sie fingiert, um den später abgesetzten Papst lächerlich zu machen. Er wollte zeigen, dass sich die Absetzung Johannes’ auf dem Konzil bereits durch ein unheilvolles Zeichen angekündigt hatte. Dem als Sieger in die Stadt Einreitenden hatte Gott gewissermaßen schon gesagt, was mit ihm geschehen werde. Ob erfunden oder nicht, die Geschichte wird so manchem Leser der Chronik gefallen haben.


Die Kutsche von Papst Johannes XXIII. kommt auf dem Arlberg ins Kippen. „Hic iacet i[n] animus [d]yabilis (hier liegt der leblose Teufel): hie leich der theufel im drecke.“

In demselben Monat, in dem Richental seine Geschichte platziert, Oktober 1414, schauten Johannes und sein Gefolge auf Konstanz und den See. Der Papst soll dazu misstrauisch bemerkt haben: „Hier also fängt man Füchse.“ Er selbst, Johannes, war ja ein Fuchs – listig, wendig, schnell, nirgendwo richtig zu kriegen. Und „gerissen“ hatte er wohl schon einiges in seinem Leben, seine Gegner wussten davon. Vielleicht hat er bereits hier, in diesem Moment mit dem Blick auf Konstanz, vor Augen gehabt, wie eine Falle sich öffnete, der nicht zu entkommen war, eine Falle, die ihn selbst als Ersten zur Strecke bringen würde.

Konstanz 1414-1418

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